Kabale und Kokain

Andreas Goldberger gab am Anfang des Jahres zu, gekokst zu haben. Nach der Freigabe vom österreichischen Verband fand der Skispringer erst jetzt ein neues Start-Land

Eigentlich hat Andreas Goldberger seiner Sportart einen großen Dienst erwiesen, denn das Skispringen gehörte jahrzehntelang zu den ausgesprochenen Seppl-Sportarten. Die werden von gesunden Naturburschen ausgeübt, denen die Bewegung in der freien Natur große Freude macht, und die Tag und Nacht nur an ihren Sport denken.

Aber auch das Skispringen ist mitlerweile eine der Sportarten, mit denen sich viel Geld verdienen läßt, auch Skispringer bekommen eigene Star-Poster und Platz in Talkshows, das Gekiekse beim Auftauchen Dieter Thomas ist wohl nur unwesentlich leiser als das bei Mehmet Scholl.

Auch Andreas Goldberger, 1993 Sieger bei der Vierschanzentournee, 1995 Gesamtweltcupsieger im Skifliegen, Sieger der Vierschanzentournee und Gesamtweltcupsieger, 1996 Skiflug-Weltmeister und Weltcup-Gesamtsieger, war ein richtiger Popstar, die Karriere des heute 25jährigen hätte noch eine Weile so hätte weitergehen können, Medaillen bei der Winterolympiade in Nagano nächstes Jahr waren schon fest eingeplant.

Dann erklärte er in einer Talkshow, schon mal Kokain probiert zu haben, und schon brach öffentliche Entrüstung los. Denn das Skispringen gilt immer noch als Heile-Welt-Sportart. Dabei gab es auch dort immer wieder Skandale, z.B. wenn Matti Nykänen im Vollrausch in Kioske einbrach oder sonstwie auffällig geworden war, aber das galt eher als Kavaliersdelikt, denn richtige Männer müssen manchmal eben auch richtig was wegschlucken.

Gerüchten, daß sich die meisten Springer mit ein bißchen Schnaps regelmäßig die Angst vorm Fliegen wegschluckten, wurde nie nachgegangen - obwohl z.B. gleich mehrere hoffnungsvolle norwegische Jungtalente nach einer Promillefahrt mit Unfallfolge ihre luftigen Karrieren für immer vergessen konnten. Auch regelmäßig auftauchende Hinweise darauf, daß ein Joint vor dem Sprung die nötige Entspannung bringt, kümmerten niemand, trotz einschlägiger Funde in skandinavischen Junioren-Trainingslagern.

Bloß Goldberger und das Koks waren ein schrecklicher Skandal, obwohl der die Droge nie gebraucht hat, um sich zu dopen, sondern um nach Feierabend ein bißchen Spaß zu haben, denn ein zugekokster Zappelphilipp wird auf einer Skischanze nicht unbedingt viel Erfolg haben.

Aber "irgendwer hat irgendwo eine ganze Menge Spaß, es kommt darauf an, das zu verbieten" (Sean McGuffin), deswegen schritt der Österreichische Ski-Verband ÖSV zur großen Bestrafungsaktion. Ein halbes Jahr Sperre und eine Geldstrafe von zirka 15 000 Mark wurden verhängt, Goldberger ging umgehend gegen die Strafe an: "Ich muß im Sommer an den Mattenspringen teilnehmen, denn ich brauche Wettkampfpraxis, zumal ich die letzte Saison verletzungsbedingt vorzeitig beenden mußte." Weiter forderte er, weiter mit seinem Heimtrainer Heinz Koch arbeiten zu dürfen, ein im ÖSV damals durchaus übliches Verfahren, das der Verband ihm jedoch verwehrte. Der wollte Goldberger bei der Mannschaft und damit unter Kontrolle haben, ganz so, als würde der sonst bei jeder sich bietenden Gelegenheit mit der Nase im Schnee liegen - dabei wurde während der Affäre bekannt, daß ein österreichischer Skispringer heroinabhängig war, ohne daß seinen Betreuern dies auffiel.

Andreas Goldberger wollte sich vom ÖSV auf keinen Fall so gängeln lassen, deswegen verlangte er vom Verband die Freigabe. Normalerweise wird ein Sportler, der aus seinem Landesverband austritt, ein Jahr lang für alle Wettbewerbe gesperrt. Der ÖSV erteilte jedoch Goldberger die Freigabe, und der konnte sich einen neuen Verband suchen.

Beim Start des Skisprung-Weltcups im norwegischen Lillehammer am letzten Wochenende nahm "Goldi", wie der Springer von seinen Landsleuten vor dem Fall liebevoll genannt wurde, jedoch nicht teil. "Ohne Anmeldung darf er natürlich auch nicht teilnehmen", erklärte Walter Hofer vom Internationalen Skiverband FIS. Goldberger hatte zwar versucht, ein anderes Land zu finden, für das er Skispringen kann, aber niemand wollte ihn bis Ende November haben. Außer dem mittelamerikanischen Grenada, aber das Land hat keinen eigenen Skiverband, ist deswegen nicht Mitglied der FIS und darf daher keine Starter entsenden. Die bosnische Equipe hatte ebensowenig Interesse an ihm wie Portugal, auch die Kleinstaaten, die traditionell gern Sportler aufnehmen, die sich mit ihren Verbänden überworfen haben, wie Luxemburg und San Marino, wollten die Vierschanzentournee nicht gewinnen, und langsam gingen Goldberger die Länder aus. Ein Start für Slowenien, über den viel spekuliert worden war, scheiterte wohl daran, daß das Land mit Primoz Peterka schon einen Spitzenspringer hat. Dann ging alles aber doch ganz schnell, und Goldi wurde über Nacht Jugoslawe. Und die Seppls vom Skispringen müssen wieder Schiß vor ihm haben - es sei denn, sie erkennen Goldbergers Nationalitätenwechsel nicht an. Oder Austria überlegt es sich noch einmal, denn ohne Goldi springt man hinterher.