Titanic revisited

Eine Liebe, die über die Elemente triumphiert, ist nicht jedermanns Sache.

Die Amerikaner haben verstanden, was sie gesehen haben, und sich gefreut. Anthony Lane, der aber auch weiß, was er gesehen hat, wenn er sagen wir einen Film von Costa-Gavras gesehen hat, im New Yorker:

At the close of the century, Cameron is pushing at cinema much as D. W. Griffith did at the start - raising the stakes of the spectacular, outwitting the intellect, and heading straight for the guts. James Cameron's film is grand and wrenching rather than clever or subtle, and it floods your eyes; if you are going to spend two hundred million dollars on a movie, this is the way to do it!

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Ein natürlich auch handwerkliches und finanzielles Problem für die Konkurrenz , denn bisher gängige special effects, die technisch soeben noch als state of the art galten, werden jetzt nur mehr Gelächter im Publikum erregen und darum in den Kinos bald ebenso passé sein wie einst die rauchenden Colts, denen die Darsteller der Revolvermänner das Wölkchen von der Mündung bliesen.

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Was James Cameron gelungen ist, zeigt schon der eine wunderbare Moment, wo Rose, jetzt bin ich dran, aus ihren Schuhen schlüpft, auf Strümpfen im Kreis der Männer steht, Tommy, der gerade das Armdrücken verloren hat, die Zigarette aus dem Mund nimmt, sie zwischen Daumen und Zeigefinger hält wie ein Kerl, die Glut nach innen, und nach einem tiefen Zug, so you think you're a big tough man, eh? let's see you do this, sich aufrichtet und ihr Gewicht, bis sie zu schweben scheint, und höher über den Planken des Schiffs, als es die Möglichkeit ist, langsam auf die Zehenspitzen stellt, die es einen kurzen und doch so langen Augenblick lang triumphierend halten, ehe Rose Jack, der ihren Rockzipfel gehalten hat, lachend in die Arme fällt. Sarah und Ripley hatten, um sich zu behaupten, noch alle Hände voll zu tun. Und Cameron bis jetzt damit, Knöpfe in Hollywood zu drücken.

