Ausgewechselt

Aus persönlichen Gründen, so die offizielle Lesart, trat am Samstag der bisherige mexikanische Innenminister Emilio Chuayffet Chemor von seinem Amt zurück. Am selben Tag ernannte Präsident Ernesto Zedillo den bisherigen Landwirtschaftsminister Francisco Labastida Ochoa zu seinem Nachfolger.

Gleichzeitig tauchten Gerüchte auf, die Bundesarmee habe "La Realidad", den Hauptsitz der EZLN im Lakandonen-Urwald, eingenommen und führende Zapatisten verhaftet - möglicherweise sogar den bekannten Sprecher der Organisation, Subcomandante Marcos. Belege dafür gab es bis Redaktionsschluß nicht. Die Presseagentur Reuters zitierte einen Arzt und eine Mitarbeiterin der Vermittlungskommission CONAI, die das Einrücken des Militärs in das Zapatistengebiet bezeugten. Hubschrauber und Flugzeuge seien an der Aktion beteiligt. Das Militär selbst dementierte.

Die Lage im Bundesstaat Chiapas ist immer noch äußerst angespannt. Weitere Morde oder eine militärische Konfrontation zwischen der Armee und den Zapatisten werden nicht ausgeschlossen. Am Sonntagmorgen berichteten Beobachter in San Cristobal, daß eine Gruppe von 40 Ind'genas von Paramilitärs entführt worden sein soll. Sie sollen den Angaben zufolge als Geiseln gegen diejenigen ausgetauscht werden, die nach dem Massaker von den Behörden verhaftet wurden.

Der Innenminister war in den vergangenen Tagen immer stärker in die Kritik geraten. Trotz aller Hinweise auf die Verbindungen zwischen Paramilitärs, den Sicherheitskräften und der regierenden Revolutionären Institutionellen Partei (PRI) in Chiapas hatte sich Chuayffet darauf beschränkt, alle erhobenen Vorwürfe pauschal zurückzuweisen und jegliche Beteiligung der Bundesregierung abzustreiten. Auf die Anklage der EZLN, die direkte politische Verantwortung für das Verbrechen in der Gemeinde Acteal gemeinsam mit Präsident Zedillo zu tragen, reagierte Chuayffet mit scharfen Gegenbeschuldigungen.

Ein wenig voreilig übernahm er die Version der Militärs, die den Fund einiger Waffen und Ausrüstungsgegenstände in einem chiapanekischen Landkreis als wichtige Aushebung eines Depots der Zapatisten darstellten. Zudem wirkte seine Forderung, die EZLN genauso zu entwaffnen wie die Paramilitärs, für große Teile der Öffentlichkeit absurd. Schließlich ist das Bild schwerbewaffneter Paramilitärs, die unbewaffnete Sympathisanten der Zapatisten niedermetzelten, noch in frischer Erinnerung.

Der Ministerwechsel gibt kaum Anlaß zu neuer Hoffnung. Der Gouverneur des Bundesstaates Chiapas sowie sein von vielen als intellektueller Mittäter bezeichneter Innenminister sind dem Rücktrittsbeispiel von Chuayffet bisher nicht gefolgt. Die Untersuchungsbehörden halten ihre Darstellung von einem Konflikt innerhalb der indigenen Gemeinden als Ursache für das Massaker und für die Vertreibung von Tausenden Regierungsgegnern aufrecht, ohne den politischen Konflikt offen anzusprechen.

Präsident Zedillo ging bei der Vorstellung des neuen Innenministers zwar auf Chiapas ein und sprach von den "Schwestern und Brüdern Indigenas", nahm das Wort EZLN aber genauso wenig in den Mund wie Minister Labastida. Dieser ist nicht als großer demokratischer Reformer bekannt - um es vorsichtig auszudrücken. Francisco Labastida hat eine bald 40jährige Karriere innerhalb der PRI hinter sich.