Falsche Freunde

Neonazi Manfred Roeder schreibt an Goldhagen

Da Goldhagen mit seinen Thesen eine Bresche in die Mauer des Geschichtsrevisionismus geschlagen hat, konnte man dem konservativen Berliner Siedler-Verlag den ökonomischen Erfolg gönnen. Und es gehört zum Geschäft, daß der Verlag nun mit einem Band "Briefe an Goldhagen" nachlegt. Zudem konnte man von dem Band Aufschluß über die Rezeption des Buches beim lesenden Publikum erwarten. Daß, wie Goldhagen in seiner Einleitung schreibt, "bösartig antisemitische oder neonazistische Ausfälle" nicht in die Sammlung aufgenommen werden sollten, ist eine politisch richtige , wenn auch hierzulande gewiß nicht selbstverständliche Überlegung. Und braune Reaktionen wie auch den ganz gewöhnlichen Antisemitismus bot bereits die Presse in hinreichendem Ausmaß, um einen verläßlichen Materialkorpus zur Stimmungslage der Nation zu erstellen. So liest man zunächst mal hier, mal da, ist auf Entlastungen und kleinere Ausfälle und ähnliches gefaßt.

So liest man dann, Seite 44 ff., einen Brief an "Dear Professor Goldhagen". Wie's scheint, von einem gewöhnlichen Deutschen, der zur Goldhagen-Diskussion nach Aschaffenburg will, schon eine Einladung bekommen hat und sich beklagt, daß auf dem Podium die gewöhnlichen Deutschen nicht vertreten sein werden, sondern nur Professoren. Er prognostiziert dem dear Professor: "Alle werden mit Ihnen übereinstimmen."

Das Lachen über die falsche Prognose des, wie's scheint, unbedarften Briefschreibers bleibt bei den Folgesätzen im Halse stecken: "Wohin Sie auch gehen, immer werden Sie nur Leute treffen, die jüdischer als die Juden sind, fast alle Deutschen geben vor, die Juden zu lieben, sich an dem schuldig zu fühlen, was ihnen auch angetan worden sein mag. Sie sprechen gern über ihren Schuldkomplex. Sie genießen ihn geradezu. (...) Diese Feiglinge leisten den Juden Lippendienste." Der Briefschreiber fährt fort, er habe Guido Knopp vom ZDF vorgeschlagen, ihn an der Diskussion teilnehmen zu lassen. Voraussichtlich ohne Erfolg, denn: "Es ist gut bekannt, daß ich eine andere Ansicht vertrete, die ich mit Tatsachen untermauern kann." An dieser Stelle hätte der Verlag stutzig werden müssen. Gewiß, der Briefeschreiber schildert im folgenden nur einen Ausschnitt seiner Biographie, vom Hitlerjungen bis zur Waffen-SS, was ihn als Sprecher für seine Generation qualifiziere. Und vielleicht läßt man sich in einem konservativen Verlag von der Beteuerung betören, daß einer der "besten Freunde in Berlin jüdisch" gewesen sei. Doch der Name des Unterzeichners läßt keinen Zweifel offen: "Manfred Roeder, Schwarzenborn/Knüll, 8. August 1996".

Hier haben der Übersetzer Klaus Kochmann, der den Brief ins Deutsche zurückübersetzte, und der Cheflektor, Frank Trümper, dem Goldhagen in der Einleitung als "Freund" seine "Bewunderung" ausspricht, derart gepennt, daß sie sich um einen Job auf der Hardthöhe bewerben können. Die Eselei, daß Goldhagen u.a. Roeder attestiert, sich mit seinen "Themen ebenso wie mit den Konsequenzen, die sich daraus für das Verständnis der eigenen Gesellschaft (...) erwachsen", auseinandergesetzt zu haben, daß er u. a. Roeder dafür dankt, daß Sie mich dies haben wissen lassen", haben Trümper & Co zu verantworten. Es gibt einen Typ Übersetzungsfehler, den man als "falsche Freunde" bezeichnet - hier haben sich Übersetzer, Lektor und Verlag als falsche Freunde erwiesen.

Briefe an Goldhagen. Eingeleitet und beantwortet von Daniel Jonah Goldhagen. Siedler, Berlin 1997, 251 S., DM 29,80