Give me my hands, sagt der Schatz- sucher, und die Greifhände des Unterwasserroboters drehen die Tür um, unter der das Team den Safe findet, in dem es den blauen Diamanten zu finden hofft, le cÏur de la mer. Die Hände der alten Rose, die den Ton formen, der sich auf der Töpferscheibe dreht. Die Hände des Teams, die der alten Rose aus dem Hubschrauber an Deck helfen, die Hand der Enkelin, die die Hilfe abweist. Die Erinnerungsstücke in den Händen der alten Rose, ihre Hände vor ihrem Gesicht, das Bild der beiden Stewards, deren Hände ihr die Tür zum Foyer öffnen, der Schmerz der Erinnerung. Die Computersimulation des Untergangs, und vor dem Bildschirm Bobby's Hände, die ihn nachzeichnen, Captain Smith had the iceberg-warning right in his fucking hand! excuse me, his hand. Die Hand der jungen Rose das erste, was von ihr zu sehen ist, als sie aus dem Auto steigt, das sie in Southhampton zur Titanic fährt. Cal Hockley's Hände in Lederhandschuhen, Trinkgelder verteilend, alles im Griff, auch Rose, seine Verlobte, die er die Gangway hinaufführt. Jack's Hand, die nach der Karte greift, das Blatt hält, das ihm die Passage gewinnt, I won this trip at a lucky hand of poker, a very lucky hand, die Reise in den Tod, von der er sterbend sagen wird, sie sei das Beste, was ihm je passiert sei. Die winkenden Hände der Abschied nehmenden Passagiere, die der Zurückwinkenden. You know somebody down there? fragt Fabrizio. Of course not! That's not the point! erwidert Jack und winkt wie um sein Leben. Als das Schiff Cherbourg und Queenstown verlassen und auf offener See Kurs auf Amerika genommen hat, Jack und Fabrizio am Bug stehen, der tief unter ihnen das Wasser durchschneidet und den Delphinen folgt, die ihm voranschnellen, Jack's Faust, die er gen Himmel reckt; die Freudenschreie, die er ausstößt, wie ein Echo auf die Schreie der ihre Hüte schwenkenden Cowboys Dunson's im Morgengrauen des ersten Tages auf dem Chisholm Trail. Die miteinander spielenden Hände des Mannes und des kleinen Mädchens auf dem Vorschiff, die Jack zeichnet. Als er Rose zum ersten Mal sieht, ihre Hände auf der Reling. Cal's Hand, die Rose die Zigarette aus der Zigarettenspitze nimmt. Jack's ausgestreckte Hand, give me your hand, zu Rose, die jenseits der Heckreling steht und sich in die Fluten zu stürzen droht, give me your hand, und als sie sie ergreifen will, den Halt verliert, aber sie noch ergreifen kann, nicht fallen will, don't let go. Ihr Leben in seiner Hand. I got you! I'll pull you over. Seine Hände in den Taschen, als Cal ihm zur Belohnung zwanzig Dollar reichen lassen will. Cal legt Rose die Kette mit dem Diamantenherz um, open your heart to me, Rose, ihre Hand bedeckt es, und ihres. Als Rose findet, daß Jack's Frage nach der Aufrichtigkeit ihrer Gefühle für Cal zu weit geht, ihre ihm zur Verabschiedung gereichte Hand, die nicht aufhört, seine zu schütteln. Auf Jack's Skizzen, die Rose betrachtet, immer wieder Hände, und mehrmals gezeichnet die Hände einer Frau. A love affair? Just with her hands. She was a one-legged prostitute. She had a good sense of humor, though. Jack's Hände, als er im Abendanzug übt, wie man einer Dame den Arm reicht. Die zur Begrüßung ausgestreckte Hand Jack's, die Cal übersieht. Rose's Hand im weißen Handschuh, die Jack formvollendet küßt, I saw that in a nickelodeon once and always wanted to do it. Cal hat kein Feuer, fängt aber geschickt die Streichhölzer, die Jack ihm quer über den Tisch zuwirft, und wirft sie Jack nach dem Souper zurück, der Fehdehandschuh. In Jack's Hand verborgen der billet doux, dann in ihrer, dann entfaltet auf ihrer Hand, make it count, meet me at the clock. Jack's Hand, die Rose an der Hand nimmt und die Treppen hinunter in die Dritte Klasse führt, you want to go to a real party? Cal's Hand, die den Frühstückstisch leerfegt und ihn umwirft. Die Hände der Mutter, die Rose in ihr Korsett schnüren. Jack's Hand, die Rose an der Hand nimmt und durch die Tür zieht, hinter der er ihr die erste Liebeserklärung macht, sie ihn noch einmal zurückweist. Im Tea-Room der Ersten Klasse die Hand der Frau im Rücken des kleinen Mädchens, die es zum Geradesitzen zwingt, in durchsichtigen Handschuhen dessen Hände, die die Serviette auf seinem Schoß zurechtzupfen und glattstreichen. Nach Sonnenuntergang folgt Rose Jack zum Bug, Jack, give me your hand, greift nach Rose's Händen, close your eyes, hilft ihr auf die Reling, do you trust me? I trust you, und als sie sicher im Fahrtwind steht, und hinter ihr Jack, der sie festhält, vor ihr nichts mehr ist als das Meer, öffnet sie die Augen, und breitet er ihre Arme aus wie Flügel. Die ineinander verschlungenen Hände liebkosen sich lange, und lange vor dem ersten Kuß. Jack's Finger, die über ein Detail des Monet streichen, Seerosen. Rose's Hände, die ihr Haar lösen, die den Morgenmantel öffnen. Als er beginnt, sie zu zeichnen, will er, daß sie die Haltung ihrer Hand ändert, put your hand next to your face. Seine Hand berührt zaghaft ihre Brust auf dem Papier. Why I believe you're blushing, Mr. Dawson, I can't imagine Monet blush. Monet does landscapes, sagt Jack. Er reicht ihr die Mappe, sie nimmt sie entgegen, und sie küssen sich, aber seine Hand gibt die Mappe nicht frei, der Kuß soll nicht enden. Jack und Rose Hand in Hand auf der Flucht vor Spicer Lovejoy. Sie entkommen ihm in den Fahrstuhl zum
E-Deck, Rose hebt die Hand und zeigt der hired hand den Finger. Hand in Hand durch den Kesselraum, und Rose's weißes Kleid fliegt an den Flammen vorbei, die nach ihm zu greifen scheinen. Sie küßt die Finger der Hand, die sie gezeichnet hat, und legt sie auf ihr Herz. Put your hands on me, Jack. Von außen gesehen ihre Hand an der beschlagenen Rückfensterscheibe des Autos, in dem sie sich lieben; die in die Feuchtigkeit gezogene Figur ein Schemen auch der Bahn des Schiffs in die Tiefe. Ihre Hände um sein Gesicht. Der Abdruck ihrer Hand, als Lovejoy's hired hands nach ihnen suchen. Die Hände des Steuermanns am Ruder, das sie vergeblich herumreißen, die Hand des Maschinisten, die vergeblich den Maschinentelegraphen auf stop und volle Kraft zurück stellt. Jack und Rose Hand in Hand auf dem Weg zu Cal's Suite. Lovejoy's Hand, die den Diamanten in Jack's Manteltasche schmuggelt. Rose zu Jack, don't let go of my hand. Hand in Hand Rose und Jack vor Cal und Rose's Mutter, nichts soll sie mehr trennen. Die Hände des Waffenmeisters, die es tun.

