Der Erpel ist aufgeflattert

Eine Geheimdienst-Posse um BND-Spion im uruguayischen Präsidialamt wird im Vorfeld eines Staatsbesuchs tiefgehängt

Die renommierteste uruguayische Wochenzeitung Postdata, ein recht regierungsnahes Blatt, überraschte jüngst mit einer Titelstory über einen aufgeflogenen BND-Informanten im Präsidialamt. Der Betreffende namens Juan Dominguez ist mittlerweile vom Dienst suspendiert. Der Regierungsbeamte hat, so Postdata, seit 1996 Informationen aus der Abteilung Drogenbekämpfung im uruguayischen Präsidentenamt an den deutschen Bundesnachrichtendienst nach Pullach weitergeleitet. Jetzt ermittelt Richter Rolando Vomero gegen Dominguez wegen Spionagetätigkeit für eine ausländische Macht, intern läuft ein Disziplinarverfahren gegen den 50jährigen.

Juan Dominguez, von seinen Kollegen "El Pato" (der Erpel) genannt, war mit rund 6 000 US-Dollar Monatseinkommen einer der Besserverdienenden im Beamtenapparat Uruguays. Laut Postdata bezahlte der BND für den "Nebenjob" zwischen 50 und 100 US-Dollar pro Information. El Pato mußte schon fleißig Daten sammeln, um einmal einen Scheck über 3 000 US-Dollar für seine Arbeit vom Bundesnachrichtendienst zu bekommen - ein Discountagent im Amtssitz von Präsident Sanguinetti.

1992 hatte sich Dominguez von der Presseabteilung des Präsidentenamtes in die Abteilung mit dem schwierigen Namen "Prävention und Bekämpfung des illegalen Drogenhandels und - konsums" versetzen lassen. Zwei Jahre später traf er laut Postdata bei einem Seminar über Drogenbekämpfung zwei Herren, die das Bonner Auswärtige Amt nach Montevideo geschickt hatte; die beiden deutschen Beamten waren Agenten des BND, einer von ihnen aus der Abteilung "Geheimdienstoperationen in Amerika - Ermittlungen über internationalen Drogenhandel und Geldwäsche".

Die Herren aus Pullach, so die Wochenzeitung weiter, spendeten Uruguay ein Faxgerät für verschlüsselte Datenübertragung und freundeten sich mit Pato Dominguez an. Einige Zeit später einigte man sich offensichtlich über die Modalitäten, und Dominguez wurde Kontaktmann des BND. Unter seinem Decknamen "Carlos" schlug er vor, das neue Faxgerät für die Informationsübermittlung zu verwenden. Später spendierte der BND dem neuen Mitarbeiter in Montevideo einen Computer mit E-mail-Anschluß und Verschlüsselungsprogramm.

Mindestens vier Mal ist laut den Recherchen des Blattes Juan Dominguez auf Kosten des deutschen Nachrichtendienstes unter anderem nach Bolivien, Paraguay und Peru gereist, um Informanten zu treffen und Daten für seine Berichte nach Pullach zu sammeln. Die Informationen liefen über das besagte Faxgerät, bis eines Tages im Dezember 1997 die peinliche Panne passierte. Während Pato Dominguez im Urlaub war, faxte sein Kontaktmann in Paraguay Informationen, die einer nicht schlecht staunenden uruguayischen Beamtin in die Hände fielen.

Unverzüglich wurde eine Untersuchung eingeleitet. Die Ermittlungen übernahm die Antidrogenpolizei, und am 19. Februar ordnete Richter Vomero - mit Zustimmung der uruguayischen Regierung - eine Durchsuchung des Büros von Dominguez im 5. Stock des Präsidentenamtes und seiner Privatwohnung an. Bei der Vernehmung durch die Antidrogenpolizei gab Dominguez ohne Umschweife seine Nebentätigkeit als Informant des Bundesnachrichtendienstes zu.

Eine Woche später erstattete das Präsidialamt Anzeige wegen Spionage gegen den uruguayischen Beamten. Vorläufig ist Dominguez noch auf freiem Fuß, er darf allerdings das Land nicht verlassen und ist vom Dienst suspendiert.

Die Arbeitskollegen können sich den Erpel nicht so recht als deutschen Spion vorstellen. Ein Präsidentenberater erklärte schnell, Dominguez habe keinen Zugang zu geheimen Informationen gehabt. Vorläufig denke man nicht über diplomatische Schritte gegen die Bundesrepublik nach. Man habe allerdings die Deutsche Botschaft in Montevideo unterrichtet, heißt es aus offiziellen Quellen. Die Deutsche Botschaft wollte bislang keine Stellungnahme zu dem peinlichen Thema abgeben.

Humor bewies einstweilen Uruguays Vizepräsident Hugo Batalla, als er Präsident Sanguinetti bei dessen Rückkehr von einer kleinen Lateinamerika-Rundreise am Flughafen empfing: "Du hast mir ein Dritte-Welt-Land übergeben und ich gebe dir ein Land der Ersten Welt zurück. Erst hatten wir zwei entführte Blauhelmsoldaten in Georgien, und jetzt haben wir einen Spion im Präsidialamt".

Uruguays Staatspräsident Sanguinetti will Mitte des Jahres zu einem Staatsbesuch nach Bonn reisen. Vielleicht hilft ja eine erneute Zusage über 100 Millionen Mark Entwicklungshilfe für Uruguay, um die kleine Spionagepanne in dem befreundeten Land schnell vergessen zu machen.