Mauerschützen

Vor dem Berliner Landgericht hat in der vergangenen Woche ein Mauerschützenprozeß begonnen. Nichts besonderes eigentlich, doch in diesem Fall sind die Kugeln von West-Berliner Territorium aus auf das Gebiet der ehemaligen DDR geflogen. Insgesamt sieben Schüsse sollen die beiden heute 70- und 61jährigen Angeklagten, beide Rechtsextremisten und bekennende Antikommunisten, am 9. Juli 1970 auf zwei junge DDR-Grenzer abgegeben haben, die in der Nähe der Glienicker Brücke bei Potsdam in einem Trabant-Kübelwagen Streife fuhren. Den Schüssen waren wochenlange Vorbereitungen vorausgegangen: Sorgfältig suchten die beiden eine geeignete Stelle im Düppelner Forst aus, wo sie in der Nähe der Mauer in einem Waldstück eigens ein Podest aufbauten. Sie waren gottlob schlechte Schützen und trafen nicht. Bei der Westberliner Polizei gaben sie anschließend an, von DDR-Seite aus bei Filmaufnahmen beschossen worden zu sein. Aufgrund dieser Klage wurde 1992 ein erneutes Ermittlungsverfahren gegen die Grenzer aufgenommen. In dessen Verlauf stellte sich jedoch der wahre Tatverlauf heraus. Jetzt lautet die Anklage auf versuchten heimtückischen Mord. Heimtücke sei jedoch nicht gegeben, argumentierte der Verteidiger des 61jährigen Manfred G.: Schließlich seien die DDR-Grenzer auf Angriffe aus dem Westen vorbereitet gewesen. Falls sich das Gericht dieser Argumentation anschließt, gilt die Tat als verjährt.