Darts und Tanzen olympisch

Der britische Sportminister Tony Banks will England wieder zur großen Sportnation zu machen

"Tony ist ein sehr witziger Mensch und 19 von 20 Witzen funktionieren ganz gut", erklärte Claire Short, Ministerin für internationale Entwicklung, während des britischen Labour-Parteitages in Brighton. Mit Tony meinte sienatürlich nicht Premierminister Tony Blair, sondern Sportminister Tony Banks. Während Tony Blair mit hundertprozentigem Humor Großbritannien als "Leuchtturm für Gutes zu Hause und im Ausland" reibungslos ins neue Millenium führt, tut sich der Sportminister schwer mitzuhalten. Bei einem Randtreffen in Brighton erklärte Banks, daß die Konservativen mit dem neuen Parteichef William Hague gerade einen Fötus zum Parteiführer gewählt hatten. Das Publikum lachte und ermutigte den liebenswürdigen Sportminister weiter zu reden: "Ich wette, viele konservative Abgeordnete bereuen es heute, daß sie gegen die Abtreibung gestimmt haben", so Banks. Die heftigste Kritik kam umgehend von der Anti-Abtreibungs-Gruppe "Life", die die Bemerkungen des Ministers als grotesk empfand: "Der Minister für Sport wollte Mr. Hague beleidigen, indem er ihn mit einem Fötus verglich - aber das ungeborene Kind ist wunderschön."

Da von Großbritannien die Rede ist, wo New Labour allmächtig ist, durfte Tony Banks in seinem Amt bleiben, die angeschlagenen Konservativen haben seine Entschuldigung sogar akzeptiert. Wie Blair in seiner Rede sagte, "die Konservativen sind nicht tot, die schlafen nur".

Es ist nicht das erste Mal, daß Banks für Probleme in der neuen Regierung sorgte. Er ist ehrlich und Sozialist, eine schwere Last heutzutage in einer Partei, in der sich alle Abgeordneten ständig Gedanken über ihr öffentliches Auftreten machen müssen. Gepflegtes, modernes und modisches Erscheinen ˆ la Peter Mandelson, der Erfinder des neuen Labour-Image, ist an der Tagesordnung: Da Mandelson immer nur im dunklen Hintergrund steht, wurde er "der Prinz der Dunkelheit" getauft. Wer nicht mit Mandelson zurechtkommt, kann seine Karriere bei New Labour vergessen, aber Banks ist schon peinlich, daß er im Staatsapparat so weit gekommen ist: "Ich gehe jeden Tag in der Gegend, wo ich wohne, spazieren und ich fühle mich schuldig, weil ich Arbeit und gute Klamotten habe, ich habe das Geld, um in die Kneipe zu gehen oder in den Urlaub zu fahren, ich fühle mich einfach schuldig. Es ist schön, auf der Straße erkannt zu werden - aber für was? Was habe ich getan?"

Wie alle Briten ist Banks ein großer Fan des Wettens: Nachdem er vor zwei Monaten erklärte, daß England auch im Jahr 1998 vielleicht die Fußballweltmeisterschaft nicht gewinnen wird, mußte er, um die entstandene Empörung abzumildern, fünfzig Pfund auf die Nationalmannschaft setzen. Und nun geriet der Sportminister wieder in die Kritik mit seinem Vorschlag, die Nationalhymne und den Union Jack bei internationalen Spielen zu verbannen, weil der Sport sonst zu kriegerisch sei. Die Kritik kam allerdings nicht nur aus England, die Fifa nahm diesen Vorschlag mit "tiefster Enttäuschung" auf. Banks Begründung, den Sport statt den Nationalismus zu feiern, war offensichtlich für die Herren des Fußballs untragbar. Ein anderer Vorschlag, das Recht ausländischer Spieler, die in der englischen Premier-League tätig sind, für die englische Nationalmannschaft zu spielen, wurde von den maßgeblichen Stellen ohne Diskussion abgelehnt. Der eingefleischte Chelsea-Fan Banks hatte den italienischen Nationalspieler Zola, der als Stürmer füt den Londoner Klub spielt, als Beispiel genannt. "Das Recht für England zu spielen, soll vom Aufenthalts- statt Geburtsort abhängig gemacht werden. Statt nur 'Gut gekickt' zu denken, als Zola unsere Nationalmannschaft niedermachte, wäre es nicht besser zu sagen 'He Zola, wir bezahlen Ihren Lohn, wollen Sie für England spielen?'"

Zur Zeit spielen über 160 Ausländer in der englischen Liga, und viele Zyniker sehen nur in ihrem Einsatz eine Chance für England, die Weltmeisterschaft noch einmal zu gewinnen.

Obwohl die Briten viele Sportarten erfunden haben, sind sie heutzutage in nur wenigen noch Weltklasse. Grund genug für den britischen Sportminister, ein paar neue Sportarten, wie Darts und Gesellschaftstanzen, wo die Briten unangefochten die Nummer eins sind, als neue olympischen Disziplinen vorzuschlagen. Darts ist in Großbritannien sehr beliebt, James Marschall kassierte umgerechnet 100 000 Mark, als er die diesjährige Weltmeisterschaft gewann. Die Darts-Profis haben sich von der rauhen britischen Kneipenkultur, aus der das Spiel entstanden ist, längst verabschiedet, bei Fernsehübertragung ist das Rauchen und Trinken vor laufenden Kameras seit zehn Jahren streng untersagt. Für den gewöhnlichen Fan ist ein Darts-Turnier dennoch Anlaß für einen stürmischen Abend. Natürlich gehören reichlich Bier und Zigaretten dazu.

Ob die nicht gerade sportlich aussehenden Darts-Profis demnächst auch noch tolle Anzüge tragen müssen, wenn sie Großbritannien repräsentieren, wird sich erst später herausstellen. In Großbritannien unter Tony Blair ist alles möglich.