Jack's Hände in Handschellen. Cal, der die Hand gegen Rose erhebt und zuschlägt. Jack's Hände mit den Handschellen an ein Eisenrohr des Haftraums gefesselt. Lovejoy's Hand, die sich um den Schlüsssel schließt. Thomas Andrews' Hände, die die Konstruktionszeichnungen entrollen. Die Taschenuhr in der Hand des Kapitäns. Die morsende Hand des Funkers. Hände überall, an den Bändern der Schwimmwesten, an den Vertäuungen der Boote. Die Hände der Zwischendeckpassagiere an den Gittern, die ihnen die Aufgänge versperren. Rose's Hände, die über das Schlüsselbord fliegen, in den Schubladen tasten, die den Mantel abwerfen, der sie im Wasser behindert, das ihr auf dem Weg zurück zu Jack entgegen flutet, in den Gängen höher und höher steigt, ihre Hände, die die Axt ergreifen, den Stiel zuerst falsch, zu weit unten, dann richtig packen, weiter oben, ehe sie zuschlägt, mit geschlossenen Augen, und trifft, genau in der Mitte die Kette zwischen Jack's Händen. Cal's und Jack's Hände, die Rose Cal's Mantel umlegen und ihr in ein Boot, die Hände der Matrosen, die ihr ein Deck tiefer nach ihrem Sprung zurück zu Jack zurück an Bord des Schiffs helfen. Jack's und Rose's Hände, die sich durch die Panik der Menschenmenge zueinander kämpfen. Lovejoy's Hand beschwichtigend auf Cal's Arm, aber Cal entbrennt vor Wut, seine Hand fährt unter Lovejoy's Jackett, zieht ihm die Pistole aus dem Holster. Rose und Jack, die sich durch den schon fast überfluteten Gang helfen, in den sie den Schüssen entkommen sind, give me your hand, give me your hand. Beider Hände an einem verschlossenen Gitter. Die zitternden Hände des Stewards, die den passenden Schlüssel nicht finden, den Bund fallen lassen. Jack's Hand unter Wasser, die ihn sucht und findet. Ihre Hände, denen es gemeinsam im letzten Augenblick gelingt, das Gitter zu öffnen. Die Revolver in den Händen der Offiziere, die den Männern das Besteigen der Boote verwehren. Der Revolver in der Hand des Ersten Offiziers, der Tommy erschießt und dann sich selbst. Fabrizio's Hände, die die Schwimmweste des toten Tommy aufnesteln, gegen den Schornstein gerichtet, der ihn erschlägt. Thomas Andrews' Hand, die die Uhr des Salons noch einmal nach seiner stellt, I'm sorry I didn't build you stronger a ship, young Rose. Die Hand des ersten Geigers des Titanic Orchesters, die den Bogen ansetzt, um "Nearer My God To Thee" zu spielen. Die einander haltenden Hände des alten Ehepaars, das auf dem Bett seiner Kabine auf den Tod wartet, die der Mutter, die ihre beiden Kinder zu Bett gebracht hat und noch einmal streichelt. Die Hand des Kapitäns, die die Tür zum Ruderhaus hinter sich schließt, zum Ruder greift, als das Wasser hereinbricht. Die Hand des Haltung bewahrenden, aber fassungs-los staunenden Benjamin Guggenheim, die sein letztes Glas Brandy hält. John Jacob Astor's Hand an einer Säule, die ihm noch Halt gibt. Zahllose Hände, die keinen mehr finden, als das Schiff sich immer stärker neigt. Die Hände der Todgeweihten, die sich an die Hand des Priesters klammern, dessen andere Hand einen Halt sucht. Jack zu Rose, give me your hand, I'll pull you over, und noch einmal hilft Jack's Hand ihr über die Reling. Jack's und Rose's nebeneinander, als das Schiff unter ihnen senkrecht in die Tiefe fährt. Jack hat keine Schwimmweste. What-ever you do, don't let go of my hand. Sein Leben in ihrer Hand. Aber die Gewalt des Sogs entreißt sie ihr doch. Ihre Hände, die verzweifelt nach der verlorenen suchen. Seine, die aus dem Wasser fahren und Rose gegen den Mann verteidigen, dessen Hände sie unter Wasser zu drücken drohen. Fest in ihren die des sterbenden Jack. Vom einzigen Rettungsboot, das nach Überlebenden Ausschau hält, das Licht der Lampe in der Hand des Offiziers, der es befehligt. I'll never let go, als Rose die Hand des toten Jack endlich loslassen muß, um das Versprechen zu erfüllen. Jack's noch einmal nach Rose ausgestreckte, als sein Leichnam versinkt, seine Hand das letzte, was von ihm zu sehen ist. Auf der Carpathia, die die Überlebenden an Bord genommen hat, Rose's Hand, die die Decke näher an ihr Gesicht zieht, damit Cal sie nicht entdeckt. Die Hand, die die Namen der Überlebenden aufschreibt. Your name please. Dawson, Rose Dawson. Als die Carpathia in den Hafen von New York einläuft, leuchtend in der Nacht die Freiheitsstatue, ihr Arm, ihre Hand, die die Fackel hält. Und auf der Keldysh, über dem Herzen und um den Diamanten gefaltet die Hände der alten Rose, und noch einmal auf eine Heckreling gelegt, die ganze Leinwand füllend, die Hand der alten Rose, die alte Rose, die sich mühsam auf die unterste Verstrebung stellt und noch einmal aufrichtet so hoch sie kann, und dann ihre andere Hand, die sich öffnet und das Herz des Ozeans in seine Wogen fallen läßt.

