Rolling home auf bayerisch

Die NPD will am 8. November erneut in München marschieren

Hitler überrumpelte die Versammlung im Bürgerbräukeller. Ein Teil der 35 000 Münchener NSDAP-Mitglieder hatten sich dort zu Vorbereitungen für die große nationale Erweckung versammelt. Hitler wollte nicht warten, erklärte die Regierung der Weimarer Republik für abgesetzt und rief im Bierdunst die neue, provisorische aus, in der er sich selbst zum Kanzler kürte. Die braunen Horden zogen in die Innenstadt. Der von Hitler angeführte Demonstrationszug, der im "Marsch auf Berlin" gipfeln sollte, wurde dann an der Feldherrnhalle durch die Schüsse der bayerischen Landespolizei auseinandergetrieben. Die "nationale Revolution" war gescheitert. Dennoch: An jenem 9. November 1923 wurde München zur "Hauptstadt der Bewegung".

Im März des Jahres 1997 könnten ältere Münchner ein gespenstisches Déjˆ-vu erlebt haben, als über 5 000 Neu- und Altnazis gegen die Ausstellung "Verbrechen der Wehrmacht 1941-1944" und die angebliche Verleumdung des deutschen Soldaten durch die Stadt marschierten. Die Omnibusse, mit denen sie angereist waren, parkten neben der Feldherrnhalle und der Aufmarsch wurde nicht wie damals von den Behörden verboten und aufgelöst. Allein ein antifaschistisches Bündnis stellte sich der NPD und ihrer Gefolgschaft in den Weg. Dieser Allianz verschiedener Gruppen war es zu verdanken, daß der rechte Troß den Marienplatz, wo die Ausstellung gezeigt wurde, nicht erreichte. Die NPD mußte ihre Kundgebung andernorts abhalten. Dennoch feierten die Rechten den "vollen Erfolg" der "größten nationalen Kundgebung unter freiem Himmel seit Jahren", wie einer Pressemitteilung zu entnehmen war. Die Neonazis haben wieder Gefallen an der Hauptstadt ihrer Bewegung gefunden.

Nun wollen die Rechtsradikalen erneut in München aufmarschieren. Die NPD hat für den 8. November eine Demonstration auf dem Josephsplatz angemeldet. Die Partei kündigte auf ihrer Homepage im Internet einen Marsch zur nahegelegenen SPD-Zentrale an, wo eine Fahne der Sozialdemokraten verbrannt werden soll. Hintergrund dieses Vorhabens sind die Proteste eines antifaschistischen Bündnisses vor der bayerischen NPD-Zentrale im August, denen sich auch die Münchener Jusos angeschlossen hatten. Damals hatten die Teilnehmer eine Fahne der Jungen Nationaldemokraten (JN) in Brand gesteckt, um darauf hinzuweisen, daß die Jugendorganisation der NPD in zunehmendem Maße als Sammelbecken für Skinheads und Neonazis unterschiedlichster Couleur fungiert. Genau jene dürften im November wieder in München erscheinen, falls das braune Kameradentreffen nicht verboten wird. Bislang zögern die Politiker im Rathaus, den Plänen der Neonazis eine klare Absage zu erteilen.

"Das Wochenende ist bewußt gewählt worden", erklärt die Antifaschistische Aktion München in einer Pressemitteilung. "Am selben Datum fand in München 1923 der Putschversuch Hitlers und 1938 die Reichspogromnacht statt." Die Vorstellung, daß Nazis am selben Ort stehen, an dem für Hitler einst alles begann, mag die Kameraden ideologisch beflügeln. Für alle anderen ist es eine Verhöhnung der Opfer des Nationalsozialismus.

"Die treten in letzter Zeit viel selbstbewußter auf, und die Zahl der Überfälle auf Linke steigt", berichtet eine Münchener Antifaschistin. Ein Sprecher des Verfassungsschutzes sieht das ähnlich: "Die Wehrmachtsausstellung hat mit Sicherheit zu einem Motivationsschub unter den hiesigen Rechtsextremisten geführt." In der Tat sprechen die neuesten Zahlen des bayerischen Verfassungsschutzes für sich. Im Großraum München wurde seit dem Aufmarsch gegen die Wehrmachtsausstellung ein rasanter Anstieg fremdenfeindlicher Gewalttaten festgestellt. Auch die Mitgliederzahlen steigen: Sowohl die Republikaner als auch die NPD haben in Bayern Zuwächse um zehn Prozent. Große Stadtverbände bieten sich somit auch als Veranstalter für weitere Aktionen und Aufmärsche an, wodurch München für die rechtsextremistische Szene zusätzlich eine logistische Bedeutung erhält.

Seit der Wehrmachts-Ausstellung können sich die Rechtsextremen sicher sein: Die Chancen in der "Weltstadt mit Herz" aufzumarschieren, sind größer als anderswo. Verantwortlich für Demonstrationen zeichnet das Kreisverwaltungsreferat. Dessen Chef heißt Hans-Peter Uhl, ist Mitglied der Christsozialen, nennt CSU-Einpeitscher Peter Gauweiler seinen politischen Freund und bietet sich mit Law-and-order-Politik den Münchnern als Oberbürgermeister an. Uhls Behörde will jetzt prüfen, ob die öffentliche Sicherheit und Ordnung durch den Aufmarsch gefährdet sind - und zwar durch Linke: Denn viel schlimmer sei die geplante Gegendemonstration mit einer Mahnwache am Sendlinger Tor. Erst durch diese Aktion, die von 60 Organisationen unterstützt wird, entsteht nach Meinung Uhls die gefährliche Konstellation aus "rivalisierenden, gewaltbereiten Gruppen".

Der CSU-Mann versucht sich zwar als Nazigegner zu profilieren, indem er verhindern will, daß die SPD-Fahne verbrannt wird. Dennoch wolle er "aber gleichzeitig antifaschistischen Protest nach der Devise 'links gleich rechts' unterbinden", kritisiert die Münchener Antifa. Das politische Herumgedruckse in der bayerischen Landeshauptstadt kritisiert auch der SPD-Kreis-Chef Franz Maget: "In den meisten Städten werden solche Aufmärsche generell verboten. Ich hoffe, daß dies auch in München wieder gängige Praxis wird."

Beim Kreisverwaltungsreferat sah man dazu allerdings vergangene Woche noch keinen Grund. Es gebe "keinerlei Veranlassung für ein Verbot der ordnungsgemäß angemeldeten NPD-Demonstration", sagte der zuständige Abteilungschef Bank. Einen zweiten 1.März werde man allerdings auf keinen Fall dulden. "Wir werden diesmal keinerlei Gegendemonstration zulassen", erklärte Bank. Die Antifaschisten "könnten sich an jedem anderen Tag im Jahr versammeln, aber nicht an diesem 8. November 1997. Noch am vergangenen Wochenende wollte sich die Behörde allerdings nicht definitiv festlegen. Die Grünen forderten Münchens Oberbürgermeister Christian Ude auf, den Neonazi-Aufmarsch zu verbieten. Bei der NPD selbst ist man schon über die bisherige öffentliche Aufregung zufrieden und verzichtet deshalb auf die geplante Fahnenverbrennung - ein weiterer Erfolg auf dem Weg zurück in die Hauptstadt der Bewegung.