Swiss Gold

Leuenberger trägt einen prima geschnittenen Anzug und war beim Friseur. Er gibt selbst die Karten an eine handverlesene Schar Journalisten aus, die der Premiere seines Projekts "Speer" beiwohnen darf. Leuenberger ist Produzent und eine Art jungschweizer André Heller. Er hat das Stück auch selbst bei Esther Vilar ("Der dressierte Mann") bestellt. Albert Speer war Hitlers Stararchitekt, Rüstungsminister, und, nach Vilar, seine unerfüllte große Liebe. Spielort ist das baufällige Gebäude der Akademie der Künste am Pariser Platz, das man nur mit einem Helm auf dem Kopf betreten darf. "Speer" ist ohne jede öffentliche Mark finanziert, sagt der Produzent, nur von edlen Mäzenen. Die kommen jetzt in feiner Abendgarderobe über den nassen Boden und genießen den historischen Dreck an den Lackschuhen.

Von einem schmalen Gang blickt man in ein paar Zimmer, die Raumausstatter Hans Hoffer mit Nazi- und DDR-Tand dekoriert hat. Es stinkt nach Kunstgewerbe. Das tut es auch im Modellsaal, wo Speer und Hitler einst Megalopole Germania gespielt haben. Deshalb steht unter der alten Lichtdecke ein enormes Modell der Kuppelhalle, die Speer für 180 000 Besucher entwarf. Außerdem stinkt es jetzt nach Geld. Es verteilt sich auf reservierten Stühlen. Der österreichische Ex-Kanzler Vranitzky sitzt in der ersten Reihe. Arthur Brauner ist da, aber der kommt ja sowieso immer. Rolf Hochhuth ebenso.

Dann sind Klaus Maria Brandauer, Regisseur und Darsteller des DDR-Bürgers Hans Bauer, sowie Peter Simonischek als Albert Speer an der Reihe. Bisher war alles schon so toll, daß sie jetzt eigentlich fast nichts mehr tun müssen, was ihnen eineinhalb Stunden lang nicht schwer fällt. Prädikat: Gekonnte Lustlosigkeit.

Aber wozu soll man sich auch bei einem Text anstrengen, der dauernd Sätze fallen läßt wie: "Jetzt muß ich Sie mal etwas ganz anderes fragen, Herr Speer" und "Sehen Sie, Herr Bauer, das kann ich verstehen". Die Schauspieler haben ebenso schmutzige Schuhe wie wir und ihre guten Privatanzüge an. Beim Friseur waren sie auch. So einfach kann Theater sein. Worum es sonst noch geht? 1980 wird Speer zu einem Vortrag in die DDR eingeladen und soll dabei als Manager für die marode Wirtschaft angeheuert werden. Haha, dahinter kann nur die bescheuerte Stasi stecken, die auf diese Weise den nicht abgeneigten Speer verhohnepipelt. Und das alles gar noch filmt! Im Hintergrund bellen Hunde. Wirklich rührend: Mauer, Schießbefehl, und Speer, der "einzig akzeptable Nazi". Swiss Gold, beinahe. Die Sponsoren jubeln. Anschließend gab es ein Buffet. Ohne mich. Mir war schon übel. Dabei hat's Leuenberger so gut gemeint.

Esther Vilar: "Speer". Akademie der Künste, Pariser Platz 4, Berlin-Mitte. Vorstellung täglich bis 8. Februar.