Geflügelt ist das Glück ...

... und schwer zu binden: Admiral a.D. Elmar Schmähling soll die PDS nach Bonn schippern
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Allen Unkenrufen zum Trotz ist es der PDS wieder - wenn auch spät - gelungen, eine "bunte Truppe" zusammenzustellen, mit der sie in den Wahlkampf um den Bundestag ziehen wird. Selbst im heiß umkämpften Berliner Regierungsbezirk Mitte/Prenzlauer Berg wurde mit dem ehemaligen Leiter des westdeutschen Militärischen Abschirmdienstes (MAD) und Mitbegründer des Darmstädter Signals, Flottillenadmiral a. D. Elmar Schmähling, ein vom Bekanntheitsgrad her durchaus würdiger Nachfolger für den 1994 in diesem Bezirk erfolgreichen Schriftsteller Stefan Heym gefunden.

Die Präsentation Schmählings als Direktkandidat geriet zu einem Überraschungscoup. Sogar die in PDS-Dingen für gewöhnlich gut unterrichtete Berliner Zeitung hatte noch am Donnerstag letzter Woche gewitzelt, die PDS sei bei ihrer "ausichtslosen Suche nach der eierlegenden Wollmilchsau" erfolglos geblieben, Gregor Gysi habe das Glück verlassen. Doch es war anders: Gysi weiß einfach mit Lady Fortuna umzugehen. Er hielt sich an Schiller: "Geflügelt ist das Glück und schwer zu binden, nur in verschloßner Lade wird's bewahrt."

Nur einen Tag nach dem Orakel der Berliner Zeitung ging die Lade auf. Und plötzlich sah man bei der Vorstellung von acht prominenten PDS-KandidatInnen nur noch strahlende Gesichter - außer bei der Kollegin der Berliner Zeitung. Unzählige JournalistInnen, Kameraleute und FotografInnen drängten sich in der Berliner Kulturbrauerei um Schmähling und die anderen Promis. Gysi, Parteichef Lothar Bisky, Geschäftsführer Dietmar Bartsch, Pressesprecher Hanno Harnisch - alle schienen sie auf einer Wolke zu schweben.

PDS-Wahlkampfchef André Brie hielt sich vornehm im Hintergrund, obwohl er sicher keinen unerheblichen Anteil an der grandiosen Inszenierung hatte, die in ihrem medienwirksamen Spannungsaufbau durchaus mit der Schröder-Kür mithalten konnte.

Ob der Kölner Elmar Schmähling bei den WählerInnen in Ostberlin ankommen wird, ist eine andere Frage. Heym verkörperte Ost-Identität und aufrechtes Kritikertum zugleich. Schmähling hingegen ist ein schnieker Krawattenmann aus dem Westen, dem man - das gab sogar Bisky zu - seine lange militärische Laufbahn ansieht. Doch bei aller Skepsis, die man ehemaligen Militärs im Bundestag spätestens seit Gerd Bastian entgegenbringen sollte: Die PDS scheint mit Schmähling, was die Friedenspolitik angeht, einen konsequenten Mann gewonnen zu haben. Was Schmähling sagt, das meint er auch so. Ein Populist ist er nicht.

Auf Nachfrage der Jungle World erklärte Schmähling, es möge eventuell noch Situationen geben, in denen Uno-Blauhelmeinsätze nötig seien, eine deutsche Beteiligung lehne er aber grundsätzlich ab. "Die Bundeswehr muß auf alle Auslandsaktivitäten verzichten", sagte Schmähling, um gleich zu ergänzen, daß er ohnehin für einen Abbau der Bundeswehr "bis auf Null" sei. Damit vertritt er eindeutigere Positionen als so manch anderer PDS-Abgeordnete.

Neben Schmähling wurden der Öffentlichkeit letzte Woche noch weitere SpitzenkandidatInnen vorgestellt. Und spätestens nach der Präsentation des DDR-Spitzensportlers Gustav Adolf "Täve" Schur in der Kulturbrauerei war klar, daß nicht Elmar Schmähling der schwächste Kandidat in der "bunten Truppe" sein wird. Der ehemalige Radrennfahrer Schur, der in der DDR sowas wie im Westen "Kaiser Franz" Beckenbauer war, tat sich bei seiner Vorstellung sehr schwer. Nach eventuellen Fehlentscheidungen während seiner 32jährigen Tätigkeit in der Volkskammer der DDR befragt, antwortete Schur, er sei "Sozialist durch und durch".

