Machtkampf unter iranischen Islamisten

Rebellion für die Regierung

Merkwürdige Dinge spielen sich in Irans Hauptstadt Teheran ab: Eine Studentenorganisation kündigte vergangene Woche eine Demonstration zur Unterstützung der Regierungspolitik an, aber dem Präsidenten Mohammad Khatami war dies gar nicht recht. Zumindest behauptete er das. Dennoch versammelten sich mehrere tausend Studenten in der Innenstadt, um ihre Unterstüzung für Khatami und den Teheraner Bürgermeister Gholem Hussein Krabasji zu bekunden. Für die iranische Führung eine offene Rebellion, zumal ihr Versuch, die Protestkundgebung zu verhindern, in einer gewalttätigen Auseinandersetzung mündete - sie ließ die Studenten verhaften, in Bussen ging es in den Knast.

Angezettelt hatte den Konflikt die konservativ-islamistische Fraktion. Gruppiert um die laut Verfassung höchste politische und religiöse Autorität Ali Khamenei, hatte diese Karbasji ein Verfahren wegen Korruption angehängt. Karbasji gilt als Vertrauter und einer der wichtigsten Berater des "Reformpolitikers" Khatami, schon bevor dieser im Oktober vergangenen Jahres zum Präsidenten gewählt wurde. Während Khatami sich äußerst zurückhaltend zeigte und auch die Demonstration nicht offen unterstützte, hatten die Gefolgsleute Khameneis Anfang April die Verhaftung des Hauptstadt-Bürgermeisters verfügt. Waren sie damit eine scharfe Konfrontation eingegangen, mußten sie letztlich aber doch wieder nachgeben: Am Mittwoch vergangener Woche verfügte Khamenei die sofortige Freilassung Karbasjis - auf Antrag von Khatami. Der Korruptionsvorwurf gegen Karbasji ist damit erst einmal kein Thema mehr.

Die "Reformer" um den aktuellen Präsidenten scheinen sich damit zunächst durchgesetzt zu haben, offensichtlich aber nur mit Billigung des Hardliner-Flügels. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung spricht angesichts dessen von einer "Pattsituation" zwischen den beiden Flügeln der religiösen Elite. Die Khamenei-Fraktion, die zwar noch die wichtigeren Posten besetzt hält, aber nur neidisch auf den Bevölkerungsrückhalt ihrer innenpolitischen Gegner blicken kann, mag eigentlich keine Gesetzeslockerungen zulassen und empfindet auch Handelsbeziehungen zu westlichen Staaten als Frevel gegen die islamischen Prinzipien der Republik Iran.

Khatami & Co. haben dazu eher ein pragmatisches Verhältnis: Sie sind durchaus geneigt, von den Vorteilen wirtschaftlicher Kontakte zu profitieren - so schwer es ihnen die derzeit niedrigen Ölpreise auf dem Weltmarkt auch machen. Sie wollen die "islamische Revolution" von 1979 allerdings nicht durch eine "säkuläre Revolution" austauschen, sondern den Islam als wichtigste Grundlage des Staates beibehalten, ihn eben nur etwas liberaler auslegen. Über die Äußerung des Menschenrecht-Sonderberichterstatters der Vereinten Nationen, Maurice Copithorne, werden sie sich jedenfalls freuen. Copithorne hatte in Genf erklärt, daß er fest mit Verbesserungen der Menschenrechtssituation im Iran rechne.

Insbesondere die USA werden das mit Interesse betrachten. Intern gibt es auch dort längst Plädoyers für eine Aufgabe der Sanktionspolitik gegenüber dem islamischen Iran. Im Gegensatz zu anderen Staaten, die - wie beispielsweise die Mitglieder der Europäischen Union - eine Politik des "Kritischen Dialogs" bevorzugen, sind die USA nämlich längst ins Hintertreffen geraten. Und das ausgerechnet im als strategisch wichtig geltenden Mittleren Osten.