Und was machen Sie so im Leben?

Leben? Der Grund der Misere ist die Arbeit und nicht die Arbeitslosigkeit.

Wir wissen alle, daß Arbeitslosigkeit nicht abgeschafft werden kann. Läuft der Betrieb schlecht, dann wird entlassen, läuft er gut, dann wird in Automatisation investiert - und auch entlassen. Dieser Prozeß ist unumkehrbar, denn Roboter und Automaten werden nicht wieder von Arbeitern abgelöst.

Jeder weiß es, doch aussprechen darf man es nicht. Der "Kampf gegen die Arbeitslosigkeit" ist eigentlich ein Kampf gegen die Arbeitslosen. Zu diesem Zweck werden Statistiken verfälscht, Pseudo-Arbeitsplätze beschafft und schikanöse Kontrollen durchgeführt. Man macht aus den Arbeitslosen einfach "Arbeitssuchende", allein um die Realität zu zwingen, sich der Propaganda anzupassen.

"Arbeitslosigkeit" ist ein negativ besetzter Begriff, die Kehrseite der Medaille der Arbeit. In der Öffentlichkeit darf nur von Arbeitsmangel die Rede sein, erst in privaten Sphären, abseits von Journalisten, Soziologen und anderen Schnüfflern, wagt man, aufrichtig zu sein: "Ich wurde entlassen, geil! Endlich habe ich Zeit, jeden Tag auf Partys zu gehen, brauch nicht mehr aus der Mikrowelle zu essen und kann ausgiebig vögeln." Soll diese Trennung zwischen privater Weisheit und öffentlicher Lüge aufgehoben werden?

Alleiniges Ziel jeder einzelnen Arbeit ist, den Gewinn des Unternehmens zu steigern, und ebenso ist auch die alleinige Beziehung des Arbeiters zu seiner Arbeit sein Gehalt. Gerade deshalb, weil Geld das Ziel ist und nicht gesellschaftlicher Nutzen, existiert Arbeitslosigkeit. Vollbeschäftigung bedeutet ökonomische Krise, Arbeitslosigkeit bedeutet gesunder Markt. Was passiert, wenn ein Konzern ankündigt, daß er Arbeitsplätze vernichtet? Börsenspekulanten loben seine Sanierungstrategie, und die Aktien steigen. Auf diese Weise schaffen die Arbeitslosen mehr Profit als ihre Ex-Kollegen. Logischerweise müßte man also dem Arbeitslosen dafür danken, daß er wie kein anderer das Wachstum fördert. Statt dessen kriegt er nicht einen Furz des Gewinns ab, den er selber geschaffen hat.

Der Glückliche Arbeitslose ist der Meinung, daß er für seine Nicht-Arbeit entlohnt werden muß. Wenn der Arbeitslose unglücklich ist, so liegt das nicht daran, daß er keine Arbeit hat, sondern daß er kein Geld hat. Also sollten wir nicht mehr von "Arbeitssuchenden", sondern von "Geldsuchenden" reden. Unseretwegen mag das Einkommen der Glücklichen Arbeitslosigkeit sehr wohl vom privaten Sektor finanziert werden, sei es durch Sponsoring, Adoption, Extra-Kapitalertragssteuer oder Erpressung. Wir sind nicht wählerisch.

Wenn der Arbeitslose unglücklich ist, dann liegt das auch daran, daß der einzige gesellschaftliche Wert, den er kennt, die Arbeit ist. Er hat nichts mehr zu tun, er langweilt sich, das gleiche gilt übrigens auch für Rentner. Der Grund dieser existentiellen Misere ist natürlich die Arbeit und nicht die Arbeitslosigkeit. Der Glückliche Arbeitslose ist sogar bereit, Resozialisierungskurse für gekündigte Arbeitnehmer zu geben. Immerhin verfügen alle Arbeitslosen über eine preiswerte Sache: Zeit. Das könnte ein historisches Glück sein, die Möglichkeit, ein sinn- und freudvolles Leben zu führen. Der Glückliche Arbeitslose ist ein aktiver Mensch. Gerade deshalb hat er keine Zeit für Arbeit. Von der es zwei Arten gibt: Sklaven- und Lohnarbeit.

Es gibt im Moment mehrere Initiativen gegen Sozialabbau, gegen Neo-Liberalismus usw. Die Frage ist aber auch, wofür soll man sich erklären? Bestimmt nicht für den Wohlfahrtsstaat und die Vollbeschäftigung von einst, deren Wiedereinführung sowieso noch unwahrscheinlicher ist als die der Dampflokomotive. Aber das Gegenbild könnte noch schrecklicher werden: Es ist vorstellbar, daß es den Arbeitslosen zugestanden würde, auf dem Brachland und den Mülldeponien der Postmoderne ihr Gemüse anzubauen und soziale Beziehungen selbst zu improvisieren, von High-Tech-Polizei fernüberwacht und von irgendeiner Mafia roh ausgebeutet, während die wohlhabende Minderheit unbekümmert weiter funktionieren würde. Die Glücklichen Arbeitslosen suchen einen Ausweg aus diesen Alternativen des Schreckens. Ein Stichwort der herrschenden Propaganda heißt: Die Arbeitslosen seien ausgeschlossen, und zahlreiche Gutmenschen plädieren für ihre Wiedereingliederung in die Gesellschaft. Was das eigentlich heißt, erklärte ein Unesco-Humanist auf dem Kopenhagener Sozialgipfel: "Der erste Schritt zur sozialen Eingliederung ist, ausgebeutet zu werden." Danke für die Einladung!

Vor 300 Jahren guckten die Bauern neidisch auf das Schloß des Fürsten. Mit Recht fühlten sie sich von seinem Reichtum ausgeschlossen. Nur, wer möchte gern wie ein gestreßter Manager leben, wer will sich den Kopf mit seinen sinnlosen Ziffernreihen vollstopfen und an seinem Herzinfarkt verrecken? Von der herrschenden Abstraktion schließen wir uns freiwillig aus. Eine andere Art Eingliederung wünschen wir uns.

Die Frage: Wieviel Geld brauche ich, um richtig leben zu können?, ist unzureichend. Wer über keine sozialen Verbindungen verfügt, wird nie genug Geld haben, um seine existentielle Not zu mildern. Der hiesige Sozialhilfe-Empfänger kennt zwar eine große Behinderung, da er sich auf keine Sippe und keinen Brauch stützen kann, alles muß erfunden werden. Aber immerhin hat er einen Vorteil: seine Lebensbedigungen sind nicht so hart wie anderswo. Für die Glücklichen Arbeitslosen öffnet sich da ein weites experimentelles Feld, das wir die "Suche nach unklaren Ressourcen" nennen. Eines Tages werden Sie mit Stolz sagen können: Ich habe den Anfang miterlebt.

Der Beitrag wurde redaktionell bearbeitet und stark gekürzt. Die vollständige Fassung kann bestellt werden bei: Die Glücklichen Arbeitslosen, c/o Im Stall, Kastanienallee 84, 10435 Berlin