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"Star Trek - The Exhibition" ist fünf Jahre lang unterwegs, um schlecht besuchten Museen neues Leben einzuhauchen
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Vergangene Woche - ich lümmelte gerade mit einem Eimer Karamel-Popcorn vor dem Fernseher herum - begann über meinem Ficus (Wohnzimmerpflanze) ein seltsames Flirren. Binnen weniger Sekunden materialisierte sich ein schuppengepanzertes Wesen. Auf den Rücken geschnallt trug es eine Art Umzugskarton, der Peilstrahl seines Phasers zielte beeindruckend genau auf meine Nasenwurzel. "Guten Abend!" schnarrte es. "Ich bin Schnip Schnibirski, stellvertretender Obersergeantcommander der interstellaren Flotte aus dem Lylly-Quadranten." - "Deshalb die vier Köpfe?" fragte ich vorsichtig. - "Jau. Wir haben dich aus allen Humanoiden des Universums ausgewählt, um eine Mission für uns auszuführen." - "Mich? Echt?" Unauffällig schabte ich ein wenig Popcorn vom Hosenlatz. - "Jau. Zur Sache: Ich komme aus dem Jahr 2466. Bei uns hat soeben die Erstausstrahlung der Serie 'Star Trek' 500. Jubiläum gehabt. Verstehst du? Seit geschlagenen fünf Jahrhunderten läuft dieser Kirk-und-Spock-Schmonzes! Mittlerweile gibt es 185 Nachfolge- und Ableger-Serien, galaxienweit treffen sich jährlich 6,8 Milliarden Lebewesen zu Star-Trek-Conventions, und der Interstellare Rat hat in seiner letzten Sitzung den Gruß 'Live long and prosper' verbindlich ins Galaxien-Grundgesetz aufgenommen. Wir sind mit den Nerven fertig, verstehst du?"

Diesmal war ich dran, "Jau" zu sagen. "Deshalb hat die Flotte beschlossen, einen Humanoiden zurück durch die Zeit zu schicken, um Gene Roddenberry abzumurksen. Roddenberry, 1921 in Texas geboren, war Air Force-Pilot und erfand die Serie 1964. Wenn du also bitte mit Hilfe dieses ..." - er wies auf den Umzugskarton - "... Hyperschnypers ins Jahr 1963 zurückreisen könntest, um eine kleine Manipulation an der Bremsleitung von Roddenberrys Privatwagen vorzunehmen, findest du nach deiner Rückkehr mehr Fernseher, Popcorn und Hosenlätze, als du je in deinem Leben verbrauchen kannst."

Ich war noch nie Science-Fiction-Freund. "Alles klar. Das Problem ist nur, daß ich erst ein bißchen in die Materie einarbeiten müßte. Ich ..."

"Kein Problem. Die Flotte hat ein Großraum-Hologramm für dich anfertigen lassen. Wenn ich meine Hand öffne, baut sich um dich herum eine 3-D-Simulation der Berliner 'Star Trek-Exhibition'-Eröffnung vom 25. September auf ..."

Schnibirski öffnete die Kralle. Mir wurde ein wenig schummrig, und plötzlich saß ich tatsächlich mitsamt meinem Popcorn-Eimer mitten in der Berliner Kunsthalle.

An einem improvisierten Podest im Untergeschoß der Ausstellung, die über beide Stockwerke der Kunsthalle verteilt ist, steht ein Herr namens Andreas Bauch. Er ist Repräsentant der Firma Woite, Bauch und Partner GmbH, regionaler Veranstalter der Ausstellung. Er erläutert: Die Ausstellung, die auf ihrer Tour durch Europa nun in Berlin angekommen ist, wurde 1995 anläßlich des nahenden 30. Jahrestages der Erstausstrahlung von Star Trek von der Paramount Picture Cooperation zusammengestellt. Zunächst war sie 1996 auf dem Edinburgh Festival zu sehen, danach in Birmingham, London und Köln. Anfang des nächsten Jahres wird sie von Berlin aus in die USA zurückkehren.

