Diamanten und Diktatoren

Sierra Leone: Nach neuntägigen Gefechten siegt die westafrikanische Eingreiftruppe Ecomog über das Regime aus Armee und RUF. Und mit der Ecomog die nigerianischen Militärs

Die Hauptstadt Sierra Leones, Freetown, ist seit Anfang vergangener Woche wieder frei. Zumindest in den Augen der mehrheitlich nigerianischen Truppen, die unter der Ägide der Ecomog (Beobachtende Gruppe der Wirtschaftsgemeinschaft Westafrikanischer Staaten) nach neuntägigen Kämpfen die reguläre Armee Sierra Leones sowie Miliz-Einheiten der mit den Militärs verbündeten RUF (Vereinigte Revolutionäre Front) aus der im Westen des Landes gelegenen Hauptstadt vertrieben haben. Auch aus Bo, der zweitgrößten und zentral gelegenen Stadt, und aus Kenema im Osten des Landes seien die loyalen Militärtruppen geflohen, nachdem dort Einheiten der von Nigeria unterstützten Kamajor-Milizen einmarschiert seien, berichtete der Guardian am 22. Februar unter Berufung auf vor Ort anwesende Beobachter. Ob zusätzliche, aus Liberia kommende Ecomog-Truppen, die unter nigerianischem Kommando stehen, mittlerweile die Kontrolle über die im Nordosten Sierra Leones angelegten Diamantenminen gewonnen haben, blieb bislang offen.

Jedenfalls ist das von Major Johnny Koroma geführte Bündnisregime aus den Militärs und der RUF, das im Mai vergangenen Jahres den gewählten Präsidenten Ahmad Tejan Kabbah weggeputscht hatte, gestürzt. Obwohl ein Major zum Regierungschef ernannt wurde, galt die RUF, die sich selbst als marxistisch definiert, als eigentlicher Machtfaktor im ärmsten Staat Westafrikas. Doch auch ihr war es nicht gelungen, die hauptsächlich im Osten und Nordosten kämpfenden Kamajor-Milizen, die Kabbah nahestehen, zu bremsen. So wurden bereits im Januar von Kamajor-Truppen die Diamanten-Schürfgebiete von Tongo Fields bestzt, was dem Regime Verluste in zweistelliger Millionenhöhe einbrachte.

Bis zur Wiedereinsetzung Kabbahs, die vor allem vom nigerianischen Präsidenten und Militärherrscher Sani Abacha befürwortet wird, hat seit letzter Woche eine Übergangsregierung unter Führung des nigerianischen Truppenkommandanten Maxwell Khobe die Amtsgeschäfte übernommen. Für eine neue Präsidentschaft Kabbahs spricht sich auch die Ecowas, die 16 Staaten umfassende westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft, aus. Obwohl die Ecowas weitgehend durch den größten westafrikanischen Staat, Nigeria, geprägt ist, waren vor der militärischen Intervention unterschiedliche Positionen über den Umgang mit der Junta in Sierra Leone aufgetreten.

Bei Verhandlungen im vergangenen Oktober hatten Vertreter des Militärs den Ecowas-Delegierten zugesagt, bis Ende 1998 die politische Macht wieder abzugeben und freie Präsidentschaftswahlen zuzulassen. Im Gegenzug verzichtete die Ecowas darauf, den Ecomog-Truppen einen militärischen Einsatzbefehl zu geben, und sicherte den Putschisten in Freetown Straffreiheit zu. Sierra Leone wurde lediglich mit einem Handelsembargo belegt, das von der nigerianischen Marine überwacht und durchgesetzt wurde. Die Nachbarstaaten Sierra Leones, Liberia und Guinea, sowie vor allem die Staatsführung von Ghana hatten sich zudem bis kurz vor der militärischen Intervention für eine politische Lösung und Verhandlungen ausgesprochen.

Die Ecomog-Truppen, die bis heute keinen offiziellen Einsatzbefehl durch die Ecowas bekommen haben, wurden allein auf Befehl der nigerianischen Militärs in Gang gesetzt. Durch den militärischen Sieg in Sierra Leone wird die Rolle Nigerias in der Region weiter aufgewertet, zumal weitere Ecomog-Truppen - seit Anfang Februar ebenfalls ohne Mandat - in Liberia stationiert sind. Liberias Staatspräsident, der ehemalige Warlord und Chef der NPFL-Rebellen, Charles Taylor, hatte dieser Stationierung Ende vergangenen Jahres zustimmen müssen, da der nigerianische Ecomog-Oberbefehlshaber mit sofortigem Truppenabzug gedroht hatte. Liberias eigene Armee wird zur Zeit erst aufgebaut.

Auch innenpolitisch findet sich zur Zeit kein Widerstand gegen Nigerias Präsidenten Sani Abacha und seinen Militär-Clan. Im Gegenteil: Er wird wohl auch nach dem für dieses Jahr vorgesehenen Übergang zu einer "zivilen" Herrschaft Staatspräsident bleiben. Darauf jedenfalls haben sich alle fünf legalen Parteien Nigerias vor drei Wochen geeinigt. Abacha wird als ihr gemeinsamer Präsidentschaftskandidat bei den Wahlen Anfang August antreten und soll ab Oktober als erster "ziviler" Präsident seit fünf Jahren die Regierung leiten. Im November 1993, nachdem die letzten Wahlen auf Druck der Militärs annulliert wurden, war Abacha an die Macht geputscht worden. 1996 wurden fünf Parteien legalisiert, die den Militärs nahestehen. Obwohl sich die stärkste Partei, die Vereinigte Nigerianische Kongreßpartei, zunehmend ausdifferenziert, steht ihre Führung geschlossen hinter den Militärs.

Das nigerianische Regime, das trotz mehrfacher Ausschlußdrohungen - wegen zahlreicher nachgewiesener und noch mehr nicht nachweisbarer Morde an Oppositionellen - nach wie vor Mitglied des Commonwealth ist, hat sich in den vergangenen Jahren zunehmend von Großbritannien (und den USA) ab- und Frankreich (und der EU) zugewandt. Im Besitz der einzigen Erdölreservoirs im westlichen Afrika, hat Nigeria lange Zeit versucht, zur ökonomischen, politischen und militärischen Hegemonialmacht zu werden. Durch die erfolgreiche militärische Intervention in Sierra Leone ist dies nun politisch erreicht. Ökonomisch dürfte der Zugriff auf Sierra Leones Diamanten für Abacha wohl vorerst die Krönung darstellen.