Nach der dritten der drei Überblendungen, mit denen Cameron das Wrack in seine Titanic, dann deren Vorschiff, mit Rose und Jack am Bug, in das des Wracks, und mitten in einer immer schneller werdenden Kamerafahrt dessen vermoderte Aufbauten noch einmal zurück in die hell aufstrahlenden des Modells verwandelt, und die fast mehr noch als die grandiosen Bilder des versinkenden Schiffs der Triumph des Filmemachers Cameron sind, versenkt der Autor Cameron auch den ganzen Riesenaufwand der Rekonstruktion und läßt seine Geschichte triumphieren, der das Verbürgte aber nie im Weg stand, erweckt er, wie vor dreißig Jahren in einem anderen magischen Film, der das amerikanische Kino auf immer verwandelte, wie am Ende von The Wild Bunch, als das Rot des Bluts zu dessen Schwarz geronnen ist, die Geier sich niedergelassen haben und die Kopfgeldjäger mit den über die Packpferde gehängten Leichen in ihr Verderben geritten sind, Sam Peckinpah, zu den Klängen der Serenade, La Golondrina, die den Ausritt des Bunch aus Angel's Dorf begleitet hatte, Pike und Dutch, Hector und Lyle und Angel hat auferstehen und lachend davonreiten lassen im Schatten eines Hains, wie es war, und wie es sein sollte, seinen Helden Jack wieder zum Leben, auf der großen Treppe, make it count, zeigt er uns noch einmal die junge Rose, und noch einmal die Hände der Liebenden, die sich einander entgegenstrecken und finden, aber erweckt er, über das Bild hinaus, in welchem er das Leichentuch, die dunkle See über die Leinwand breitet und sie rollen läßt, as it rolled five thousand years ago, wieder zum Leben auch die freundlichen Gestalten des Films, die Rose und Jack zugewandt das Paar umstehen, ihm zulächeln und ihm, bis das Titellied einsetzt, My Heart Will Go On, applaudieren, stellvertretend für uns, die wir von Anfang an wollten, was es, seit es die Welt wie neu erfunden hat, wenigstens im Kino gibt, daß sie zusammen weiterleben.