Aber warum nur diese Ausstellung? Warum dieser ganze Aufriß um eine schlecht ausgeleuchtete Weltraum-Odyssee in bizarr getünchten Holzkulissen? Antwort darauf versucht Lutz Dieckmann zu geben, ein Star-Trek-Experte, der durch die Veröffentlichung ganz schön vieler Bücher und Vorträge zum Thema sein Hobby zum Beruf gemacht hat. Star Trek sei ein Signal gewesen im Kalten Krieg, die Vision einer friedlichen Gesellschaft, die Konflikte rational, tolerant und mit Hilfe einer menschenfreundlichen Technologie löst. Ein Amerikaner (Cpt. Kirk), ein Russe (Navigator Chekov), ein Europäer (Maschinist Scott), ein Asiate (Offizier Sulu) und eine afroamerikanische Frau (Nachrichtenoffizierin Uhura) gemeinsam auf der Brücke, das sei damals, 1966, eine Sensation gewesen. Außerdem habe die Serie, obwohl sie nur drei Saisons zu je 26 Folgen überstanden habe, einen Fankult und eine Menge an Nachfolgesendungen nach sich gezogen, wie sie bis heute beispiellos in der Fernsehgeschichte seien: Star Trek Animated (22 Folgen, 1972), The Next Generation (1987-94), Deep Space Nine (1993 bis heute), Voyager (1995 bis heute), dazu acht Kinofilme, alle berufen sich auf die Grundidee des 1991 verstorbenen Roddenberry. 300 000 Menschen treffen sich heute jährlich auf Fan-Conventions, die Serien laufen in über 100 Ländern, die Bücher dazu sind in 47 Sprachen erhältlich. Und das sei gut so. Denn laut Dieckmann könnte ein wenig von der Toleranz, die in Star Trek vorherrscht, auch der realen menschlichen Gesellschaft nicht schaden.

Junge, Junge, denke ich, und wende mich den Exponaten zu.

Erstaunlicherweise bestehen die zu rund der Hälfte aus wenig Toleranz verheißenden Feuerwaffen. Handphaser, Phasergewehre, Protonentorpedos aus drei Jahrzehnten, die alle gemeinsam haben, daß sie unglaublich billig wirken. Bei jedem beliebigen japanischen Spielzeughersteller würden die Dinger in der Qualitätskontrolle hängenbleiben. Besser sieht es bei den Kostümen und Vollmasken aus: Romulaner, Klingonen, Ferengi und andere Typen, die einem im All so über den Weg laufen, starren aus dickverglasten Vitrinen. Aber auch anhand dieser Verkleidungen erklärt sich letztlich, warum auf den Star Trek-Schiffen stets so katastrophale Lichtverhältnisse herrschen: Von Neonstrahlern ausgeleuchtet, locken sie nämlich keinen Astronautenschüler hinter dem Simulator hervor.

Worum es bei "Star Trek - The Exhibition" tatsächlich geht, zeigt sich letzlich im Museumsshop: Uniform-Shirts drängen sich neben Transporterraum-Modellen, CD-Roms neben Videos, Tand neben Tinnef, Schnick neben Schnack, alles zu Preisen, für die ein alter Maschinist lange beamen muß. Ich griff mir wahllos eine Ferengi-Puppe heraus und ...

Mir wurde schummrig. Schnibirski hatte die Klaue geschlossen, und ich fläzte wieder in meinem Zimmer. "Geht das klar mit der Mission?" fragte er.

"Jau. Wie komme ich doch gleich in diesen Hyperschnapper?" - "Hyperschnyper", verbesserte er mich. Er öffnete eine Klappe an dem Umzugskarton. "Ich kenne hier in der Nähe ein gutes Fachgeschäft für Hosenlätze", sagte ich noch beim Einsteigen. Dann flirrte es, und mir wurde schon wieder ganz anders.

"Star Trek - The Exhibition". Kunsthalle Berlin, Budapester Straße 42, 10787 Berlin. Bis 18. Januar 1998, täglich von 10 bis 19 Uhr