Pädagogische Freßpakete

Eine westfälische Gemeinde läßt sich die Abschreckung von Flüchtlingen was kosten

Legden habe eine "Vorreiterrolle auch über die Gemeindegrenzen hinaus". Oliver Wittke, Migrationspolitischer Sprecher der CDU-Fraktion im nordrhein-westfälischen Landtag, ist begeistert von seinen Kollegen in der westfälischen Gemeinde. Bei seinem Besuch in dem 6 000-Einwohner-Dorf bei Münster lobte er die "konsequente Umsetzung" des sogenannten Asylkompromisses.

Der Grund: Während viele Gemeinden nach dem 1. Juni 1997 ihren durch die Änderung des Asylbewerberleistungsgesetzes erweiterten Ermessensspielraum nutzten, um Flüchtlingen wieder Bargeld auszuzahlen, ging Legden den umgekehrten Weg. Die Gemeinde stellte die Versorgung der Flüchtlinge von Gutscheinen auf Lebensmittelpakete um.

Die Umstellung verlief allerdings nicht reibungslos: Die 68 in Legden von der Regelung betroffenen Flüchtlinge verweigerten zunächst geschlossen die Annahme der Lebensmittelpakete und forderten statt dessen die Auszahlung der Sozialhilfe in Bargeld. In ihren Zuteilungen fanden die Menschen aus dem Libanon, Sri Lanka, Pakistan und einigen afrikanischen Staaten unter anderem zwei bis drei Liter Wasser für vier Tage und schon auch mal verfaulte Salatköpfe. Auch sonst war kaum etwas dabei, was ihren Eßgewohnheiten entsprochen hätte. Von einer "Differenzierung des Essensangebotes nach Herkunft, Religion und Gesundheit", wie in die Gemeinde in einem Informationsblatt behauptet, konnte keine Rede sein.

Der Wert von angeblich 25 Mark werde nach mehreren unabhängigen Berechnungen bei keinem Paket erreicht und liegt, so Gerd Baumeister vom Legdener Kolping-Initiativkreis "Fremde bei uns", bei etwa 15 Mark. Und das, obwohl es der Gemeinde gar nicht um Einsparung gegangen war. Inzwischen nehmen die meisten Flüchtlinge die Pakete wegen fehlender Alternativen an, nur einige der Afrikaner lehnen die Zuteilungen hin und wieder ab.

Mit der seit Juni 1997 geltenden Änderungen des Asylbewerberleistungsgesetz bekommen Flüchtlinge - wie vorher schon AsylbewerberInnen im ersten Jahr - drei Jahre lang nur den um 20 Prozent gekürzten Sozialhilfesatz. Auch die medizinischen Leistungen wurden eingeschränkt. Begründung: Sogenannte Wirtschaftsflüchtlinge sollen abgeschreckt werden. Das Gesetz sieht auch vor, die Sicherung des Lebensunterhalts habe "vorrangig durch Sachleistungen" zu erfolgen. In diesem Punkt läßt die Neufassung den Gemeinden aber einen größeren Ermessensspielraum als zuvor. Viele Städte und Gemeinden haben deshalb inzwischen von den teuren Sachleistungen auf Bargeld umgestellt. Beispielsweise sind inzwischen in ganz Sachsen-Anhalt Lebensmittelpakte abgeschafft. Auch in Nordrhein-Westfalen zahlen viele Städte, wie Dortmund, Duisburg oder Jülich, wieder Bargeld aus - auch um ihre Kasse zu schonen. Doch in Legden scheute man die Kosten nicht und handelte konsequent nach der Intention des Gesetzes.

Offen erklärte Gemeindedirektor Rainer Kampmann gegenüber der Münsterland Zeitung, Legden erziele mit der Umstellung von Gutscheinen auf Sachleistungen keine finanziellen Vorteile. "Trotzdem halte ich diese Lösung für besser." Sie fördere "sowohl die Erwerbsbereitschaft der Betroffenen als auch die Ausreisebereitschaft der abgelehnten Asylbewerber". Der Anreiz zur "Erwerbsbereitschaft": Eine Asylbewerberin oder ein Asylbewerber, dem oder der "gemeinnützige Arbeiten" auferlegt werden, erhält die vom Asylbewerberleistungsgesetz vorgeschriebene Aufwandsentschädigung von zwei Mark pro Stunde. Wer dafür nicht arbeiten will, dem wird das Taschengeld von 80 Mark im Monat gekürzt oder ganz gestrichen.

Von den Protesten der Flüchtlinge, der Flüchtlingsräte, kirchlichen und autonomen Gruppen ließ sich die Gemeinde nicht beeindrucken. Die Gemeindeverwaltung kündigte zwei libanesischen Großfamilien, die sich am Widerstand gegen die Lebensmittelpakete beteiligt hatten, die Wohnungen und verfrachtete sie in Container außerhalb des Ortes. Der Gemeinderat beharrte in einem Beschluß im Herbst des letzten Jahres mit der Mehrheit aus CDU und Unabhängiger Wählergemeinschaft gegen die Stimmen der SPD auf dem "Sachleistungsprinzip".

Für den 14. Februar hat die Autonome Antifa eine "Großdemo" in Legden gegen die Verteilung von Lebensmittelpaketen angekündigt. An der letzten Veranstaltung dieser Art im vergangenen Oktober hatten 50 Leute teilgenommen - darunter mehr Flüchtlinge als UnterstützerInnen.