»Die Aktion der MRTA wirkte wie ein Signal«

Interview mit Isaac Velazco, Europa-Sprecher der peruanischen MRTA-Guerillas, zum Jahrestag der Botschaftserstürmung

Vor einem Jahr stürmten peruanische Militärs die von einem Kommando des Movimento Revolucionario Tupac Amaru (MRTA) besetzte japanische Botschafterresidenz. Alle an der Aktion beteiligten MRTA-Mitglieder wurden bei diesem Einsatz liquidiert. Hat es in Peru zum Jahrestag Aktionen der Linken gegeben?

Nein, das lassen die politischen Verhältnisse in Peru nicht zu. In der dortigen Diktatur müßten alle, die offen ihre Sympathie mit der Guerilla zeigen, mit Verfolgung rechnen. Deshalb gab es auch während der Besetzung keine direkten Solidaritätsaktionen. Die Bevölkerung hat sich aber andere Formen geschaffen, um ihre Solidarität auszudrücken.

Von der MRTA hat man zuletzt wenig gehört. Hat sich die Organisation von der Niederlage nicht wieder erholt?

Nach der Besetzung staunten viele Leute, daß eine solche Aktion von einer Organisation durchgeführt werden konnte, die es offiziell gar nicht gab; die Regierung hatte ja schon 1992 - und dann noch einmal 1995 - erklärt, die MRTA sei zu keinen Aktionen mehr fähig. Doch mit jeder neuen Aktion konnten wir diese Propaganda widerlegen. Zwar wurde durch das Massaker an den Kommando-Mitgliedern die Krise im Land verschärft, doch melden sich inzwischen verstärkt Arbeiter, Campesino- und Stadtteilinitiativen mit Protesten auf die politische Bühne zurück. Daher hat für die MRTA zur Zeit die politisch-organisatorische Arbeit in und mit diesen Organisationen Priorität - und nicht der bewaffnete Kampf wie in den letzten Jahren.

Das klingt, als folge die MRTA dem Beispiel anderer lateinamerikanischer Guerillas und bereite sich auf Friedensverhandlungen mit der Regierung vor.

Davon kann keine Rede sein. Wir haben nie ein Avantgarde-Konzept vertreten, es kann keine revolutionären Veränderungen ohne breite Unterstützung der Bevölkerung geben. Doch wir sind auch davon überzeugt, daß parallel zur Verankerung in den Organisationen militärische Macht aufgebaut werden muß. Nur mit friedlichen Mitteln ist ein terroristisches Regime nicht zu stürzen. Deshalb versucht die MRTA politische Arbeit in den Organisationen zu leisten, ohne die militärischen Strukturen zu vernachlässigen. Unsere bewaffneten Kräfte sind aber sehr jung, es besteht die Gefahr, daß sie ihre Macht manchmal nicht im Sinne einer emanzipatorischen Politik anwenden. Daher will die MRTA auch die politisch-ideologische Schulung ihrer eigenen Kräfte verbessern.

Hat die Zunahme der Repression auch die Möglichkeiten für die legale, nichtbewaffnete Linke erschwert?

Der Zangengriff von Neoliberalismus und Repression, der in anderen südamerikanischen Ländern bereits viele Jahre zuvor Wirkung zeigte, ist in Peru erst seit Anfang der neunziger Jahre spürbar. Und das auch nur, weil die legale Linke kapituliert und ihre revolutionären Standpunkte aufgegeben hatte. Die Aktion der MRTA wirkte da wie ein Signal: Die Bevölkerung merkte, daß es noch aktiven Widerstand gegen den Neoliberalismus gibt.

Über die Situation der politischen Gefangenen gab es in den letzten Monaten widersprüchliche Meldungen. Erst wurde von Erleichterungen gesprochen, dann von Mißhandlungen. Was stimmt denn nun?

Gefangenen, die dem politischen Kampf abschwören, werden Hafterleichterung gewährt, beispielsweise den Gefangenen vom Sendero Luminoso, die sich den Friedensgesprächen ihres Vorsitzenden Abumael Guzman angeschlossen haben. Doch die, die nicht aufgeben, sind totaler Repression unterworfen. Im September letzten Jahres wurden 25 MRTA-Gefangene gewaltsam in das neue Hochsicherheitsgefängnis Puna in 4 000 Meter Höhe verlegt. Im März sind weitere 25 MRTA-Gefangene bei einer weiteren Zwangsverlegung schwer mißhandelt worden.

Nach internationalem Druck ist im letzten Herbst zwar die Isolation der Gefangenen gelockert worden. Doch werden MRTA-Leute mit Gefangenen von Sendero in eine Zelle gesteckt, was bei den Konflikten zwischen beiden Organisationen keine Erleichterung ist. Seit dem 22. April 1998 sind alle MRTA-Gefangenen im Hungerstreik. Sie haben den Jahrestag des Massakers in der Botschaft ausgesucht um sich gegen ihre Haftbedingungen zu wehren.