Minen-Preis

Am 10. Oktober wurde der Friedens-Nobelpreis der Internationalen Kampagne für das Verbot von Landminen zugesprochen. Der Koalition von Minengegnern aus 55 Ländern gehören mehr als 1 000 Initiativen an - durchweg Nichtregierungs-Organisationen (NRO) - , deren Spektrum von Menschrechts- über Minenräum-Organisationen bis zu kirchlichen Gruppen reicht. Gegründet wurde sie 1991 von zwei NRO aus den USA (Vietnam Veterans of America Foundation) und der BRD (medico international), beides Staaten, die zu den wichtigsten waffen- und minenproduzierenden zählen.

Sowohl die Veterans als auch medico kommen aus den Solidaritätsbewegungen gegen die imperialistische US-Politik. Das ist lange her, und der Übergang zwischen offizieller Regierungspolitik und dem stolzen Begriff "Nichtregierungs-Organisation" ist überall im Geschäft mit der Hilfe fließend geworden, seit es kaum noch Solidaritätsbewegungen gibt und sich ihre Reste meist um Regierungsgelder bemühen. Trotz der Tücken der Abhängigkeit von öffentlichem Haushaltsrecht wird nicht selten auf diese Weise auch relativ vernünftige Arbeit mit Staatsknete finanziert.

Auch der Balanceakt der Landminenkampagne zwischen einem radikal rüstungsindustriefeindlichen Forderungskatalog und dem Sich-Einlassen auf Verhandlungen mit Regierungsvertretern zeigt die Antagonismen, in denen sich Realpolitiker bewegen (müssen), auch wenn sie aus einem linken, internationalistischen Spektrum kommen. Manchmal sind es nur Nuancen, die noch vermitteln, wo die Unterschiede zwischen der Minengegnerschaft eines Außenministers Klaus Kinkel und der Kampagne sind: Kinkel protegiert mit seinen pressewirksamen Auftritten unverhohlen teure und aufwendige Minenräumgerätschaften der bundesdeutschen Rüstungsindustrie, während die Vertreter der Kampagne gegen Landminen in der Regel auf ortsansässige Hilfe zur Selbsthilfe bei der Minenbeseitigung und Rehabilitation der Minenopfer setzen.

Dies durchzuhalten ist nicht immer leicht, weil Projektgelder aus Staatshaushalten, auch solche für Anti-Minen-Projekte zum Beispiel in Angola, Mosambik, Vietnam und Afghanistan, nach bürokratischen und oft überhaupt nicht den örtlichen Erfordernissen angepaßten Vorgaben bereitgestellt werden. Der Einwand, den Menschen in verminten Gebieten, wäre dies egal, greift zu kurz. Allein die Bereitstellung von Beinprothesen und eine nach UN-Maßstäben zu 98 Prozent geräumte Hauptstraße ist zu wenig. Allerdings lassen sich so gute und schnelle Geschäfte machen. Der Kampagne gegen Landminen ist hoch anzurechnen, daß sie diesen Widerspruch problematisiert und in ihre Forderungen aufgenommen hat.

Die "Anti-Minen-Manager" sitzen jedoch nicht dort, wo die Minen gelegt wurden. Ehre und Anerkennung aus Oslo - das Geld spielt hier nicht die entscheidende Rolle, denn das Projekt Minenbeseitigung erfordert weltweit das Millionenfache - bleiben hoffentlich nicht im reichen Norden vergraben. Vom Friedenspreis allein lernt kein Minenopfer, auf einem Bein seinen Lebensunterhalt zu verdienen, keine Dorfbevölkerung, sich nicht auf Militärs zu verlassen. Und die beiden Gründungsorganisationen der Kampagne, medico in der BRD und die Veterans in den USA, müßten auch im eigenen Land dafür sorgen, daß die Kinkelei ein Ende hat.