WG - Biete

Vergessen Sie Zettelaushänge in der Kneipe oder an der Uni. Die Wahrscheinlichkeit, da an Verrückte zu geraten, ist viel zu groß. Ein Freund rät da eher zur Zweiten Hand, ganz prima, man muß nur immer rechtzeitig an die Anzeigenschlußtermine denken. Auf die erste Annonce meldete sich aber nur ein Waldorfschüler, der mit seinem Kontrabaß einziehen will. Na gut, vielleicht hätte man das Zimmer auch nicht als besonders klein anpreisen sollen. Aber zwölf Quadratmeter sind nun mal nicht besonders viel, da hilft auch das Hochbett nicht weiter.

Superlative mußten her. Aber trotz einer Aufzählung aller verfügbaren Luxusgegenstände blieb das Telefon weiter still. Man kann nicht sagen, daß der Berliner Wohnungsmarkt besonders nervös auf angebotene WG-Zimmer reagiert. Die Schwarzen Bretter sind voll mit Angeboten und auch die Länge der Anzeigen in den Stadtmagazinen hat sich zugunsten der Nachfrageseite verschoben. Wer keinen "M. (38), Akad., veg., m. Hund u. Kind (4), kulturinteress." will, kann lange suchen.

Wir mußten also an der Formulierung feilen: "Prima Zimmer in prima WG frei." Immerhin: Von sechs Anrufern konnten mit vier Besichtigungstermine ausgemacht werden. Das Geschäft lief wieder. Der erste nuschelte nur "zu klein" und war nach einer Minute wieder draußen. Dem Meteorologen mit hervorragenden Querflötenkenntnissen wollen wir anschließend doch nicht die Möglichkeit geben, aus seinem Burschenschaftszimmer zu flüchten - nur weil er keine Lust zum Fechten hatte. Zwei weitere stellten sich schließlich als passable potentielle Mitbewohner vor.

Die Entscheidung fiel nach dem Quotengebot "bei gleicher Qualifikation werden Frauen bevorzugt eingestellt" auf Yvonne. Die machte sich in den nächsten Tagen natürlich rar. Klar, wer so ein Riesenangebot hat, will in Ruhe auswählen, telefonisch bestellen und sich das Päckchen per Post kommen lassen. Nur: Wie lange kann man den anderen hinhalten? Dachten wir vorher noch, daß diese Vorstellungsgespräche doch merkwürdige Veranstaltung seien, ging das Taktieren danach erst richtig los. Mittwoch und Donnerstag verstrichen wie Blei. Am Freitag sollte die Entscheidung fallen. Tat sie aber nicht und vermieste uns so die Frauenquote.

Die Anzeige hatten wir trotzdem vorsichtshalber noch einmal fürs Wochenende geschaltet. Endlich mit der richtigen Formulierung: "Hübsches Zimmer in prima WG frei." Der Anrufbeantworter war bis oben hin voll. Tobias, Rainer, Robert, Ulrike, Anika, Julia, Anette, Bert, Fabricia und Chazar wollen zurückgerufen werden. Wäre nett, bis dann. Was soll man einem Anrufbeantworter auch groß erzählen?