Konkurrenz für die »Junge Freiheit«

Auf der Suche nach Verbündeten rutscht das Ostpreußenblatt weiter nach rechts

Es ist ein alter Hut, daß die Vertriebenenlobby mehr als anfällig für extrem rechte Positionen ist. Eine offene Zusammenarbeit mit Nazis versucht man allerdings in der Regel zu vermeiden, aber eben nur in der Regel.

Seit November vergangenen Jahres verfügt die Landsmannschaft Ostpreußen (LO) über einen "Preußischen Mediendienst". Er soll für die LO-Wochenzeitung Das Ostpreußenblatt Literatur und Videos zu Politik, Geschichte und Kultur vertreiben. Betreut wird der Mediendienst vom neofaschistischen Verlag Siegfried Bublies. Zum Angebot des Bublies-Verlages gehören das nationalrevolutionäre Periodikum wir selbst, Bücher von Arthur Axmann, dem letzten Reichsjugendführer der Nationalsozialisten, und Karl Dönitz, Oberbefehlshaber der deutschen Kriegsmarine und Nachfolger Hitlers. Dazu auch Schriften des rechtsextremen Autors Andreas Molau und des Vordenkers der sogenannten Neuen Rechten, Henning Eichberg. Verlagsleiter Siegfried Bublies selbst hat seine Laufbahn bei der Jugendorganisation der NPD, den Jungen Nationaldemokraten, begonnen und sich später den Republikanern zugewandt.

Der Sprecher der LO, Wilhelm von Gottberg, sieht im Preußischen Mediendienst die Unterstützung für eine "unabhängige, tolerante und aufgeklärte Geisteshaltung in Deutschland". Von wem der Mediendienst betreut wird, verschweigt er indes - wohlwissend, daß dies dem Ruf seines Verbandes schaden könnte. Daß die LO den Bublies-Verlag mit der Betreuung des Preußischen Mediendienstes beauftragt hat, ist Teil einer Entwicklung, bei der das Ostpreußenblatt die völkisch-nationalistische Wochenzeitung Junge Freiheit in Ausrichtung und Bedeutung für das extrem rechte Spektrum eingeholt hat. Daß dabei die "Vertreibung der Deutschen" und das damit angeblich geschehene "Unrecht" die ideologische Grundlage bildet, ist ebenso selbstverständlich wie der vehemente Antikommunismus.

Heute, nach dem Ende von "Stalinismus" und "Hitlerismus", so das Ostpreußenblatt, gelte es "die Fragen von Identität, Nation, sozialer Sicherung, Gemeinschaft und Individualität" neu zu beantworten. Hierzu sollen die "Fundamente des völkischen Zusammenlebens" gesichert werden, zu denen "ganz bestimmte Grundbegriffe, wie Ehre, Anstand, Sitte, Treue und Redlichkeit" gehören. Des weiteren heißt es im LO-Organ, daß "im Volk und in der Sprache des Volkes der Mensch am unmittelbarsten angesprochen" werde. Schlußfolgerung: "Das Volk kann daher als 'Heimat' des Menschen gedeutet werden." Klar, daß das "immer auch ein Sich-gegen-andere-Behaupten" miteinschließt. Von Gottberg und seine Landsmänner sind daher gegen "eine Propaganda für unbeschränkte Einwanderung fremder Völkerschaften". Gegen solche sollte das Volk sich zu wehren wissen, wozu ein "eindeutiges Bekenntnis zum Militär in der Demokratie" durch "die politische und die militärische Führung" verlangt wird.

