Winnies Exzesse

Sie nervt. Aber das tut sie gerne. Wenn Winnie Madikizela-Mandela öffentlich auftritt, kann sie sich vor lauter Aufmerksamkeit kaum retten. So auch seit Beginn der vergangenen Woche vor der südafrikanischen Wahrheitskommission (TRC). Umgeben von ihren Bodyguards, wurde sie dort noch einmal mit Zeugen konfrontiert, die bereits 1991 und 1993 für oder gegen sie ausgesagt haben. Verurteilt werden kann sie ohnehin nicht mehr. Vom Vorwurf des Mordes an James "Stompie" Seipei wurde sie freigesprochen, wegen "Verschwörung" zu fünf Jahren auf Bewährung und einer hohen Geldstrafe verurteilt.

Ihre Auftritte vor Gericht waren schon damals von einem medialen Echo begleitet, das in keinem Zusammenhang zu den Tatvorwürfen stand. Dieses Mal sind es täglich über 300 Journalisten, die Neues über die Untaten des von Madikizela-Mandela geleiteten Fußballclubs "Mandela United" erfahren wollen. Oder über Winnies Ausfälle gegen Konkurrentinnen in der ANC-Frauenliga. Oder über ihre Liebschaften vor und nach ihrer Trennung von Nelson Mandela. Alles ist interessant.

Nicht mehr interessant sind die zahllosen Morde, Verschleppungen, Folterexzesse von Schergen und Funktionären des Apartheid-Regimes. Oder die Verstrickung des Mörders von KP-Chef Chris Hani in den staatlichen Polizei- und Geheimdienstapparat. Oder die Auftraggeber und die Vollstrecker der ungezählten Massaker gegen Bewohner der Townships oder gegen ANC-Mitglieder. Unwichtig die seit Jahren währende Weigerung hochrangiger Mitglieder der National Party, überhaupt vor der Wahrheitskommission zu erscheinen. Und sei es nur als Zeuge. Fast schon unterwürfig bat Alex Boraine, Vizevorsitzender der TRC, vor zwei Wochen - zum wievielten Mal eigentlich? - den Ex-Staatspräsidenten Pieter Botha, doch endlich einmal, bitte, als Zeuge, einer Vorladung Folge zu leisten. Boraine erhielt dieses Mal noch nicht mal mehr eine Antwort. Bei der letzten ausgefallenen Anhörung hatte Botha wenigstens noch ein ärztliches Attest zustellen lassen. Oder in der vergangenen Woche, als mehrere Apartheid-Richter ihr Erscheinen vor der Kommission verweigerten. Begründung: Ihre richterliche Unabhängigkeit (in der Gegenwart) sei kompromittiert, wenn sie vor der TRC aussagen würden - Kontinuität als Entschuldigung.

Da sind die vor der Kommission geschilderten Prügelszenen einer Winnie Madizikela-Mandela doch spannender. Ja, selbstverständlich haben die Militärs und die Leute der South African Defence Forces gefoltert und geprügelt. Aber eben auch Winnie. Sogar so sehr, daß ihr einmal die Nilpferdpeitsche beim Prügeln zerbrach. Natürlich hat es Morde im Auftrag der Staatsführung gegeben, aber eben auch solche im Auftrag des ANC, oder, ersatzweise, im Auftrag des Mandela United Football Club. Die Quintessenz: Apartheidsstaat und Widerstand, alles eins, alles Gewalt. Nur daß man auch heute in den Metropolen noch ungern über die Verbrechen der Verbündeten von einst berichtet. Auch Südafrika braucht eine Totalitarismustheorie, wenn auch im Kleinformat. Vielleicht sogar dringender als andere Staaten: "Die Zukunft Südafrikas bleibt höchst unsicher, und eine zu Rassenkriegsdrohungen und hemmungslosem Populismus neigende Frau ist das letzte, was internationale Investoren und Kreditgeber beruhigen könnte", brachte die liberale italienische Tageszeitung La Repubblica die Funktion des neuerlichen Spektakels um Madikizela-Mandela auf den Punkt.