Offensive aus Bad Soden

Weil es bei der FDP keine sicheren Listenplätze mehr gibt, hat der nationalliberale Heiner Kappel nun eine eigene Partei gegründet

"Geduld ist eine konservative Tugend", wußte das Rechtsaußenblatt Junge Freiheit im Februar 1995 zu berichten. Und ohne diese Tugend lasse sich eine bestehende Partei nicht so einfach unterwandern und nach rechts treiben, wie es etwa bei der österreichischen FPÖ oder den Republikanern in den USA gelungen sei. Heiner Kappel, Abgeordneter im hessischen Landesparlament, ist jedoch alles andere als geduldig. Ende November verließ der Nationalliberale die FDP, weil man ihm auf der hessischen Landesliste für die Bundestagswahl im kommenden Jahr keinen "sicheren" Kandidatenplatz geben wollte. Als ob es bei der FDP noch sichere Listenplätze gäbe.

Zudem hatte die hessische FDP ein Ordnungsverfahren gegen den Hauptmann der Reserve eingeleitet, weil der im September bei einer Veranstaltung des Bundes Freier Bürger - Die Freiheitlichen (BFB-F) in Wiesbaden aufgetreten war. Mit einer neuen Partei will der 59jährige nun sowohl der FDP wie dem BFB-F Konkurrenz machen: "Offensive für Deutschland - freiheitlich, sozial, wertebewußt", nennt sich das am vergangenen Sonnabend auf der Wartburg bei Eisenach ins Leben gerufene Projekt. Dort hatte Kappel sich per Einstweiliger Verfügung des Amtsgerichts Eisenach eingeklagt, nachdem ihm die Räume zunächst verweigert werden sollten. Die bestehenden Rechtsparteien, so erklärte Kappel gegenüber Jungle World, verfolgten allesamt ein falsches Konzept, "wir brauchen eine Partei neuen Typs". Wichtig sei nämlich vor allem die Zusammenarbeit untereinander, eine Sammelbewegung müsse entstehen. Wie das konkret aussehen soll, konnte der hessische Landtagsabgeordnete allerdings nicht genau sagen. Zunächst stehe eine Konsolidierungsphase an, in der die "Offensive für Deutschland" ein detailliertes Programm erarbeiten werde. Während dieser Zeit, sagt Kappel, "haben wir die Zahl der Parteimitglieder beschränkt".

Zur Zielgruppe von Kappels nationaler Neugründung gehören sowohl "parteilose Sympathisanten" als auch Mitglieder der FDP oder der CDU, "so die sich für uns entscheiden können". Zur Gründungsveranstaltung der Kappelschen "Offensive" wurden allerdings nur Vertreter rechtslastiger Parteien eingeladen: vom BFB-F-Vorsitzenden Manfred Brunner (ebenfalls ehemaliges FDP-Mitglied) bis zur Deutschen Partei und Deutschen Sozialen Union. Jedenfalls rechne er mit weiteren Austritten aus der FDP, schwärmte Kappel der Jungle World vor, "allein in meiner Heimatstadt Bad Soden haben 25 Leute die Partei verlassen". Namen konnte er allerdings auf Nachfrage nicht nennen. Ähnlich äußerte sich auch die Bundespressestelle der FDP.

Als potentielle Austrittskandidaten gelten insbesondere die Berliner Nationalliberalen um den ehemaligen Generalbundesanwalt Alexander von Stahl. Diese hatten sich noch kurz vor Kappels Austritt für einen FDP-Mitgliederentscheid "Zur Abschaffung der D-Mark und Einführung des Euro" eingesetzt - erfolglos, denn die Unterschriften von fünf Prozent der liberalen Parteigänger bekamen sie dafür nicht zusammen. Der Berliner FDP-Vorsitzende Martin Matz geht allerdings zunächst nicht von einem Austritt von Stahls aus. Schließlich kandidiert der Frontmann des rechten FDP-Flügels am 23. und 24. Januar nächsten Jahres für den Landesvorsitz der Partei. "Ich gehe davon aus, daß diese Kandidatur stattfindet, aber erfolglos sein wird", so der 32jährige Landeschef zur Jungle World, denn ein nationaler Flügel "existiert durchaus", aber die Mehrheitsverhältnisse seien eindeutig.

Während Alexander von Stahl am vergangenen Wochenende "urlaubsbedingt abwesend" war, wußte Kappel zu berichten, von Stahl werde in der FDP verharren: "Wir bleiben aber trotzdem Freunde, und ich wünsche ihm viel Glück für seine Kandidatur." Zu erwarten ist, daß die inhaltliche politische Nähe der beiden auch mit der Gründung der "Offensive für Deutschland" bestehen bleiben wird. Allerdings ist das Schiedsgerichtsverfahren gegen Heiner Kappel auch eine deutliche Warnung an die Nationalen mit liberalem Mäntelchen: Wer sich zu weit vorwagt, wird ausgeschlossen. So könnte der Kontakt zu Kappel oder dessen Partei nach Ansicht von FDP-Insidern künftig als "parteischädigendes Verhalten" gedeutet und mit einem Ausschluß sanktioniert werden.

Die rechtsextreme Wochenpostille Junge Freiheit, die in der vergangenen Woche ein Interview mit Kappel veröffentlichte, behauptet indes, es sei "bereits beschlossene Sache", daß die neue Rechtspartei "nach einer Schamfrist" im BFB-F aufgehen werde. Vom Münchener Büro der Brunner-Formation war dazu allerdings keine Stellungnahme zu bekommen. Gegen 25 weitere Mitglieder hätte die Partei vermutlich aber nichts einzuwenden. Mehr Mitkämpfer hat laut Kappel die "Offensive für Deutschland" mit Parteizentrale in Bad Soden bisher nämlich nicht zu bieten. Vielleicht, so erklärte der Ex-FDP-ler großzügig, werde man aber auch noch eine "26. Person bei uns aufnehmen".