Büren in der B-Zelle

Trotz Nachrichtensperre und Strafaktionen revoltieren in Büren seit Wochen die Abschiebehäftlinge

"Etwa 30 Häftlinge", meldete dpa letzte Woche, seien "in der Abschiebe-Haftanstalt im nordrhein-westfälischen Büren" in einen Hungerstreik getreten. Zuvor habe es "Unruhen" gegeben. Der Protest der Gefangene richte sich gegen die "aus ihrer Sicht zu lange Haftdauer bis zur Abschiebung". Nur wenige Zeitungen druckten die Nachricht ab, genauere Informationen sind nicht zu bekommen, die Gefängnisleitung verweigert bisher jede Auskunft.

Fest steht: Im bundesweit größten Abschiebeknast gärt es nicht zum ersten Mal. Schon kurz nach seiner Eröffnung vor vier Jahren sprachen selbst Schließer von einem "Hexenkessel". Und seit die Mammuteinrichtung im tiefen Ostwestfalen mit knapp 500 Flüchtlingen aus rund 70 Ländern bis an die Grenzen ihrer Kapazität vollgestopft ist, spitzt sich die Situation dort immer wieder zu.

Erstmals publik wurden die Proteste der Gefangenen am Osterwochenende durch einen Bericht in der Lokalzeitung. "Mit ohrenbetäubendem Lärm" hätten sich Häftlinge am Abend des 6. April gegen ihre Haftbedingungen und "die Abschiebepolitik in Deutschland" gewehrt. Auslöser soll gewesen sein, daß vier Tage zuvor ein Häftling auf einer Bahre aus der Anstalt abtransportiert wurde. Kein außergewöhnlicher Vorgang, ließ die Gefängnisleitung wissen. Vielmehr habe der Mann "hyperventiliert" und sei, da dieses lebensbedrohlich sein könne, ins Knastkrankenhaus Fröndenberg verlegt worden. Unter seinen Mitgefangenen allerdings habe diese Maßnahme zu "Gerüchten" geführt und - so die JVA-Leitung weiter - "eine nicht geplante Aktion" ausgelöst.

Wie diese genau aussah und bekämpft wurde, ist nicht bekannt. Sicher ist lediglich, daß ein Schließer überwältigt wurde, seine Schlüssel verlor und anschließend einige Zellen offen standen. Des weiteren flogen massenweise brennende Klorollen, Handtücher und sonstige Gegenstände aus den Zellenfenstern. Waschbecken liefen über, Wasser stand in den Fluren. Alles in allem "nichts Sensationelles", kommentierte Knastchef Peter Möller, eher eine "Ordnungswidrigkeit". Deshalb könnten "vorübergehend angezogene Sicherheitsmaßnahmen" demnächst auch wieder gelockert werden. Es bestehe kein Grund, die Häftlinge pauschal zu kriminalisieren. Diesen Beschwichtigungen schenkten die Mitglieder des Bürener Vereins Hilfe für Menschen in Abschiebehaft allerdings keinen Glauben. "Die Gefangen haben kollektiv revoltiert. Die Gefängnisleitung ist unter Druck", urteilten sie.

Um seine Anstalt in besserem Licht erscheinen zu lassen, lud Möller vorletzte Woche dann zwei ausgewählte Lokalreporter zum Gespräch mit den Gefangenen - ohne daß anschließend eine Zeile darüber veröffentlicht wurde. Die Gefangenen protestierten, mit dem Erfolg, daß ihnen für Mitte Mai ein zweiter Pressetermin zugesagt wurde. "Dieses Mal ist uns freie Hand gegeben", freuten sich die ehrenamtlichen Betreuer und Betreuerinnen - zu früh. Nach den neusten "Unruhen" ist nicht nur der neu angesetzte Medientermin gestrichen, es herrscht auch eine generelle Nachrichtensperre.

Aus welchen Gründen, kann erahnt werden. Zwar ist nicht festzustellen, ob letzte Woche ein paar Dutzend oder eine weit größere Zahl Gefangener in den Hungerstreik traten und mit welchen Forderungen. Offensichtlich aber ist, daß die "Modellanstalt" in Büren derzeit einem Pulverfaß gleicht. Gemeinschaftsveranstaltungen, Umschluß und Hofgang wurden gestrichen. Die Gefangenen werden nur noch einzeln in den Besuchstrakt, zum Telefonieren oder Duschen geführt. Eine Kommunikation der Häftlinge untereinander ist so kaum noch möglich, entsprechend wenig können Besucher und Besucherinnen erfahren. Zumal sogenannte "Rädelsführer" an unbekannte Orte oder in die berüchtigten "B-Zellen" (Beruhigungszellen) verlegt wurden.

"Niemand kann sagen, was da abgeht", beurteilen Mitglieder von Flüchtlingsgruppen die derzeitige Lage im hochgesicherten Knast im Stöckerbuscher Forst. Womit sie nur teilweise recht haben. Denn die Leitung der JVA weiß es genauso gut wie die nordrhein-westfälische Justizverwaltung. Nur daß die Verantwortlichen alle Gründe haben, ihren Mund zu halten. Und von der Lokalpresse haben sie auch keine unangenehmen Nachforschungen zu befürchten. So verlor das Westfalenblatt kein Wort über die neuerlichen "Unruhen". Statt dessen berichtete es letzten Mittwoch ausführlich über die Effektivität und Flexibilität des in der JVA Büren eingesetzten Personals einer privaten Security-Firma.