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Am besten verstanden, daß ihr nicht gefallen durfte, was sie gesehen hat, ja Cameron nahezu durchschaut, hat die Frankfurter Allgemeine Zeitung:

- - - Die Kamera folgt dem Liebespaar über alle Decks und taxiert dabei die gesellschaftlichen Ebenen: vom filigranen, originalgetreuen Porzellan im

Speisesaal über die Guinness-Gläser der Auswanderer bis hin zum Inferno im Maschinenraum, dem Kameramann Russell Carpenter beinahe die Gewalt eines Menzelschen "Eisenwalzwerks" zu geben vermag. Die Geschichte aber, die solche Einstellungen verbindet, ist fad und abgestanden. Sie leidet vor allem an Camerons Kompromißlosigkeit. Bei ihm gibt es nur gute, lebensfrohe und schlechte, degenerierte Milieus. Daß diese spiegelverkehrt zur gesellschaftlichen Wertschätzung liegen, wissen wir längst, nur wurde es uns lange nicht so polternd vorgehalten. Es schmerzt fast zu sehen, wie die angestrengten, von der Etikette verklebten Unterhaltungen im Ballsaal gegen die gesunde Ausgelassenheit der Auswanderer geschnitten werden, wie Cameron deren Ursprünglichkeit ebenso verklärt, wie er die Oberklasse auf ihre Verlogenheit reduziert. Das wechselseitige Eindringen Jacks und Roses in die Welt des anderen wirkt bemüht, zumal der glatte Leonardo DiCaprio gut auch aufs Oberdeck paßt und Kate Winslets rotgesichtige Pummelhaftigkeit zwischen den Bauerntöchtern nicht sonderlich auffällt - - - Nachdem das Schiff den Eisberg gerammt hat, wird die Gesellschaftskritik des Films weiter überdreht. Souverän wäre es gewesen, die Unsympathischen in der Gefahr zumindest etwas an Größe gewinnen zu lassen. Bei Cameron verlieren sie auch ihr letztes Quentchen Anstand - - - Glücklicherweise geht diese simple Botschaft in den fulminanten Bildern des sinkenden Schiffes unter - - -

Und ist in Anbetracht ihres darum einerseits zwiespältigen, jedoch andererseits, und zumal hinsichtlich der Präsentation der zweieinhalb einzigen Schurken weit und breit, bestimmten Eindrucks, zu einem unbestimmten, die Redaktionspflicht zur Pflege des Status quo ante dann aber doch noch blindlings erfüllenden, nämlich zu diesem Fazit gekommen:

- - - Film ist großartig, aber nicht groß - - - eindrucksvoll, aber hinterläßt kaum einen Eindruck - - - Bilderbogen ohne jeden Grauwert - - - man muß ihn nicht unbedingt gesehen haben.

