Elchtest in Georgien bestanden

Was im 19. Jahrhundert als "Great Game" bezeichnet wurde - der Kampf zwischen Großbritannien und dem russischen Zarenreich um die Vorherrschaft in Zentralasien und im Mittleren Osten -, findet seine zeitgemäße Fortsetzung mit den Mitteln und unter den Akteuren des 20. Jahrhunderts. Anfang vergangener Woche entging der autoritäre georgische Präsident Eduard Schewardnadse nur knapp einem Attentat, bei dem seine standesgemäße Limousine - ein Geschenk des Bundeskanzlers Kohl mit hochsicherheitstraktmäßiger Ausstattung aus Stuttgart - ihre Resistenz gegen Granaten und Kalaschnikowsalven unter Beweis stellen durfte.

Die georgischen Sicherheitskräfte präsentierten einen getöteten Angreifer mit dessen angeblichem Paß, ausgestellt in der russischen Kaukasusrepublik Dagestan. Mit der Äußerung, internationale Terroristen versuchten ihn zu beseitigen, um möglicherweise den Bau einer - wichtigen, von westlichen Konzernen bevorzugten - Ölpipeline durch Georgien zu verhindern, verdächtigte der Ex-KGB-Offizier Schewardnadse durch die Blume Moskau. In Rußland sitzt der angebliche Auftraggeber des Bombenanschlags von 1995 auf Schewardnadse, der frühere georgische Sicherheitsminister Georgadse, im Exil. Der tschetschenische Desperado Radujew bekannte sich laut dem russischem Fernsehsender NTW zwar zu dem Attentat, konnte oder wollte aber zunächst keine Beweise dafür erbringen. Andere verdächtigten die Mchedrioni, die in mafiösen Klanstrukturen organisierten Herren Georgiens, die Schewardnadse 1992 aus Moskau geholt und auf den Präsidentensessel gesetzt hatten. Auch die türkische Kontraguerilla hatte Georgiens Präsidenten schon im Visier: Laut Aussagen des türkischen Staatsministers Eyüp Asik wollten ihn diese wegen Unstimmigkeiten beim Bau von Spielcasinos in Georgien um die Ecke bringen.

Ob die Finanzmärkte auf den - für den großen deutschen Automobilhersteller positiv verlaufenen - Sicherheitstest erfreut reagierten, war bis Redaktionsschluß nicht bekannt. Sicher ist nur, daß Außenminister Kinkel Schewardnadse einen neuen Panzerwagen zukommen ließ.