Unwiderstehliche Einladung

Die Regierung Sri Lankas will zur Feier der fünfzigjährigen Unabhängigkeit glaubhaft machen, die Tamil Tigers nach 14 Jahren Krieg endlich besiegt zu haben

Jeder ausländische Gast, der den Feiern zur Unabhängigkeit Sri Lankas beiwohnt und der es damit gewagt hat, nach Colombo zu fahren - wie beispielsweise Prinz Charles -, ist der Präsidentin des Landes, Chandrika Kumaratunga, hochwillkommen: Ein Schein von Normalität soll der Weltpresse präsentiert werden. Die tamilische Guerilla der Liberation Tigers of Tamil Eelam (LTTE) begreift den 50. Jahrestag hingegen als unwiderstehliche Einladung, einen militärischen Angriff durchzuführen.

Da nicht damit zu rechnen ist, international positive Pressereaktionen zu bekommen, wenn ausgerechnet Großbritanniens Kronprinz nach dem herben Verlust seiner geschiedenen Frau Diana in die Luft gesprengt werden würde, wurde die Stadt Kandy, vorhergesehener Ort der Feierlichkeiten, schon am 25. Januar angegriffen: Bei dem Anschlag der Black Tigers - dem Selbstmord-Kommando der Guerilla-Bewegung - im sog. Tempel des Zahnes (ein Zahn Buddhas hat hier angeblich seine letzte Ruhestätte gefunden) wurden 13 Menschen getötet und weitere 23 Personen verletzt. Ein mit Sprengstoff beladener Lastwagen durchbrach eine der Sperren, die im Vorfeld des Staatsaktes errichtet worden waren.

Kandy ist die religiöse Hauptstadt des srilankischen Buddhismus, der gleichzeitig Staatsreligion ist. Aus diesem Grund wurde die Stadt von Chandrika Kumaratunga anstelle Colombos als Schauplatz der großen Feierlichkeiten ausgewählt. Seit dem Massaker an Tausenden von Tamilen durch die singalesische Mehrheit im Jahr 1983 symbolisiert Kandy mitsamt Tempel in den Augen der Tigers die Willkür-Herrschaft eben dieser Mehrheit, weswegen dort jeder Anschlag gerechtfertigt ist. Die Zeremonie soll jetzt auf einer von Sicherheitskräften umkreisten Insel stattfinden, um den ranghohen Gästen bestmöglichen Schutz zu garantieren.

Derweil geht der Krieg im Norden des Landes unvermindert weiter. Die Hoffnung der Regierung, daß die Wiedereroberung der tamilischen Hochburg Jaffna im Dezember 1995 den Todesstoß für die Aufständischen und den von ihnen installierten De facto-Staat im Norden der Insel bedeuteten würde, hat sich nicht verwirklicht. Der Verteidigungsminister, Anuruddha Ratwatte, der die Rückeroberung Jaffnas als Kommandeur leitete, bot nach dem jüngsten Anschlag in Kandy seinen Rücktritt an, was von Präsidentin Kumaratunga jedoch umgehend abgelehnt wurde.

Die Tamil Tigers, angeführt von der meistgesuchten Person Sri Lankas, Velupillai Prabhakaran, kämpfen seit über 25 Jahren für einen unabhängigen Staat. Prabhakaran gründete im Alter von 18 Jahren die Tamil New Tigers (TNT), aus denen vier Jahre später, im Jahr 1976, die jetzige Bewegung LTTE hervorging. Die Stärke ihrer Armee wird auf momentan 15 000 SoldatInnen geschätzt. Seit dem Fall Jaffnas vor zwei Jahren sind die Tigers gezwungen, den Krieg ausschließlich im nördlichen Dschungel zu führen. Die Härte, mit der die Regierungsarmee seit der Wiedereroberung Jaffnas die Macht der alten neuen Regierung wiederhergestellt hat, und die Brutalität der dabei eingesetzten Methoden sind wichtige Gründe für die anhaltende Unterstützung der Rebellen durch die einheimische Bevölkerung. Laut amnesty international sind in den letzten zwei Jahren über 600 Menschen allein in Jaffna "verschwunden", Folter ist alltäglich. Nach dem Anschlag in Kandy haben sich die Türen zur Verhandlung mit der Regierung für die Tigers nun wohl endgültig verschlossen.

Ob der Ausschluß von Verhandlungen ihre Position allerdings schwächen wird, ist fraglich: So lag die Beteiligung an den von ihnen boykottierten Kommunalwahlen in der Region Jaffna am 29. Januar weit unter 40 Prozent. Am gleichen Tag nahm hingegen der Druck aus dem Ausland auf Prabhakaran zu: Die indische Regierung beantragte seine Auslieferung. Nur 24 Stunden zuvor hatte ein indisches Gericht 26 Tamilen wegen des Mordes an Premierminister Rajiv Gandhi schuldig gesprochen. Gandhi wurde im Mai 1991 in Südindien von einer Selbstmordattentäterin getötet. Alle Angeklagten erhielten die Todesstrafe, zwölf weitere Verdächtige begingen Selbstmord, bevor die indischen Sicherheitskräfte sie festnehmen konnte.

Da Präsidentin Kumaratunga bewußt wird, daß der von Verteidigungsminister Anuruddha Ratwatte immer noch favorisierte Plan einer militärischen Zerschlagung der Tigers unrealistisch ist, wird sie die Plattform der Unabhängigkeitsfeier am 4. Februar dazu nutzen, der Bevölkerung ihren Plan zur Konfliktlösung in Form einer weitgehenden Autonomie aller Provinzen als historische Notwendigkeit zu verkaufen. Bisher ist es ihr jedoch nicht gelungen, im Parlament die Unterstützung der oppositionellen United National Party für die dafür nötigen Verfassungsänderungen zu gewinnen. Die Umsetzung des Planes der Präsidentin ohne Einbeziehung der inzwischen von Verhandlungen ausgeschlossenen Tigers ist jedoch kaum vorstellbar, verbleiben doch weite Gebiete unter der Kontrolle der Rebellen. Das im Mai letzten Jahres gegebene Versprechen des Verteidigungsministers, bis zum Jubiläumstag den Weg ins besetzte Jaffna freizukämpfen, hat sich als leer erwiesen: Nach neun Monaten blutiger Gefechte mit mehreren tausend Opfern auf beiden Seiten ist es der Armee im bisher größten Einsatz des vierzehnjährigen Krieges nicht gelungen, die Schlagkraft der Guerilla entscheidend zu schwächen.

Der Krieg gegen die Tigers hat hart an den wirtschaftlichen Kräften Sri Lankas gezehrt, 20 Prozent des Haushaltsbudgets werden in den Krieg investiert. Tigerführer Prabhakaran führt den Krieg wieder auf seine Art und Weise, aus den Wäldern des Vanni-Dschungels im Nordosten der Insel heraus. Die Regierungstruppen konnten zwar wiederholt bis zum LTTE-Hauptquartier vordringen, aber Prabhakaran hatte mit völlig überzeugten Kommandos durch heftige Gegenangriffe das Dschungelterritorium stets in kürzester Zeit zurückerobert.