Eine von der taz, der die Weltsicht der Frankfurter Kollegen viel tiefer in den Knochen steckt, als sie es sich gesagt sein lassen will, und die deshalb Wert auf ihr Talent legt, die Dinge ein wenig lockerer zu sehen, zum Teil geteilte Perspektive:

- - - Erfolg eines Untergangs - - - rette sich, wer kann: James Camerons "Titanic" ist eine Schnulze, die sich nach rund zwei Stunden endlich zum Katastrophenfilm mausert - - - Cameron überschreitet die historischen Fakten nur, um sie als Hintergrund für eine äußerst flache Liebesgeschichte zu mißbrauchen. Mit deren Handlung muß man sich nicht lange aufhalten.
Sie ist genauso gnadenlos absehbar wie der Untergang des Schiffs - - - im Gegensatz zu der herausragenden technischen Realisation geraten die Emotionen zur Standardware. Wer perfekt kalkulierte Beleuchtungseffekte für Gefühl hält, kommt allerdings auf seine Kosten - - - Die schmachtenden Blicke von Kate Winslet sind effektvoll mit Highlights verzaubert, und zur finalen Kußszene malen die Computer einen Sonnenuntergang, der eine geradezu sagenhafte Verschmutzung der Erdatmosphäre vermuten läßt - - - Allein 40
Millionen Dollar sind in das Schiff geflossen, das von billigen Arbeitskräften im mexikanischen Teil Kaliforniens gebaut wurde - - - nur der computergenerierte Eisberg sieht aus der Ferne aus wie zerknülltes Butterbrotpapier - - -

(Es ist diese dummerhafte Überheblichkeit, die so besonders verdrießlich ist; als ob, im Gegensatz zu Cameron, diese Pfeife, die übrigens Heidenreich heißt, wüßte, wie ein echter aussieht.)

- - - weil der Film allen gefallen muß, ist er ein großes Käse-Schokoladen-Brot geworden - - - Viel befremdlicher als der Erfolg des Films sind die Mittel, mit denen er zustande kommt. In fast schon widerlichen Kapriolen bemüht sich das Drehbuch, jedem Zuschauer sein Extra-bonbon zuzuwerfen - - - Mit vielen kleinen Extraeinlagen, Schießereien, Prügeleien, Geschrei und Gejammer geht's dem furiosen Ende entgegen.
Die Schiffbrüchigen tauschen noch obligatorische Benimmregeln aus,
" I never let you go", "Make lots of babies" und so weiter - - - Die halbdokumentarische Expedition an den Meeresgrund liefert nichts anders als den spektakulären Aufhänger für eine überflüssige Story. Mit seinem Erfolgsrezept steuert der Film geradewegs auf eine Umkehrung des Titanic-Effekts zu. Das Schiff verdankt dem Unglück seine Bekanntheit. Der Film verdankt der Bedeutungslosigkeit seinen Erfolg.

