Einbruchshemmender Zeitwiderstand

Gefährliche Orte XVIII: In Neukölln und Kreuzberg soll das neue "Berliner Modell" getestet werden

Buckow gehört zwar zum Berliner Bezirk Neukölln, mit dem Neukölln der Nachrichtenmagazine hat es jedoch nur das Rathaus gemeinsam, und das ist acht U-Bahnstationen weit entfernt. In Buckow sind aber nicht nur die Bürgersteige gefegt, sogar die Polizisten haben hier ordnungsgemäße Namen. Zum Beispiel Kommissar Preuß oder Hauptkommissar Hundertmark.

Vor der Wende war Buckow Zonenrandgebiet, die Grenze verlief nur ein paar Meter von hier. Buckow ist zweigeteilt. Hochhäuser und die Kirche auf der einen Seite, Einfamilienhäuser, die Schule und ein Altersheim auf der anderen. Getrennt werden beide Teile durch ein Bahngleis. Genau wie Kreuzberg und Downtown-Neukölln fällt Buckow unter die Polizeidirektion 5 und ist damit ab Anfang Februar Versuchsgebiet für das neue Berliner Polizeimodell. Das bedeutet für Kommissar Preuß, daß er Leiter einer neuen 1. Dienstgruppe der hiesigen Schutzpolizei wird und für den ersten Oberhauptkommissar Hundertmark, daß er die Bürger über das Berliner Modell zu informieren hat. Keine angenehme Sache, mußte die Einführung doch um vier Wochen verschoben werden, weil die Hobbyprogrammierer aus den Reihen der Polizei die Software nicht rechtzeitig fertig bekamen.

Ungefähr 20 Anwohner und fünf Polizisten versammeln sich im Mehrzwecksaal der Janusz-Korcak-Schule. Eine neues Modell also. Bisher, hebt Manfred Hundertmark an, gab es mehrere Ansprechpartner, wenn in eine Laube eingebrochen wurde: Erst kam der Funkwagen, dann die Kriminalpolizei. Damit die sich jetzt mehr auf das organisierte Verbrechen konzentrieren könne, werde die Schutzpolizei nun Aufgaben von der Kripo übernehmen. Dafür werde auch umorganisiert. Ein Funkwagen weniger soll pro Bereich zur Verfügung stehen, dafür aber vier bis fünf Beamte mehr pro Abschnitt. Beleidigung, Körperverletzung sowie Keller- und Laubeneinbrüche, das sei nun vom Anfang bis zum Ende Sache der Schutzpolizei. Wohnungseinbrüche blieben bei der Kripo, weil es sich hier oft um Einbruchsserien von Gruppen handle. "Muß ich jetzt jedesmal, wenn bei mir eingebrochen wird, überlegen ob's im Keller war oder im ersten Stock, damit ich bei den richtigen anrufe?" fragt eine Rentnerin, die zum letzten Mal vor sechs Jahren einen Einbruch zu beklagen hatte. Nein, der Notruf 110 bleibe bestehen, den könne sie immer anrufen.

Das neue Modell bedeute auf jeden Fall mehr Grün auf der Straße, man könne sie auch Kiezpolizei nennen. "Und das bei mehr Innendienst und weniger Streifenwagen? - Wart'n wa's ab", meldet sich ein Schnauzbart im Trainingsanzug aus der zweiten Reihe. Ein Herr um die Fünfzig hat auch eine Anmerkung: Wie könne es sein, daß ausgerechnet sie jetzt zusehen müßten, wie die Polizei sich quäle, weil die Laptops alle nicht laufen. Er will wissen, "wie ich mich vor den Mächten der Finsternis schützen kann, wenn ich keine Stallwache zu Hause habe". - "Genau", ergänzt seine Frau, "während wir hier sitzen, räumen'se doch unser Haus aus."

