Hamburger Verhältnisse

"Als echter Erfolg darf die Einführung der 'Hamburger Ehe' gelten: Homosexuelle Paare können ihre Lebensgemeinschaft künftig registrieren lassen und Rechte daraus ableiten", feierte die taz am 4. November auf Seite eins ein Highlight der rot-grünen Koalitionsvereinbarung und irrte in einem zentralen Punkt: Der "echte Erfolg" könnte nämlich gerade darin bestehen, daß in besagtem Papier von "Paaren" definitiv nicht die Rede ist, die Regelungen also auch für polygame schwule und lesbische Beziehungen gelten - sofern später nicht noch definiert wird, anständiges Leben habe in Hamburg paarweise stattzufinden.

Der andere Irrtum ist, jene von Krista Sager auf dem hansestädtischen Christopher Street Day propagierte "Hamburger Ehe" habe etwas mit dem Eherecht zu tun. Im Gegenteil. Sie bietet Homo-Partnerschaften (warum eigentlich nur diesen?) grundlegende juristische Sicherheiten, und zwar staatsfern. Eine schlichte notarielle Beglaubigung soll Auskunftsrechte in Krankenhäusern und Behörden, die Erteilung von gemeinsamen Wohnberechtigungsscheinen sowie das Aufenthaltsrecht von Partnern aus Nicht-EU-Ländern begründen. Das alles soll durch reine Verwaltungsakte zustande kommen; einer Registrierung beim Standesamt bedarf es dazu nicht, wenngleich sie jenen freisteht, die meinen, ohne den Staat in ihren Betten nicht auszukommen. Rechtsfolgen hat sie jedoch nicht, und es entstehen keine ökonomischen Abhängigkeiten, zum Beispiel Unterhaltsverpflichtungen.

Was die GAL in Hamburg gegenüber der SPD durchgedrückt hat, unterscheidet sich von dem, was sowohl SPD als auch Grüne auf Bundesebene in Sachen Lesben und Schwule betreiben, vor allem durch den emanzipatorischen Grundgedanken. Indem die GAL wesentliche Elemente der "Beglaubigten Partnerschaft" des inzwischen aufgelösten, links dominierten Bundesverbandes Homosexualität (BVH) aufgreift und nicht die "Homo-Ehe" des konservativen Schwulenverbandes in Deutschland (SVD), erteilt sie der reichlich phantasielosen Ausdehnung der frauenfeindlichen BGB-Ehe auf Lesben und Schwule eine Absage. Daß das Land Hamburg die Änderung von Bundesgesetzen unterstützt, ist ein weiterer Schlag ins Gesicht der standesamtsfixierten Ja-Sager um Volker Beck, in Personalunion SVD-Chef und Rechtspolitischer Sprecher der grünen Bundestagsfraktion. Er und sein Verband argumentieren stets, die Öffnung der BGB-Ehe könne auf einmal alle rechtlichen Defizite ausgleichen, während die Änderung Dutzender Bundesgesetze illusorisch sei.

Das Signal an die Bonner Zentrale der Grünen ist unmißverständlich. Präferiert doch der Entwurf des Bundestagswahlprogramms weiter die staatlich sanktionierte "Homo-Ehe" und den homosexuellen Zugang zu allen Ehe-Privilegien. Andere als Zweierkisten oder Alleinlebende kommen darin gar nicht vor, was die Forderungen nach Antidiskriminierungsgesetz und Individualbesteuerung ebenso konterkariert wie die nach wirtschaftlicher Selbständigkeit von Frauen. Ob sich das noch ändern läßt, ist ungewiß. Fest steht, daß man Realität und Vielfalt lesbischen und schwulen Lebens an der Alster besser erfaßt hat als am Rhein.