ehemalige DDR-Starjournalist arbeitet jetzt für den ORB

Wo waren Sie, als das Sparwasser-Tor fiel?

Ich kommentierte für das DDR-Fernsehen im Hamburger Volksparkstadion das erste und letzte Spiel, das es zwischen der BRD und der DDR gab. 60 000 Zuschauer waren direkt dabei und vor den deutschen Bildschirmen sicherlich 20 bis 30 Millionen. Für lange Zeit galt diese Zahl als deutsch-deutscher Zuschauerrekord. Mit einem Teil davon schrie ich in der 77. Spielminute "Toor!" - Sparwasser erzielte das sogenannte fußballhistorische.

Und damit begannen die Legenden, die - wie fast immer - aus Übertreibungen und gezielten Absichten wachsen. Ich teilte schon damals die Meinung von DDR-Trainer Georg Buschner, der nüchtern feststellte: "Wir haben ein wichtiges Spiel gewonnen, mehr nicht." Richtig. Und überrascht kommentierten BRD-Beobachter, daß auch die "DDR-Mannschaft den Sieg mit erstaunlicher Kühle hinnahm".

Das war das Beste, weil Vernünftigste. Kein Hurra-Hurra-Hurra, kein Brimbamborium, keine Siegesverquickungen mit Politik. Daraus geborene Verblüffungen existieren unter einer bestimmten Medienklientel bis heute. Zigmal wurde die Aufzeichnung des Spielkommentars aus dem Fernsehzentralarchiv geordert. Mit hyänengieriger Witterung streunen sogenannte Aufklärer aus, denn "das kann doch wohl nicht alles gewesen sein, was der damals sagte..."

War es aber. Deshalb: Was 23 Jahre (!) später als nüchterner Fakt bleibt, ist, daß Leute immer noch und immer wieder den Schnee von gestern nachfrieren wollen. Das sind Gestrige, auch wenn mancher von ihnen damals noch nicht mal husten konnte. Und sie machten und machen einen Fehler, der immer peinlich wirkt: Jemanden für doofer zu halten, als er ist..., und sich selbst für ungemein klug.