Tödliche Imagepflege

Paramilitärs und kolumbianische Armee arbeiten Hand in Hand. Die USA halten die Guerillas dennoch für stärker

Kaum hatten Paramilitärs am 16. April Mar'a Arango Fonnegra, die zum Vorstand der kolumbianischen KP gehörte, erschossen, wurde aus dem Präsidentenpalast ein Beileidskommuniqué veröffentlicht und der Mord an "der sozialen Kämpferin Mar'a Arango" scharf verurteilt. Passendere Worte hätte auch das Zentralkomitee der KP kaum finden können. Auch als zwei Tage später der renommierte Anwalt Eduardo Uma-a Mendoza in Bogot‡ von paramilitärischen Verbänden ermordet wurde, kondolierte die Regierung.

Nach der Ermordung des Anwalts und Menschenrechtsaktivisten kam es in vielen kolumbianischen Städten zu Unruhen. In der Hauptstadt demonstrierten 50 000 Menschen, so viele wie schon lange nicht mehr, gegen den "schmutzigen Krieg" von Paramilitärs und Armee. In der Umgebung der Universidad Nacional kam es zu Straßenschlachten mit der Polizei, und in der ganzen Stadt waren kleine Explosionen zu hören, mit denen Vermummte gegen den Mord protestierten. Barrancabermeja, eine Erdölstadt 350 Kilometer nördlich von Bogot‡, wurde durch einen Generalstreik lahmgelegt.

Uma-a Mendoza war eine linke Berühmtheit. In sämtlichen wichtigen politischen Prozessen der letzten Jahre trat er als Verteidiger auf. Auch im Ausland galt er als wichtiger Ankläger des Staatsterrorismus. Seine Popularität unter kolumbianischen Arbeitern beruhte vor allem auf der Verteidigung der Telecom-Gewerkschaft. Als diese 1991/92 kriminalisiert werden sollte, um den Widerstand gegen die Privatisierung der Staatsbetriebe zu brechen, gelang es Uma-a, die Anklage zu demontieren und die inhaftierten Gewerkschafter freizubekommen. So gehörten die Telecom-Arbeiter auch zu den ersten, die nach der Ermordung Uma-as die Arbeit niederlegten. Seit drei Jahren vertrat Uma-a Mendoza außerdem die Ölarbeitergewerkschaft USO, die als kämpferischster Teil der angeschlagenen kolumbianischen Arbeiterbewegung gilt. Ihre Funktionäre Cesar Carillo, Pedro Chaparro, Alvaro Solano und Fredy Pulecio sind der Kollaboration mit der ELN (Nationale Befreiungsarmee) angeklagt. Hernando Hern‡ndez, der amtierende USO-Vorsitzende, kündigte aber bereits an, die Gewerkschaft werde keinen Ersatz für Uma-a Mendoza berufen. Lieber lasse sie sich gar nicht verteidigen, als alle gewerkschaftsnahen Anwälte zum Abschuß freizugeben.

Während sich am vergangenen Mittwoch bei Uma-as Beerdigung neben dem Jesuitenpfarrer Javier Giraldo, dem Rektor der Universität Bogot‡ Moncayo und Gewerkschaftern auch ein ELN-Kommando blicken ließ und die regierungsnahe Tageszeitung El Tiempo "stürmischen Beifall im mit 1 200 Personen gefüllten Auditorium" verzeichnete, gab es außerdem internationale Reaktionen: Danielle Mitterrand, die Witwe des früheren französischen Präsidenten, nannte die Beileidsbekundigungen der kolumbianischen Regierung "unpassend". Schließlich sei diese für die Situation mitverantwortlich. Und amnesty international präsentierte in Spanien einen Plan, alle Menschenrechtsaktivisten ins Exil zu bringen.

