Die Quote ist etabliert

Die EU hat mit Richtlinien, Aktionsprogrammen und auch mit der Rechtsprechung durch den Europäischen Gerichtshof (EuGH) bislang viel für den gleichstellungspolitischen Fortschritt getan. Ein Rückschlag war allerdings das "Kalanke-Urteil", mit dem 1995 die Bremische Quotenregelung für den Öffentlichen Dienst gekippt wurde. Mit entsprechendem Pessimismus war das jetzige Urteil zum NRW-Gleichstellungsgesetz erwartet worden. Die Klage eines Lehrers gegen die Beförderung einer Kollegin, durch die er sich benachteiligt sah, wurde jedoch abgewiesen und der EuGH in Louxemburg befand am 11. November, daß die Quotenregelung im Landesgleichstellungsgesetz von NRW mit EU-Recht vereinbar ist. Höchstrichterlich wurde bestätigt, daß diese notwendig sei, weil selbst bei gleicher Qualifikation die anhaltende Tendenz bestünde, männliche Bewerber gegenüber ihren weiblichen Konkurrentinnen bei Einstellung und Beförderung vorzuziehen.

Während die Konservativen hierzulande noch immer meinen, Frauen seien selbst schuld an ihrem ausbleibenden beruflichen Aufstieg, sprachen die Richter Klartext: Für die Benachteiligung von Frauen bei Beförderungen sind zum einen "tiefverwurzelte Vorurteile und Klischeevorstellungen über die Rolle und die Fähigkeiten von Frauen im Erwerbsleben" verantwortlich, und zum anderen diskriminieren die traditionellen Beförderungskriterien Frauen. All dies begründet nach Auffassung des Gerichts ein zusätzliches Beförderungskriterium - die Eigenschaft, eine Frau zu sein.

Als Bedingung für die Quote formulierte das Gericht, daß Ausnahmen möglich sind. Eine "Öffnungsklausel" muß garantieren, daß jeder Einzelfall geprüft wird. Gleichzeitig schränkte das Gericht die traditionellen Auswahlkriterien, die Frauen regelmäßig benachteiligen, ein. "Solche Kriterien dürfen allerdings gegenüber den weiblichen Bewerbern keine diskriminierende Wirkung haben", schrieb das Gericht. Damit dürfen Lebensalter, Dienstalter und die Erwägung, daß der Bewerber alleinerziehender Familienvater sei, ab sofort nicht mehr berücksichtigt werden. Das ist ein sehr großer Schritt nach vorn.

Nicht nur im Gleichstellungsministerium in NRW knallten am Tag des Urteils die Sektkorken. Frauen- und Gleichstellungsbeauftragte aller Bundesländer forderten nunmehr deutliche Fortschritte bei der Frauenförderung und kündigten Kampfbereitschaft an. Natürlich kann die Quote allein die anhaltende Benachteiligung von Frauen auf dem Arbeitsmarkt nicht beseitigen.

Denn sie hebt weder die ungleiche häusliche Arbeitsteilung auf, noch verbessert sie die Vereinbarkeit von Beruf und Elternschaft. Aber ohne diese Krücke geht es erst recht nicht. So schreibt z. B. das Arbeitsförderungsgesetz vor, Frauen entsprechend ihrem Anteil an den Erwerbslosen am Zweiten Arbeitsmarkt zu beteiligen. Ohne diese Vorschrift wäre die Situation ostdeutscher Frauen noch prekärer, als sie es ohnehin schon ist.

Nun wird es darauf ankommen, die Landesgleichstellungsgesetze zu präzisieren und ein modernes Gleichstellungsgesetz auf Bundesebene in Angriff zu nehmen. Der vom EuGH ausgegangene Impuls wird den politischen Bemühungen einen deutlichen Auftrieb verleihen.

Christina Schenk ist Frauenpolitische Sprecherin der PDS-Bundestagsgruppe