Kriminelle Spenden

Die polizeiliche Drangsalierung der in Deutschland lebenden Kurden geht weiter - von der Entspannung profitieren nur die kurdischen Funktionäre

Ob von "Kurdenterror" oder "prügelnden Autobahnblockierern" die Rede war, heute scheinen sie beinahe schon Geschichte, jene Schlagzeilen, mit denen einst im März zur Hatz gegen PKK-Anhänger geblasen wurde. Sind sie tatsächlich vorbei, die Zeiten, in denen Kurden und Kurdinnen ihr Recht durchsetzen mußten, auf Deutschlands Straßen gegen den Krieg in ihrer Heimat zu demonstrieren? Zumindest kam es kaum mehr zu handfesten Auseinandersetzungen mit der Polizei, seit PKK-Chef Abdullah Öcalan mehrfach erklärt hat, man werde künftig in der Bundesrepublik auf die Anwendung von Gewalt verzichten. Offenbar fällt es den Sicherheitskräften jetzt schwerer, im Vorfeld des kurdischen Neujahrsfestes Newroz die öffentliche Stimmung anzuheizen. Bei den kurdischen Organisationen ist man vorsichtig optimistisch: "Wir rechnen nicht mit größeren Problemen", erklärte ein Sprecher der Föderation kurdischer Vereine e.V., Yek-Kom, der Jungle World. In zahlreichen Städten quer durch die Republik wird es nun Demonstrationen, Veranstaltungen und Fackelzüge geben. Von Verboten ist der Föderation bisher noch nichts bekannt.

Doch was zunächst nach einer regelrechten Entspannung aussieht, relativiert sich bei genauerer Betrachtung rasch: Erst am 3. März durchsuchten Beamte des baden-württembergischen Landeskriminalamtes (LKA) 51 Wohnungen und Vereinsräume. Trotz der von Öcalan verfolgten Friedensinitiative, so ließ das LKA wissen, hätten Agitation und Konspiration in der verbotenen Kurdischen Arbeiterpartei zugenommen. Zwar seien Brandanschläge und Autobahnblockaden mittlerweile die Ausnahme, dafür aber beschäftige sich die PKK mit Spendengelderpressungen.

20 hohe Funktionäre wurden im vergangenen Jahr verurteilt, gegen weitere 18 Personen ermittelt die Bundesanwaltschaft (BAW) derzeit noch wegen des Vorwurfs der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung nach Paragraph 129a. Daß Deutschlands oberster Strafverfolger Kay Nehm im Januar erklärt hatte, die PKK könne nur noch als "kriminelle Vereinigung" eingestuft werden, ändert daran nichts. Denn, so Eva Schübel, die Sprecherin der Karlsruher Behörde, diese Verfahren bezögen sich schließlich auf Taten, die begangen wurden, "als die PKK noch terroristisch tätig war". Ohnehin sei die Unterscheidung des Generalbundesanwaltes Nehm eine rein rechtliche Bewertung. "Die PKK verübt immer noch genug andere Straftaten."

Die BAW verfügt in der Tat über ein reichhaltiges Angebot an Straftaten, die der Organisation vorgeworfen werden. Schenkt man den Angaben von Behördensprecherin Schübel Glauben, so ist die Partei vor allem damit beschäftigt, Spendengelder einzutreiben, mit Drogen zu handeln und Geld zu waschen. Folgerichtig wurde auch Niedersachsens Justiz tätig und ließ im November vergangenen Jahres 30 Wohnungen durchsuchen. Anfang Februar nun ließ der Celler Generalstaatsanwalt Martin Endler über das Justizministerium erklären, es gebe überhaupt keine Hinweise dafür, daß etwa Geld aus illegalen Drogengeschäften oder Geldwäsche im Spiel sei.

Beim Rechtshilfeverein für Kurdinnen und Kurden in Deutschland, Azadi, ist man solche Diskriminierungen schon gewöhnt. Die Entscheidung des Generalbundesanwaltes, die PKK nun nicht mehr als "terroristisch", sondern "kriminell" zu betrachten, hält eine Mitarbeiterin der Gruppe gegenüber Jungle World folglich für einen Versuch der Entpolitisierung: "Man will die kurdische Sache auf die Mafia-Ebene bringen." Rechtsanwalt Hans-Eberhard Schultz hingegen ist etwas optimistischer. Für den Bremer Juristen, der unter anderem den ehemaligen Europasprecher der Volksbefreiungsfront Kurdistans (ERNK), Kani Yilmaz, verteidigte, ist die Entscheidung Nehms "ein Schritt in die richtige Richtung". So habe sich im Prozeß gegen Yilmaz gezeigt, daß die BAW nicht ausschließlich die Konfrontation, sondern auch Deeskalation suche. Schultz mit Blick auf das seit November 1993 bestehende Verbot der PKK und ihr nahestehender Organisationen: "Wenn jetzt der Generalbundesanwalt sagt, es gibt keine Anschläge mehr, die der PKK zuzurechnen sind, dann entfällt auch jede Berechtigung dafür, daß diese Vereine verboten bleiben."

Bislang konnten von der "Entspannung" jedoch vor allem hohe Funktionäre profitieren. Während Versuche in Stuttgart, München und Berlin scheiterten, die Verbote von Vereinen durch Verwaltungsgerichte aufheben zu lassen, wurden PKK-Kader zu verhältnismäßig niedrigen Strafen sanktioniert.

Für die rund 25 000 kurdischen Asylbewerber und -bewerberinnen, deren Anträge im vergangenen Jahr behandelt wurden, sieht die Sache anders aus. Einerseits gilt die Verfolgung wegen PKK-Mitgliedschaft als Grund, einem Asylbegehren zuzustimmen. Andererseits müssen die Flüchtlinge mit Strafverfahren rechnen, wenn sie sich hier in Deutschland offensiv zu der verbotenen Partei bekennen. So wurden denn auch nur knapp 3 000 als Asylberechtigte anerkannt. Und wenn sich ein entsprechender Vorschlag des CDU-Rechtspolitikers Rupert Scholz durchsetzen sollte, können ausländische Straftäter bald schon abgeschoben werden, wenn sie zu einem Jahr Haft verurteilt wurden. Flankierend hat der Bundesgerichtshof schon mal vorgesorgt: Nach einem Beschluß der obersten Richter können Personen, die freiwillig für die PKK Geld spenden, künftig härter bestraft werden. Jede einzelne Spende für die verbotene Organisation kann nun als selbständiger Verstoß gegen das vereinsrechtliche Betätigungsverbot eingestuft und mit bis zu einem Jahr Freiheitsstrafe geahndet werden.