Die Strategie, Oppositionelle erst erschießen zu lassen, um sie danach zu würdigen, ist in Kolumbien schon fast Tradition. Seit dem Beginn des "schmutzigen Krieges" Anfang der achtziger Jahre präsentierten sich kolumbianische Regierungen stets als Opfer der "extremistischen Gewalt von Links und Rechts". Gerichtliche wie unabhängige Untersuchungskommissionen wiesen demgegenüber bereits mehrmals Armeekommandanten und führenden Politikern die unmittelbare Verantwortung für alle großen Massaker der Jahre 1987 bis 1991 nach. Belastete Militärs wie General Yanine D'az wurden daraufhin als Militärattachés ins Ausland entsandt, während die Armee in den Kriegsgebieten unverändert gemeinsam mit den Todesschwadronen patrouilliert.

Dieses Zusammenspiel dient unter anderem Präsident Ernesto Samper zur Pflege seines Images als liberaler Präsident, der es gerne anders machen würde, so ihn die Hardliner nur lassen würden. Dabei stützt sich Samper selbst seit 1995, als er wegen seiner Verbindungen zum Cali-Drogenkartell unter Beschuß geriet, vor allem auf die Armee. Genau dadurch funktioniert die Arbeitsteilung zwischen politischem Apparat, Armee und Paramilitärs: Die Verantwortung wird auf diffuse "außerlegale Kräfte" abgewälzt, die zur Rechtfertigung weiterer Aufrüstung der Streitkräfte dienen.

Eine Studie des US-Außenministeriums schließlich geht davon aus, daß die Aufständischen von ELN und den Revolutionären Streitkräften Kolumbiens (FARC) den Bürgerkrieg in fünf Jahren gewinnen könnten, wenn die Regierung nicht zukünftig stärker vom Ausland unterstützt werde. Der kolumbianische Polizeikommandant Roso José Serrano forderte daraufhin eine US-Intervention und löste damit Proteste bei Regierung und Opposition gleichermaßen aus. Eine solcher Schritt sei die Aufgabe der "nationalen Souveränität" und komme deshalb nicht in Frage. Außerdem sehen sich einige hochrangige Politiker wegen ihrer Verbindungen zum Cali-Kartell von möglichen Strafprozessen in den USA bedroht.

Andererseits befindet sich die politische Elite des Landes seit der militärischen Niederlage einer Elite-Einheit gegen die FARC Anfang März in Bedrängnis. Deswegen versucht Samper, sich noch vor Ende seiner Amtszeit im Juni als "Mann des Friedens" darzustellen. Der Präsident, dessen Wiederwahl laut Verfassung unzulässig ist, bekundete in der vergangenen Woche, daß er "die Türen für ein Friedensabkommen bis zum letzten Tag seiner Amtszeit nicht schließen" werde.

Die im Februar mit der ELN unterzeichnete Vereinbarung steht allerdings auf eher wackligen Beinen. Regierung und ELN hatten in Madrid einen Fahrplan für Verhandlungen über Menschenrechtsverletzungen und die internationale Überwachung des Konflikts festgelegt. Daß die Guerilla solche Vereinbarungen anstrebt, ist nicht neu. Schon seit 1987 fordern FARC und ELN die Einhaltung der Genfer Konventionen. Mittlerweile gelten die Vorabkommen aber wieder als fraglich.

Dennoch ist die Pentagon-Einschätzung eines nahenden Guerilla-Siegs übertrieben und zielt offenbar darauf ab, die US-Hilfe in Form von Geld, Waffenlieferungen und Militärberatern für Kolumbien zu erweitern; maximal 20 000 Guerilleros stehen in Kolumbien mehr als 300 000 Soldaten, Polizisten und Paramilitärs gegenüber. Die Ereignisse von Cagu‡n hatten vor allem eine symbolische Wirkung: Die Allmacht der Armee ist gebrochen.

Für die Aktivisten der Gewerkschafts- und Menschenrechtsbewegung dürfte das jedoch zu spät kommen. So berichtete die Schwester von USO-Chef Cesar Carillo nach dem Mord an Uma-a Mendoza, in Bogot‡ herrsche "blanker Terror". Fast täglich würden die Paramilitärs in der Hauptstadt Oppositionelle erschießen. Und die Bevölkerung sei zu eingeschüchtert, um massiv auf die Straße zu gehen. "Von uns wird niemand überleben", so Carillo. "Unsere letzte Hoffnung ist die internationale Öffentlichkeit."