Heaven can wait

Da ist zuerst das seltsame Plakat: Eine schwach beleuchtete nächtliche Straße, am Rand parken Autos. Der geschwungene Bordstein weicht in einer Kurve zurück, an der drei Kerzen und eine leere Flasche stehen. Ein paar Zigaretten und Holzstückchen sind zu sternförmigen Mustern gelegt. Fertig ist das spontane urbane Mahnmal. An Fernstraßen finden sich manchmal ähnliche Wegzeichen, wo die Erinnerung an Unfalltote von den Angehörigen durch ein schiefes Kreuz und Blumen wachgehalten wird: ein provisorisches Memento mori. Und ganz en passant hat der Tod wieder einen Platz im Leben.

"Face of the Gods" heißt die Ausstellung im Berliner Haus der Kulturen der Welt, die sich auch damit auseinandersetzt. Gezeigt werden 15 Altäre aus der afroatlantischen Welt am Beispiel zweier Völker, der Yoruba (Westafrika) und der Kongo (Zentralafrika). 1993 war die Präsentation im New Yorker Museum of African Art zu sehen. African Art? Neben Rekonstruktionen historischer Originale haben zeitgenössische Künstler und Priester aus Kuba, Haiti, Brasilien und den USA neue Altäre ausgeführt. Altäre? Irgendwie schon. So kommt aus Kuba eine kleine Installation mit Sand, Malereien, einem Kreuz, einer Seemuschel, alles verborgen in einem Wäschekorb. Denn natürlich wurde die Kultur der Sklaven verfolgt und verboten.

Konstant werden die alten Riten mit modernen Utensilien neu formuliert. Dem Toten wird etwas mitgegeben, der Abschied erleichtert, die eigene Angst damit gebannt. In Brasilien wird Omolu, Yoruba-Gott der Krankheit, mit Popcorn gegen Aids beschworen. Ein Hofaltar aus Texas - eine kleine Fläche, gesäumt von Kunststoff-Flaschen mit gefärbtem Wasser, dazu ein Autoreifen und die Flügel elektrischer Ventilatoren - wehrt allerlei böse Mächte ab. Der Atlantik selbst gilt als der unendliche Altar. Zu Silvester marschieren Tausende an die Copacabana und andere Strände, geben in windgeschützte Mulden Kerzen, weiße Rosen und Champagner, um Yemanj‡, die brasilianische Yoruba-Göttin des Wassers und des Überflusses, gnädig zu stimmen. Das kilometerlange Environment sieht überwältigend aus und ist auch so gemeint.

Der öffentliche Raum, in dem der Normalmensch bestenfalls als Passant oder Kunde, aber keineswegs als untätiger Flaneur gewünscht ist, wird dadurch zurückgewonnen. Selbstverständlich und ohne viel Aufwand. Vielleicht ist das angewandte Metaphysik: Heaven can wait. Und hoch die Tassen.

Face of the Gods. Bis zum 15. März, dienstags bis sonntags 11 bis 18 Uhr, Haus der Kulturen der Welt, John-Foster-Dulles-Allee 10, Berlin