Doch den beiden kann geholfen werden. Denn dafür ist Kriminaloberkommissar Hans Dieter Feichtinger gekommen, Mitarbeiter des kriminalpolizeilichen Beratungsdienstes. "Wohnt jemand in einem Einfamilienhaus?" Fast alle nicken. Die Wahrscheinlichkeit, daß in einem Einfamilienhaus eingebrochen werde, sei dreimal so hoch wie in einer Mietswohnung. "Donnerwetter", murmelt eine Rentnerin. Die meisten Einbrüche gebe es mittags zwischen elf und zwei Uhr und abends zwischen fünf und neun. Dann sei niemand zu Hause, "und die ham das Haus für sich allein". Also müsse man sich schützen.

Doch hundertprozentige Sicherheit gebe es nicht. Ein guter Schutz habe einen hohen Zeitwiderstand, doziert Feichtinger. Je länger der Einbrecher brauche, desto eher suche er sich ein anderes Haus. Von lauten Alarmanlagen könne er nur abraten. Was im Publikum bestätigt wird. "Die heulen eh so oft, da guckt keiner mehr hin." Auch bei Außenrolläden sind sich Kommissar Feichtinger und das Publikum einig: "Die ham alle runter und denn kann keener mehr uffpassen." Aber was kann man denn überhaupt noch tun, was nützt überhaupt was? Gitter, meint Feichtinger. Vor allen Feuchträumen, am besten auch vor der Küche, "wenn Frauchen mitspielt", und Innenrolläden. Das sei alles nach DIN geregelt.

Und das hält? "Die soll'n doch jetzt immer mit'n Kuhfuß die Fenster uffmach'n ..." Das hält, meint Feichtinger. Einbruchshemmende Türelemente, einbruchshemmende Fensterelemente, einbruchshemmende Rolläden - "Wer sich sichert, sichert sich für die Zukunft." Einen Bodentresor könne er auch empfehlen - den im Kohlenkeller einbetoniert, das finde niemand. Trotzdem sei es wichtig, seine Wertgegenstände zu dokumentieren. Am besten auf Video oder mit einer Sofortbildkamera, nur nie mit normalem Kleinbildfilm, denn solche Fotos dürfe man nicht zur Entwicklung geben, da bekämen es nur die Falschen in die Hände: "Solche Tips werden an Ganovenstammtischen hoch gehandelt."

Und was kostet das alles? Mit rund tausenddreihundert Mark pro gesichertem Quadratmeter müsse man schon rechnen, meint Heinz Dieter Feichtinger und wiegt den Kopf. Am besten sei es, einen Urlaub ausfallen zu lassen und das Geld in vernünftige Sicherheit zu stecken, dann könne man beruhigt im nächsten Jahr verreisen. Noch Fragen?

Ja. Eine Rentnerin hat nicht verstanden, was Zeitwiderstand ist: "Ist das die Zeit, bis die Polizei endlich da ist?" Ein grauhaariger Siebzigjähriger meldet sich zu Wort. Er sei enttäuscht. Eigentlich sei er doch hergekommen, weil er wissen wolle, wie das denn jetzt mit den Spitzeln sei, dem Belauschen. Das werde doch jetzt überall besprochen. Bei den vielen Arbeitslosen, da könne man doch an jeder Ecke einen aufstellen. Statt dessen sei das hier ja eine Werbeveranstaltung der Industrie. Demokratie sei zwar eine feine Sache, man solle sie aber nicht übertreiben. Da regt sich unter den Anwesenden jedoch Widerspruch. Werbeveranstaltung? "Det is nich' zutreffend", hier habe es doch gute Tips gegeben, kommt es von allen Plätzen.

Selbst die Fünfzigjährige, die zu Beginn der Veranstaltung noch befürchtet hatte, ihr werde gerade das Haus ausgeräumt, scheint neuen Mut gefaßt zu haben. Sie habe auch noch einen guten Rat an alle, nämlich ein Anrufbeantworter. So oft werde man angerufen, niemand melde sich und dann werde aufgelegt. Mit einem Anrufbeantworter wisse kein Ganove mehr, ob jemand zu Hause sei oder nicht.