Der Verrat des Verräters

Nach der Einnahme von zwei südsudanesischen Städten durch die SPLA-Rebellen wächst der Druck auf die regierenden Islamisten

Eine neue militärische Offensive der Südsudanesischen Volksbefreiungsarmee (SPLA) hat die islamistische Regierung des Sudan weiter in die Enge getrieben. Der längste Bürgerkrieg Afrikas geht weiter, die Flucht vor ihm hält an: Nach Angaben verschiedener UNO-Organisationen sind allein in der vergangenen Woche rund 150 000 Menschen aus den südsudanesischen Städten Wau, Gogrial und Aweil geflohen. Ihre Notversorgung mit Lebensmitteln und Medikamenten wird von internationalen Hilfsorganisationen per Luftbrücke aus Kenia übernommen.

Vor knapp zwei Wochen hat die SPLA nach eigener Darstellung die "militärische Kontrolle" über die Städte Wau und Aweil errungen - die Regierung spricht hingegen von "umkämpften Gebieten. Die beiden größten Städte der Region Bahr-al-Ghazal liegen im Südwesten des Landes und sind für das reguläre Militär, das von der islamistischen Regierung in Khartum befehligt wird, von besonderer strategischer Bedeutung. In Wau endet eine Eisenbahnlinie aus dem Norden, über die loyale Militäreinheiten in der gesamten Region bislang mit Nachschub beliefert wurden.

In ihrem Kampf gegen die islamistische Zentralregierung sind die SPLA-Rebellen seit 1994 unter dem Dach der Nationaldemokratischen Allianz (NDA) mit der nordsudanesischen demokratischen und gemäßigt-islamischen Opposition verbündet, welche die jüngste und seit Monaten vorbereitete Offensive mit Artillerie-Angriffen im Nordosten des Landes unterstützt. An der Grenze zu Eritrea stationierte Militäreinheiten sollen so daran gehindert werden, an der militärischen Gegenoffensive im Süden mitzuwirken. Nur unterbrochen durch eine kurze und gescheiterte "Gesprächs- und Verhandlungspause" im vergangenen Oktober erzielen die SPLA-Milizen schon seit Anfang 1997 immer wieder militärische Siege.

Die jüngste SPLA-Erfolge scheinen vor allem auf das Konto des Überläufers Kerbino Kuanyen zu gehen. Dieser, einstiger SPLA-Mitgründer und Leiter der SPLA in Bahr-al-Ghazal, war 1991 überraschend aus den Reihen der Rebellen zur Regierung übergetreten. Im April vergangenen Jahres beteiligte er sich an offiziellen Gesprächen über einen Separatfrieden von einzelnen oppositionellen Gruppen und Organisationen des Südsudan mit der Regierung. Am 15. Januar wurde Kuanyen - quasi zum Dank für seine Kooperation - zum Vizepräsidenten des Südsudanrates ernannt und bezog kurz darauf seinen Amtssitz in Wau. Der Südsudanrat soll als Grundlage für die von der Regierung diktierten Autonomiestrukturen im Süden dienen.

Doch Kuanyen war erneut für eine Überraschung gut: Vor zwei Wochen ließ er nicht nur SPLA-Einheiten in die Stadt einmarschieren, sondern verbündete sich mitsamt seiner eigenen bewaffneten Truppen mit der Guerilla. In Khartum hatte er zuvor noch eiligst Waffen und anderes militärisches Gerät angefordert, um, wie er der Regierung erklärte, eine Offensive gegen die SPLA zu starten. Die Waffen wurden geliefert und postwendend weitergeleitet: Panzer, Gewehre, Munition und Uniformen gelangten so in den Besitz der SPLA-Rebellen. Der SPLA-Sprecher Daniel Kody erklärte dazu in der vergangenen Woche in Kairo, Kuanyens Wechsel ins Regierungslager sei ohnehin nur ein Trick gewesen.

Seit der staatlichen Unabhängigkeit 1955 ist es insbesondere im Süden des Sudan immer wieder zu - teils separatistisch motivierten - Aufständen gegen die unterschiedlichen Zentralregierungen gekommen. Das von der SPLA-Führung angestrebte Ende der "kulturellen und wirtschaftlichen Unterdrückung" des Südens durch die Machthaber des am Islamismus und Arabismus orientierten Norden des Landes ist aber erst seit den Kämpfen von 1983 realistisch geworden. Mittlerweile kostet der Krieg die Regierung rund eine Million US-Dollar täglich.

Während des Kalten Krieges wurden die unterschiedlichen islamisch-orientierten Koalitionsregierungen in Khartum von den USA als Bündnispartner gegen die Sowjetunion unterstützt. Zudem galt es, von sicherem Boden aus Einfluß auf das bis 1991 nominalsozialistisch regierte Nachbarland Äthiopien nehmen zu können. Doch spätestens seit Mitte der neunziger Jahre haben sich die Interessen des State Department geändert. Der von den Militärs 1989 an die Macht geputschten radikal-islamistischen Regierung wird mittlerweile in jedem CIA-Bericht zu Recht vorgeworfen, militante Gotteskämpfer weltweit mit Geld und Waffen zu versorgen - beispielsweise die Gama'a al-islamyia im nördlich angrenzenden Ägypten, aber auch die AIS und die GIA in Algerien.

Daß die politische Führung in Khartum 1995 die Auslieferung der Mubarak-Attentäter an die ägyptische Justiz verweigerte, zog im April 1996 wirtschaftliche Sanktionen der UNO und US-Lieferungen "nichttödlicher" Militärausrüstung in Höhe von 20 Millionen Dollar jährlich an Uganda, Äthiopien und Eritrea nach sich. Auch daß die Ausrüstungen von dort teilweise an die SPLA-Rebellen weitergeleitet wurden, war dabei klar. Zuletzt hatte sich im vergangenen Dezember auch noch US-Außenministerin Madeleine Albright bei einer einwöchigen Afrika-Reise um Bündnispartner bemüht, die ebenfalls auf den Sturz der sudanischen Regierung hinarbeiten.

Und das sind nicht wenige: Äthiopien, Eritrea, Kongo und Uganda, also alle im Süden und Südosten benachbarten Staaten, unterstützen die Kräfte des NDA-Bündnisses. Die ägyptische Regierung verhält sich offiziell neutral und hat dem sudanesischen Vizepräsidenten al-Zubeir Mohammed Saleh noch im vergangenen Jahr versichert, sich für die Integrität des Landes einsetzen zu wollen. Doch insgeheim setzt Ägypten eher auf die gemäßigten Islamisten im nördlichen Sudan, zumal sich diese im Rahmen der NDA nicht mehr am Separatismus interessiert zeigen und ein Gegengewicht zur laizistischen SPLA bilden.