Johannes Paul II. auf Kuba

Wojtyla, Wojtyla, der Papst war da!

Wie aus gewöhnlich schlecht unterrichteten Kreisen der KP-Führung Kubas verlautbart wurde, soll Fidel Castro die letzte Politbürositzung nicht wie üblich mit der Kampflosung "Vaterland oder Tod", sondern mit der Tageslosung / dem Stoßseufzer "Wojtyla, Wojtyla - der Papst war da" eröffnet haben. Der Lebenstraum eines Revolutionärs, Empfang beim Papst mit anschließendem Gegenbesuch, ist in Erfüllung gegangen. Soweit die Gerüchtebörse. Kein Gerücht hingegen: Auf dem Platz der Revolution in Havanna prangt - selbstverständlich überlebensgroß - neben dem Bildnis von Che Guevara das Bild von Jesus Christus mit Heiligenschein. Der Mythos lebt.

Ob das politische und taktische Kalkül, das man Fidel Castro unterstellen darf - Papstbesuch, Aufbrechen der internationalen Isolierung Kubas, Stellungnahmen gegen den US-Wirtschaftsboykott, ein neues Kubabild nach innen und außen - tatsächlich zu dieser Wirkung führte, ist offen. Was für eine herrliche Medienshow: Der alte große Mann des Antikommunismus und der alte Revolutionsführer, die Nummer eins des Realkommunismus, gemeinsam auf der Weltbühne. Ein Hintergrundchor aus Beatles ("We All Live In A Yellow Submarine"), den Fischerchören, Bob Dylan und "We Shall Overcome" im Sambarhythmus hat allerdings noch gefehlt. Wahrscheinlich ist dieser mediale Overkick am Einspruch des US-Präsidenten gescheitert. Präsident Clinton ist seinerseits auch wirklich in einer komplizierten, fast peinlichen Situation. Schlägt er die päpstliche Empfehlung für eine neue US-Kubapolitik in den Wind, erhöht dies den Druck anderer westlicher Verbündeter - zuvorderst des katholischen Spanien, welches seit langem nur noch widerwillig den amerikanischen Rachefeldzug mitmachen und aus dem amerikanischen Geleitzug auszubrechen droht. Schwenkt Clinton andererseits ein, droht Ungemach von den US-Scharfmachern und der Mehrheit der Exilkubaner. Wie es aussieht, hat Fidel einen guten Schnitt gemacht.

Umsonst ist aber auch beim Papst nichts. Schon Stalins lakonischer Satz in der Vatikanfrage: "Über wieviele Divisionen verfügt denn der Papst?" erwies sich als vorläufig und oberflächlich. Die himmlischen Heerscharen sollen auch für irdische Auseinandersetzungen um Masseneinfluß in Rechnung gestellt werden. Wojtyla auf allen Rundfunk- und Fernsehkanälen, auf Spruchbändern und Losungen in Kuba. Nur eines soll sich - wie wiederum die Gerüchteküche sagt - Castro ausbedungen haben: Der päpstliche Segen, Urbi et (G)orbi, findet in Kuba nicht statt. Honni soit qui mal y pense (ein Schelm, der Arges dabei denkt)!

Wolfgang Gehrcke ist Mitglied des PDS-Vorstandes