Vom Wildbad in die Traufe

"Junge Männer aus dem linken Spektrum", wünschte sich Verteidigungsminister Volker Rühe, sollten verstärkt in der Truppe dienen, anstatt immer nur den Wehrdienst zu verweigern. "Sie sollten sich meinem Kampf für die Wehrpflicht anschließen", rief er der taz-Reporterin Bettina Gaus zu, in deren Blatt eine Woche zuvor ein Kommentator dazu aufgerufen hatte, die Bundeswehr "instand zu besetzen".

Das war am Morgen des 8. Januar im oberbayerischen Wildbad Kreuth, wo sich der Fücks und der Hase auch zu so früher Stunde niemals begegnen, ohne ein herzliches "Grüß Gott" zu wechseln. Da kann ein Mann schon einmal versöhnliche Anwandlungen kriegen. Am Abend trat der Minister vor leibhaftige junge Männer aus dem linken Spektrum hin, die ihn eingedenk seines Morgengrußes sogleich mit "Volker, Volker!"-Rufen begrüßten, welche jedesmal, wenn der Minister anhub zu sprechen, so stürmisch aufbrandeten, daß er gar nicht mehr zu vernehmen war. Das war in der Stadt Hannover, wo Rühes Partei, die CDU, einen "Ring Christlich-Demokratischer Studenten" betreibt, der, so er nicht gerade damit beschäftigt ist, das politische Mandat der Studentenvertretung zu bekämpfen, gerne seinen Asta-Wahlkampf mit "Gedanken und Konzepten" des Ministers "zur europäischen Sicherheitspolitik" anreichert.

Doch Rühe schien sich in den letzten Wochen so sehr an die Rolle als Buhmann der Nation gewöhnt zu haben, daß er mit dem unerwarteten Beifall gar nicht mehr umzugehen wußte. Seinen Vortrag vergaß der verwirrte Harburger bei so viel studentischer Begeisterung gleich ganz, die jungen Männer aus dem linken Spektrum verwechselte er mit "jungen Indianern" und schlußfolgerte: "Wenn in England" - wo die Indianer herkommen - "jemand sehen würde, wie Sie sich hier verhalten, dann würde man sich dort keine Sorgen über die Verfaßtheit der Bundeswehr machen, sondern über die Leistungsfähigkeit Deutschlands im 21. Jahrhundert."