Neuer Fall von Bullenblindheit

"Es bleibt ein fader Beigeschmack, weil nur Seitenaspekte aufgeklärt werden konnten." Hagen Sendt, der Vorsitzende Richter im Berliner Prozeß gegen 17 Beamte einer Berliner Polizei-Hundertschaft war sichtlich frustriert. Obwohl zu den Beweismitteln ein von Kollegen zur Belustigung hergestelltes Videoband gehörte, auf dem zu sehen war, wie die Polizisten wehrlose Festgenommene schlugen, hatte Sendt sieben der Angeklagten freisprechen müssen. Keinem einzigen konnte persönlich nachgewiesen werden, an der Aktion beteiligt gewesen zu sein. Verurteilt wurden nur diejenigen, die von den Schlägern in den eigenen Reihen gewußt haben müssen, aber nichts unternahmen. Die höchste Strafe erhielt ein Gruppenführer, der zu sechs Monaten Gefängnis verurteilt wurde. Der Videofilm war im Gemeinschaftsraum des Polizeiquartiers vor vollen Stuhlreihen vorgeführt worden, so Sendt; nach Aussagen der Angeklagten hätten daran aber "nur anderthalb Personen" teilgenommen.