Tödliche Rache in Saalfeld

Nachdem in der thüringischen Kleinstadt die 14jährige Jana G. erstochen wurde, eskaliert die Stimmung zwischen rechten und linken Jugendlichen

Die Einschätzung war schnell getroffen: "Der Täter war ein Möchtegern-Rechter, der aber von der rechten Szene nicht richtig akzeptiert wird", informierte Saalfelds Polizeisprecherin Liane Matthis über den 15jährigen, der am vergangenen Donnerstag in Saalfeld die 14jährige Jana G. erstach. "Ein politischer Bezug sei nicht gegeben", sagte sie, um dann im nächsten Satz relativierend hinzuzufügen, daß dieser aber "auch nicht ganz auszuschließen" sei. Nach einer ersten Vernehmung hatte der Täter ausgesagt, er habe Jana G. aus Rache getötet, weil sie ihn im vergangenen Herbst als "Scheißfascho" bezeichnet habe.

Das Mädchen gehörte nach Angaben von Polizei und Saalfelder AntifaschistInnen zum Umfeld der linken Szene in der thüringischen Kleinstadt. Jana G., die wie der Täter das Gymnasium im Stadtteil Gorndorf besucht hatte, war dem 15jährigen am Donnerstag gemeinsam mit einer Freundin zufällig auf der Straße begegnet. Jana G. befand sich auf dem Weg zum linken "Clubhaus", als sie vor einem Treffpunkt der rechten Skinheadszene in Gorndorf, einem Ladenkomplex mit zugehöriger Trinkhalle, angehalten und angepöbelt wurde. Den verbalen Beschimpfungen folgten Prügel. Innerhalb kürzester Zeit zog der Täter dann ein Butterflymesser, mit dem er Jana G. zweimal in den Hals stach. Das Mädchen verblutete im Krankenwagen auf dem Weg ins Hospital.

Der 15jährige flüchtete zunächst, wurde dann aber nach Angaben der Polizeisprecherin von zwei Jugendlichen aus der rechten Clique verfolgt und bis zum Eintreffen der Polizei von ihnen festgehalten. Er war erst wenige Tage vorher aus der Psychiatrie entlassen worden, wo man ihn wegen "seiner Neigung zu Gewalttätigkeit" behandelt hatte.

Nach dem Mord eskalierte die Situation in der Stadt weiter. Jugendliche aus der linken Szene, die am Tatort eine Mahnwache durchführen wollten, wurden dort von Naziskins angegriffen und verprügelt. "Als sie sich hilfesuchend an die Polizei wandten, wurde ihnen gesagt, daß die Beamten sich nicht dorthin trauen würden, weil dann ihre Autos von den Rechten angegriffen würden", berichtet ein Sprecher des Saalfelder Bündnisses gegen Rechts (BgR). "Die Polizisten befahlen den linken Jugendlichen, so schnell wie möglich aus Gorndorf zu verschwinden." Die Initiative reagierte schon am Donnerstagabend mit einer spontanen Demonstration, an der sich rund 300 Menschen beteiligten, auf den Mord. Auch am Samstagnachmittag demonstrierten nochmals etwa 1 000 durch die Stadt.

Dort forderte ein Sprecher des Bündnisses, die Hintergründe der Tat vollständig aufzuklären: Die meisten rassistischen und faschistischen Übergriffe würden von sogenannten Einzeltätern verübt, die in eine rechte Subkultur, nicht aber in Parteien und Organisationen eingebunden seien. Der Mord an Jana G. hat in der rechten Szene von Saalfeld offenbar Signalwirkung. "Seitdem kommen von den Nazis ständig Sprüche wie 'Wir bringen noch mehr von Euch um' und 'Schade, daß es nur eine Zecke getroffen hat'", berichtet die BgR-Sprecherin. In der örtlichen Presse, insbesondere der Ostthüringer Zeitung, und der ermittelnden Staatsanwaltschaft Gera wird dem stellvertretenden HBV-Landesvorsitzenden Angelo Lucifero vorgeworfen, die Stimmung anzuheizen und politische Hintergründe zu vermuten, wo es keine gebe. Jana G. werde von der linken Szene zur Märtyrerin stilisiert, lautet die Meinung getreu der "Saalfelder Linie".

Und die hatte der örtliche CDU-Stadtrat Werner Thomas bereits vor einer Antifa-Demonstration am 14. März erklärt: In einer Stadt, "wo die Situation mit der rechten Szene auch nicht schlimmer ist als in anderen Städten Thüringens", könne es keine rechten Gewalttaten geben.