»Wir brauchen jeden Stengel«

Der Berliner Polizeipräsident dürfte der kommenden Cannabis-Erntesaison im Spätsommer mit gemischten Gefühlen entgegensehen: Der Vorstandsvorsitzende der TreuHanf AG, Matthias Schillo, hat die Berliner Homegrower während einer Pressekonferenz des Bündnisses Hanfparade e.V. vor dem Roten Rathaus dazu aufgerufen, ihren nicht zu Rauchzwecken geeigneten Ernteabfall, die Stengel der Hanfpflanzen, anonym an den Berliner Polizeipräsidenten zu schicken. "Wir bieten dem Polizeipräsidenten an", so Schillo, "daß wir solche Ware sofort abholen und unter voller Kontrolle zu Industrieprodukten weiterverarbeiten."

Hintergrund: Die TreuHanf AG betreibt seit 1997 in Zehdenick im Norden Berlins eine Hanffabrik. Dort habe man nun einen "Riesenauftrag über die Herstellung von 400 000 Quadratmetern Dämmfilz aus Hanffasern" erhalten. Und bei einer solchen Menge werde der "Rohstoff knapp". Schillo: "Werfen Sie Ihre Hanfreste nicht weg. Wir brauchen jeden Stengel für unsere Baustoffproduktion."

Mit der Unterstützung öffentlichkeitswirksamer Aktionen wie dieser versucht das Bündnis Hanfparade e.V. derzeit, die Mobilisierung für die am 29. August stattfindende Hanfparade in Berlin voranzutreiben. Motto: "Wählt Hanf! Legalisierung jetzt!" Ein weiteres Mal wurde von den anwesenden Hanflobbyisten aus Parteien, Wirtschaft, Medien und Medizin die Vielseitigkeit der Pflanze als Rohstoff, Medizin und Genußmittel proklamiert. Alle forderten - wie immer - die Legalisierung von Cannabis, dessen Gefährlichkeit ein Redner mit der von Kaffee gleichstellte. Aber Vorsicht: "Im frühen 19. Jahrhundert mußte ein Kaffeetrinker in manchen deutschen Fürstentümern noch mit der Todesstrafe rechnen", so Robert Salinger vom Hanf-Händlerverband. Parteipolitische Statements gingen in die folgende Richtung: "Ich habe keinen Bock, mir meine Lebensform von alkoholisierten Rentnern in Bonn vorschreiben zu lassen", sagte Freke Over, Berliner Landtagsabgeordneter der PDS, "wir kiffen soviel, wie wir wollen." Applaus aus dem Publikum.

Kritik an der Kampagne vom Bündnis Hanfparade wagte lediglich ein Vertreter der Jungdemokraten zu üben. Er warf der Cannabislobby vor, zu "biedermännisch" zu sein. Parallel zur Forderung nach Legalisierung von Cannabis müsse dies selbstverständlich auch für Substanzen wie Heroin und Kokain gefordert werden. Und: Mit seiner unreflektierten politischen Ausrichtung unterstütze das Bündnis kritiklos das kapitalistische System, ohne es nur mit einem Wort in Frage zu stellen. Inzwischen kreisten im Publikum längst die ersten Joints ...