Endstation Spucknapf

Mit ausgefeilten Methoden erschwert Deutschland Flüchtlingen die Einreise. Neuester Trick: der Speicheltest

Papier ist geduldig, und Dokumente sind vor Fälschung nicht sicher. Spucke schon. Wenn also der kurdische Asylbewerber X aus dem Nordirak dem deutschen Botschaftsmitarbeiter Y in Ankara ins persönlich ausgehändigte Röhrchen spuckt, weiß die deutsche Asyl-Bürokratie, von wem der Speichel stammt. Weist die DNA-Analyse eine Blutsverwandtschaft mit dem bereits in der BRD lebenden, als Vater Z angegebenen nach, kann auch den Dokumenten Glauben geschenkt werden. Wenn nicht, darf sich Flüchtling X das Geld für den Flug nach Deutschland gleich sparen und statt dessen ein Bus-Ticket zurück in den Irak lösen. Innenminister Manfred Kanther (CDU) hätte sein Ziel erreicht: Trotz vorgelegter Einreisedokumente erlischt der Anspruch auf Familienzusammenführung - die Asylquote wird gedrückt. Bliebe nur noch sicherzustellen, daß die im Mund von X verbliebene Spucke nach erfolgter Ablehnung nicht im Gesicht des Beamten Y landet.

Der jetzt bekanntgewordene, von einigen Ausländerbehörden bereits seit mehreren Wochen angewandte Speicheltest ist die neueste der vielen Methoden, immer höhere bürokratischen Hürden für Flüchtlinge aufzurichten. Bereits im Juli wartete das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge mit einer vom Innenministerium als "unkonventionell" gepriesenen Methode zur Herkunftsermittlung auf: Antragsteller, bei denen die Beamten an der angegebenen Staatsangehörigkeit zweifeln, werden seitdem in einem von Bonn als "Testlauf" bezeichneten Verfahren einer Sprachanalyse unterzogen. In Schweden, Belgien, der Schweiz und den Niederlanden bereits durchgeführt, soll mittels "wissenschaftlicher Untersuchung" die Staatsangehörigkeit einwandfrei zugeordnet werden. Ein aussichtsloses Unterfangen, wie selbst die Schweizer Fachstelle Lingua einräumt: Es könne lediglich festgehalten werden, daß eine Herkunftsregion oder ein Herkunftsland "in Frage kommen könnte". Darüber hinaus kritisiert die Flüchtlingsorganisation Pro Asyl, daß es sich bei der Analyse um ein "pseudowissenschaftliches Verfahren" handele. So reduziert sich der Inhalt eines der Jungle World vorliegenden Gutachtens im wesentlichen auf die Behauptung, der Sprechende habe ein für Westafrika charakteristisches, zischendes "t" beziehungsweise ein typisch westafrikanisches "th" ausgesprochen.

Dennoch gehen offenbar die Erwartungen der deutschen Asylbehörden an die Sprachanalyse über das hinaus, was Belgien oder die Schweiz damit erreichen wollen: Die Abschiebung in den vermeintlichen Herkunftsstaat soll verwirklicht werden. Hierbei wiederum steht ein anderes Modell Pate - die von Innenministerium, Auswärtigem Amt und Entwicklungshilfeministerium (BMZ) gemeinsam konzipierte "Abschiebung in Regionen". Demnach müßte laut einer internen Mitteilung des BMZ bei Flüchtlingen einer Volksgruppe, die über mehrere Staaten verteilt leben, versucht werden, "mit zwei oder drei oder sogar mehr Staaten zu einer einheitlichen Regelung zu kommen". Was das heißt, zeigt sich in den Geheimverhandlungen, die Bonn mit nordirakischen Milizenchefs führt (vgl. Jungle World, Nr. 45/97): Warlords werden zu legitimen Vertragspartnern aufgewertet, solange nur das eine Ziel erreicht wird - die Flüchtlinge loszuwerden.

Ein weiterer Versuch, den Zuzug von Flüchtlingen in die BRD zu bremsen, mußte im Frühjahr 1995 auf öffentlichen Druck hin aufgegeben werden. Am Frankfurter Rhein-Main-Flughafen hatten Bundesgrenzschutzbeamte unbegleitete minderjährige Flüchtlinge zwangsröntgen lassen, um das Alter der Kinder zu ermitteln. Die Asylmündigkeit liegt bei 16 Jahren. Ergab die Auswertung der Röntgenbilder der Handwurzelknochen ein höheres Alter, konnte der Jugendliche umgehend oder nach Abwicklung des Flughafenschnellverfahrens in sein Herkunftsland zurückgeschickt werden. An die Stelle des Röntgens zur Altersschätzung ist seitdem die bei Experten ebenfalls umstrittene "Inaugenscheinnahme" getreten. Das Alter wird nunmehr geschätzt, das Ziel bleibt jedoch dasselbe: Entgegen den Vorgaben der UN-Menschenrechtskonvention genießen die Minderjährigen keinen besonderen Schutz, sondern werden ebenso wie Erwachsene dem Eilverfahren unterzogen, um eine zügige Abschiebung zu garantieren.

Doch mit den verfeinerten Methoden will Bonn nicht allein die Einreise erschweren und Abschiebungen erleichtern. Die vergangene Woche von Innenminister Kanther angekündigte Warndatei im Ausländerzentralregister wird außerdem den Druck auf bereits hier lebende Migranten weiter erhöhen. "Die Schlupflöcher des geltenden Rechts für illegale Zuwanderung, mißbräuchliche Asylbegehren und Erschleichung von Sozialleistungen", so Kanther, sollten geschlossen werden. Konkret sollen die Daten der Flüchtlinge auch für Sozialämter, Polizei und deutsche Auslandsvertretungen uneingeschränkt zugänglich werden. Bisher hatten allein Bundesgrenzschutz, Ausländer- und Asylbehörden Zugriff auf das Register. Der Gesetzentwurf sieht außerdem vor, daß auch Personen, die bei Beantragung eines Visums gefälschte Dokumente vorgelegt haben oder verdächtig sind, sich als Schleuser betätigt zu haben, gespeichert werden.

Erfaßt werden sollen aber auch Deutsche, die sich verpflichtet hatten, die Kosten für den Aufenthalt und die Ausreise eines Ausländers zu tragen, wenn der Eingeladene später einen Asylantrag stellt. Der letzte Punkt ging dann auch dem Bundesbeauftragte für Datenschutz, Joachim Jacob, zu weit: "Das wäre so, als würde man generell vor Leuten warnen, die Ausländer einladen. Das ist unakzeptabel." Der Bürger würde dann beispielsweise bei Routinekontrollen der Polizei Schwierigkeiten bekommen.