Die zuletzt in schlechten Ruf geratene Bundeswehr wird folgerichtig vom Ostpreußenblatt vor Anfeindungen in Schutz genommen. Könnte es nicht sein, daß "Roeders Aktivitäten in Zusammenarbeit mit den Russen im nördlichen Ostpreußen in der Akademie interessierten, ohne zu wissen, wie Roeder politisch einzuordnen ist"? Man müsse "die Bundeswehr nicht auf die Gesinnung ihrer Soldaten durchleuchten (Ö), sondern man muß ihr helfen. Man muß ihr in der jetzigen Situation beistehen (Ö), damit nicht politische Bilderstürmer freie Bahn in unseren Streitkräften bekommen." Allerdings solle man es an anderer Stelle etwas genauer nehmen mit der Durchleuchtung, nämlich bei den Gegnern dieser Wehrhaftigkeit: "Eine politische Gruppe hat es erreicht, daß in verschiedenen Städten unseres Vaterlandes Denkmäler für die deutschen Deserteure des letzten Krieges aufgestellt werden", klagt das Blatt. Dabei weiß doch jeder: "Deserteure sind in der Regel Feiglinge."

Um sich also nicht von irgendwelchen politischen Gruppen überraschen zu lassen, hat das Ostpreußenblatt auch eine eigene Rubrik, die sich "Gedanken zur Zeit" nennt, treffender aber den Titel "Anti-Antifaschismus" tragen sollte und für die im wesentlichen Wilfried Böhm, ehemaliger Vorsitzender der CDU-nahen Deutschland-Stiftung, sorgt. Ansonsten gibt Hans-Helmuth Knütter (siehe Jungle World, Nr.3/98) im Ostpreußenblatt die Marschrichtung vor: "Mut und Standfestigkeit sind die besten Waffen gegen die Pressionen linker Medien. Deren größter Verbündeter ist die bürgerliche Feigheit", schrieb der emeritierte Professor in einer der letzten Nummern.

An Prominenz aus den Unionsparteien mangelt es natürlich auch nicht. So beschwor erst kürzlich der CDU-Bundestagsabgeordnete Heinrich Lummer, der vor wenigen Wochen offiziell zum ständigen Mitarbeiter der Jungen Freiheit aufstieg, im Ostpreußenblatt mal wieder eine "Welle von Flüchtlingen und Asylbewerbern". Und der designierte Kohl-Nachfolger Wolfgang Schäuble beklagte sich in der Zeitung darüber, daß "der Einsatz verdeckter Ermittler und der finale Rettungsschuß" aus dem niedersächsischen Polizeigesetz gestrichen worden seien und proklamierte, daß "zur grundrechtlichen Freiheit der Bürger" selbstverständlich deren "Recht auf Sicherheit", sprich: eine "effektive Verbrechensbekämpfung" gehöre.

Interesse hat das Ostpreußenblatt aber auch an einer anderen Zielgruppe, dem aufstrebenden Bund Freier Bürger (BFB). Diese Orientierung dürfte programmatischen Charakter haben, ist doch der Vizepräsident des Bundes der Vertriebenen (BdV), Paul Latussek - neben LO-Sprecher Wilhelm von Gottberg einer der Hardliner der Vertriebenenlobby - im Januar zum stellvertretenden BFB-Vorsitzenden gewählt worden. Außerdem erklärten die BdV- Landesverbände Ostdeutschlands es jüngst "als legitimes Recht zur Absicherung der Interessenvertretung", Einfluß auf das Wahlverhalten der sogenannten Vertriebenen zu nehmen.

Ein Alternativprogramm zur BRD gibt es auch für die, wie von Gottberg sie nennt, "weltweite Ostpreußenfamilie", nämlich Preußen: "Die Idee dieses Staates läßt sich nicht auslöschen. Preußen lebt!" sekundierte ein ständiger Mitarbeiter der Zeitung von Gottberg. Man müsse dagegen "kämpfen", daß "unser Land zu einer Fußnote der Geschichte wird", führte der LO-Sprecher den Gedanken weiter.

Die Zitate stammen übrigens alle aus Ausgaben des Ostpreußenblatts von 1998 - dem Jahr, in dem die Landsmannschaft Ostpreußen ihr fünfzigjähriges Bestehen feiern wird.