Schwerer als mit der Verarbeitung der Schrecken und des Zahlensalats nur noch mit der Niederschrift des Erlebnisses hat sich die Kraft der Frankfurter Rundschau getan, so schwer sogar, daß sie einer Verwechslung von oben und unten erlag, und in dem Durcheinander aus Leinwand und Leben selbst die Reling ein bißchen aus dem Lot geriet:

- - - In Verbindung mit den visuellen Effekten und der digitalen Nachbearbeitung am Computer wird der Untergang im Kino zu einem erschreckend haut-nahen Alptraum. 1 000 virtuelle Tote liegen im unendlichen "Eismeer", so weit das Auge reicht. Auch uns Zuschauern gefriert das Blut. Obwohl wir doch entspannt im warmen Kinosessel sitzen könnten, verkrampfen sich die Hände, so als könnten wir denen, die sich mit letzter Verzweiflung an der fast senkrechten Reling festhalten, Kraft und Hoffnung zum Überleben geben. Hätten wir damals zu den 700 Überlebenden gehört? Wie geht das Leben weiter mit einem solchen Erlebnis im Kopf?

Ehe die Dame sich zurück ins Kino rettete, wo es bekanntlich zwar zugeht, aber irgendwie halb so wild:

- - - Rose aber ist unglücklich, hat überhaupt wenig Lust mehr am Dasein und will sich als lebende Galionsfigur in die nächtlichen Fluten stürzen - - - Eine Liebe, die sich von der furchtbaren Tragödie nicht unterkriegen läßt - - -

Die Süddeutsche Zeitung hatte es geschliffener:

Kein Bord. Nirgends Der teuerste Film der Filmgeschichte ist so schwer beladen wie das Schiff, von dessen Untergang er erzählt - - - Es ächzt und klirrt, es donnert und kracht, tost und röhrt und rauscht und gurgelt. Mit Urgewalt bahnt sich das einbrechende Wasser seinen Weg durch das Labyrinth des Schiffs.

Obwohl auch sie dem Strudel der verblüffenden Effekte nicht entkam:

Je tiefer die Titanic sinkt, desto höher steigen die Fluten in ihrem Inneren. Der Rumpf zerbirst in zwei Teile. Wie ein gigantisch mahnender Zeigefinger ragt das Heck in den nächtlichen Sternenhimmel. Aus der Ferne betrachtet gleicht die Titanic einem sterbenden Organismus: Schritt für Schritt fallen die Systeme aus. Der geborstene Rumpf bäumt sich vor dem Untergang noch einmal auf; James Cameron inszeniert das wie eine Erektion im Todeskampf.

Auf Rose's spöttische Frage in das Tischgespräch über die Dimensionen der Titanic, ob er den Dr. Freud kenne, die sie an Bruce Ismay richtet, ist die Antwort, die Rose aber nicht abwartet, sie steht vom Tisch auf und verläßt die Runde, dessen an die Zurückgebliebenen gerichtete Frage: Wer ist das, ein Passagier? Und ungeraucht wirft Brock Lovett's Hand die Zigarre über Bord, die er sich für eine erfolgreiche Schatzsuche ausgesetzt hatte.

Dabei lassen die Totalen die ums Überleben ringenden Menschen aussehen wie Ameisen, die sich vergeblich an einen untergehenden Gegenstand klammern.

Ehe ihr altgedienter Fachmann sich auf dem Boden der Verhältnisse und unter dem Diktat des Alltags wiederfand, in dem die Gesetze des Metiers die Feder führen, buchstäblich, je nach Couleur:

Man darf sich von einem derart aufwendigen Industrieprodukt keine neuen Erkenntnisse über die Havarie erwarten, dafür aber eine spektakuläre sinnliche Erfahrung. Technisch betrachtet strebt diese Inszenierung eine maßstabsgetreue Rekonstruktion an - wie eine Computersimulation, die noch einmal die Bedingungen der Apokalypse wiederholt - - - Doch auch die auf- wendigste Materialschlacht und die perfektesten Special Effects kommen nicht ohne Menschen aus. Also braucht der Film eine Geschichte - - - Jack, der arme Maler aus der dritten Klasse, trifft die junge Rose vom Luxusdeck, die mit ihrem reichen Verlobten so unglücklich ist, daß sie schon lange vor dem Untergang der Titanic über Bord gehen möchte. Mit dieser Liebesgeschichte erklärt James Cameron seinen Dampfer auch zum symbolischen Ort, zum Mikrokosmos einer Gesellschaft, in dem die Reichen buchstäblich oben und die Armen tief unten sind.
Auf dem sinkenden Schiff funktionieren die Klassenschranken konkret als verschlossene Gitter, weil die High Society den ohnehin zu knappen Platz in den Rettungsbooten für sich beansprucht- - -