Ein Fehler in der DDR sei womöglich "die straffe Organisierung der Jugend" gewesen, andererseits - das müsse man auch sehen - hätte heute bei den Protesten der Studierenden eine gute Organisierung auch vorteilhaft sein können. Das war alles. Der 67 Jahre alte Schur steht ausschließlich für die Abteilung Ostalgie bei der PDS. Alle, einfach alle Ostdeutschen lieben ihren "Täve", wer ein böses Wort gegen ihn sagt, legt sich mit dem ganzen Osten an. Da wird der mit den West-Medien völlig unerfahrene und redeungewandte Schur von einem Fettfleck zum nächsten radeln können, mit ihm holt die PDS die Stimmen noch vom letzten DDR-Nostalgiestammtisch.

Für den Westen steht hingegen der langjährige SPD-Stadtvorsitzende aus Frankfurt/Main, Fred Gebhard, der Ende Februar zu seinem 70. Geburtstag aus der SPD austrat. Das, so Gysi, "sozialdemokratische Urgestein" hatte zuletzt mit seiner Unterschrift unter einer Erklärung gegen die Ausgrenzung der PDS bei SPD-Bundesgeschäftsführer Franz Müntefering für Unmut gesorgt. Müntefering drohte gar mit einem Parteiordnungsverfahren. Das ist nun nicht mehr nötig, Gebhard kandidiert auf der PDS-Liste in Hessen.

Weitere neue KandidatInnen der PDS sind der Präsident des Arbeitslosenverbandes, Klaus Grehn, die ehemalige Europa-Abgeordnete der Grünen, Dorothee Piermont, der Tübinger Chaos-Forscher Prof. Otto Rössler, der ostdeutsche Schriftsteller Hansgeorg Stengel, die ehemalige Marburger Asta-Vorsitzende Pia Maier, die Sprecherin der AG Junge GenossInnen, Angela Marquardt, die Vorsitzende der Vereinigung demokratischer Juristen, Dr. Evelyn Kenzler. Aus der PDS-Spitze treten zum ersten Mal Parteichef Bisky und sein Vize Wolfgang Gehrcke an. Entgegen allen früheren Aussagen will auch der Schriftsteller Gerhard Zwerenz wieder kandidieren - allerdings nur als Direktkandidat in Bonn, was wohl mehr als Scherz verstanden werden darf.

Doch die meisten aus Gysis Truppe suchen ihren Weg in den Bundestag über die Landeslisten. Wichtig für die PDS sind allerdings nur die Direktmandate. Denn daß die PDS bei den Wahlen am 27. September den Sprung über die Fünfprozenthürde schaffen wird, ist eher unwahrscheinlich. Das Lied der Fischer-Chöre, der Wechsel sei grün, hat eine gewisse Plausibilität. Für die PDS wird es schwer sein, linke WählerInnen zur Wahl einer ausgemachten Oppositionspartei zu animieren - wo doch alle eine neue Regierung wählen wollen.

Die Chancen über das Erreichen dreier Direktmandate in den Bundestag zu gelangen, stehen da schon deutlich besser. Neben Schmähling in Mitte/ Prenzlauer Berg haben in Ostberlin auch Gregor Gysi in Marzahn, Christa Luft in Lichtenberg und Manfred Müller in Weißensee wieder gute Aussichten. Auch Bisky könnte es in Köpenick schaffen, wo der PDS 1994 nur 400 Stimmen fehlten. Doch neben Berlin setzt die PDS diesmal auch auf Mecklenburg-Vorpommern: In Rostock kämpft der Veterinärmediziner Prof. Wolfgang Methling um ein Mandat, in Schwerin die PDS-Stadtvorsitzende Angelika Grambkow. Auch Potsdam gilt als Option. Sollte die PDS weder die Fünfprozenthürde überwinden noch drei Direktmandate erringen und so den Einzug in den Bundestag verpassen, droht ihr der Abstieg zur Ostpartei. Diese Gewißheit wird die PDS-Spitze trotz ihres jüngsten Mediencoups vor übergroßem Taumel bewahren. Nicht nur das Glück hat Flügel, auch der Erfolg.