Hitlers williger Widerstand

Die Frankfurter Ausstellung "Aufstand des Gewissens" rehabilitiert die Wehrmacht

Zum Schluß kam er dann doch nicht. Kaum eingeladen, hatte man sich im Frankfurter Römer plötzlich dagegen entschieden, Hans Mommsen zur Eröffnung der Ausstellung "Aufstand des Gewissens - Militärischer Widerstand gegen Hitler und die NS-Diktatur" sprechen zu lassen.

Während aber bis heute ungeklärt ist, wer den Bochumer Historiker, der dem militärischen NS-Widerstand wegen dessen "antiliberaler Gesinnung und national-konservativer Grundhaltung" kritisch gegenübersteht, ausgeladen hat, übt sich Petra Roth, die Oberbürgermeisterin der Rhein-Main-Metropole, in Entschuldigungen. Da ist von "unglücklichen Mißverständnissen" und "kaum nachvollziehbaren Handlungsabläufen" die Rede. Den rund 700 geladenen Gästen, die vergangene Woche zum Auftakt in die Paulskirche gekommen waren, bestätigte die Unionspolitikerin: "Wir üben keine Zensur."

Von Zensur war auch bislang nicht die Rede. Doch daß die Schau vor allem dem Zweck dient, das durch die Wehrmachtsausstellung des Hamburger Instituts für Sozialforschung schwer ramponierte Bild deutscher Militärs wieder aufzupolieren, läßt sich kaum leugnen. Hatte es doch 1997 bis hinein in den Römer heftige Auseinandersetzungen um die Ausstellung "Vernichtungskrieg - Die Verbrechen der Wehrmacht 1941 bis 1945" gegeben. Frau Roth hatte sich damals gar geweigert, die Ausstellung offiziell zu besuchen. Dagegen klopfte ihre Partei zusammen mit der FDP erfolgreich beim Militärgeschichtlichen Forschungsamt Potsdam an, deren Arbeit nun in der Paulskirche bis zum 18. Februar bestaunt werden kann.

Die Potsdamer Historiker geben sich alle Mühe, in ihrer Ausstellung das Bild des widerspenstigen Deutschen zu betonen. "Widerstand sind daher auch Handlungen, die nicht notwendigerweise auf eine Beseitigung der nationalsozialistischen Herrschaft gerichtet waren", belehrt eine Wandtafel. Daneben, als plakativer Beleg, eine Fotografie, die einen Mann hervorhebt, der, umringt von einer mit "Sieg Heil" grüßenden Menge den ausgestreckten Arm verweigert - ob er seine Taschen vielleicht gerade nach einem Hakenkreuzfähnchen oder dem Schnupftuch durchsucht, bleibt ungeklärt. Unter "Widerstand" verstehen die Initiatoren der Wanderausstellung allerdings noch eine ganze Menge mehr: Nazis, die gegen einzelne politische oder militärische Entscheidungen opponierten ebenso wie weitsichtige Nationalkonservative, die sich rechtzeitig von der NSdAP distanzieren wollten.

Um den eigentlichen Forschungsgegenstand herzuleiten, wird auf den ersten Wandtafeln "der verlorene Weltkrieg" dargestellt: "Der Ausbruch des Ersten Weltkriegs löste eine Welle patriotischer Begeisterung aus" - wer diesen Krieg losgetreten hat, bleibt indes unerwähnt. "Vier Jahre lang haben deutsche Soldaten an allen Fronten des Weltkriegs tapfer gekämpft", heißt es auf weiteren Plakaten.

Schließlich, bei einer Tafel zur Weimarer Republik angekommen, liest man: "Die ungeliebte Republik". Die Entstehung des Nationalsozialismus haben die Historiker schnell erklärt: "Die wirtschaftliche Not führte zur Radikalisierung der Bevölkerung."

Ausführlich beschäftigt man sich hingegen mit dem General Franz Halder, einer "Widerstandslegende", wie der Münchner Historiker Christoph Hartmann den Heeres-Generalstabschef bezeichnet. Halders Geschichte bricht in der Ausstellung allerdings Ende 1939 ab, seine späteren Karriere läßt sich aber immerhin über ein Dokument aus dem Sonderarchiv in Moskau nachvollziehen: "Polen (muß) in der kürzestmöglichen Zeit vollkommen erledigt werden. Wir müssen in der Vernichtung dieses Gegners sozusagen einen Rekord an Schnelligkeit aufstellen. Ich betone das Wort "Vernichtung". Hartmann zählt den Mitplaner des Feldzuges gegen die Sowjetunion zu den "Erfüllungsgehilfen der Wehrmacht".

Während die die Ausstellung den Männern des 20. Juli 1944 ausführlich Platz einräumt, sucht man Deserteure vergeblich. Schließlich seien ja auch viele desertiert, "weil sie eine Straftat begangen hatten oder zu ihren Frauen wollten", erklärt hierzu Pressestabsoffizier Hans Ehlert. Die Forschung habe "noch nicht den Stand", dieses Thema zu berücksichtigen. Ehlerts Worte verwundern kaum noch, runden doch spätestens die Tafeln über die "Weiße Rose" das Gesamtbild der Ausstellung ab. Wer die "Weiße Rose" bislang als Münchner Studentengruppe erinnert, sieht sie hier plötzlich unter "Widerstand wehrdienstleistender Studenten" vereinnahmt.

Im Frankfurter Römer geht indes der Streit um die peinliche Ausladung Mommsens weiter. Während der grüne Umweltdezernent Tom Koenigs noch nach dem Verantwortlichen sucht, verweist Oberbürgermeisterin Roth auf die SPD-Kulturdezernentin Linda Reisch. Die aber will sich nicht äußern. Und im Journal, dem ehemaligen Sponti-Zentralorgan Pflasterstrand, ist man in Sorge um den Ruf der Rhein-Main-Metropole: "Der freie Geist der Stadt nimmt Schaden - auf Kosten lächerlicher Partei-Scharmützel. Die Republik schüttelt den Kopf."