Nichts mitgekriegt, und darum mit einem Griff in die Kiste seines Bildungsguts, der Altherrenwitze sich begnügt, hat der Spiegel:

- - - Nach hundert Minuten, Halbzeit des Films, naht endlich der Terminator, die kalte Götterfaust, der Eisberg: Apokalypse wow! Kenner der Katastrophe sehen mit Behagen, wie alles nach göttlichem Plan abläuft, Hochmut auf ihr Fallreep kommt, Snobismus zur Panik wird und aus den Schränken das teure Porzellan purzelt. Der Untergang des Abendlandes ist ein Seitensprung, die Johannes-Apokalypse ein Kartoffelfeuer im Vergleich zu Camerons "Titanic"-Finale - - - Technisch einwandfrei hebt sich der Hintern des todgeweihten Dampfers, und die Menschen, die sich wie Affen an die Reling klammern, fallen ab wie reife Pflaumen, in die Tiefe. Ein Stunt auf dem Vulkan - - - Jack, eine Art Brad-Pitt-Bohémien, kann ausdrucksstark zeichnen, also möchte auch Rose skizziert werden. Das gibt Gelegenheit, Rose ganz ohne Korsett zu sehen, nur mit dem blauen Diamanten. Die beiden spielen richtig moderne Jugend, immer irgendwie die Haare im Gesicht, was den Blick nach vorn nicht stört - - - Nachher hat er Manieren, und sie boxt einen blöden Matrosen um. Auf dem Rücksitz eines mitreisenden Luxus-Autos wird, nach US-Art, die Verbindung vertieft. Am Bug der "Titanic" stellt sich Rose dann dem Wind der Freiheit, wild wie die Nike von Samothrake oder die Kühlerfigur des Rolls-Royce. Und juchzt: "Ich fliege, ich fliege." Ein klassischer Fall von Emanzipation mithin, aber dennoch geht die "Titanic" unter. Nach einem nervenzerrenden Indianer- und Thrillerdrama kreuz und quer durch das moribunde Schiff - - -

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Schade, daß auch auf diesen Seiten, vor ein paar Wochen, sich so etwas, eine Fehlanzeige fand, die eine war:

Über den Bau des Schiffes, über diesen politisch-ökonomischen Zusammenhang, erfährt man leider nichts.

Aber wer säße nicht gelegentlich im falschen Film. Aber derlei,

Muttern - - - drei Tage brauchen die jungen Spunde zum ersten Kuß - - - im Unterdeck weitaus geilere Partys abgehen als im vermufften Oberdeck - - - Arsch und die Schrauben aus dem Wasser - - - Statisten purzeln vom Hinterdeck und schlagen sich die Köpfe an allerhand metallenen Gegenständen ein - - - Jack als dekorativer Eisklump - - - Bums zwischen Leo-Schiffskater und Aristo-Kate - - - den dicken Klunker, den hat Oma aber dann doch noch gerettet,

ist der Nachwuchs des Nachwuchsfeuilletons, der trostlose Nullachtfünfzehn-Ulkton, der aber auch in Kinos leider leicht aufkommt und stört. Die Kids in einer Samstagnachmittagsvorstellung in Bordeaux saßen still im richtigen, haben jedoch dreimal applaudiert, Rose dafür, daß sie, nach der klassischen line, lieber seine Hure als deine Frau, so geradeaus und kraftvoll, wie Jack es ihr gezeigt hat, Cal ins Gesicht spuckt, noch einmal Rose, für den Axthieb, der den Geliebten befreit, und nach dem letzten Bild Cameron zum Dank für die drei Stunden.