Den Bundeshaushalt im Blick

Auf der Bundesversammlung des BdV erhielt die extreme Rechte einen Dämpfer

Erika Steinbach (CDU-MdB) ist neue Präsidentin des Bundes der Vertriebenen (BdV). Die 54jährige wurde am vergangenen Samstag bei der BdV-Bundesversammlung in Berlin als erste Frau in der Geschichte des Verbandes in dieses Amt gewählt. Sie ist stellvertretende Vorsitzende der Ost- und Mitteldeutschen Vereinigung der Union und liegt politisch auf der Linie ihres Amtsvorgängers Fritz Wittmann (CSU), der nicht mehr zur Wahl stand.

Der 1933 geborene Jurist aus München ist seit 1971 Mitglied des Bundestages und hat eine klassische Parteikarriere hinter sich: vom Bayerischen Landessekretär der Jungen Union (JU) über den Landesvorsitz des Rings Christlich-Demokratischer Studenten (RCDS) in Bayern bis hin zum Ministerialrat im Bayerischen Staatsministerium für Arbeit und Sozialordnung. Der Oberst der Reserve (Heer) war im Bundestag auch als Vorsitzender des Verteidigungsausschusses tätig. Zudem ist er stellvertretender Bundesvorsitzender der Sudetendeutschen Landsmannschaft (SL) und Landesvorsitzender des BdV in Bayern. Seine rechtskonservative, in der Union verankerte Politik an der BdV-Spitze wird sich durch die Wahl von Erika Steinbach nicht ändern. Was auf den ersten Blick nicht sehr brisant erscheint, stellt sich bei genauerer Betrachtung aber als eine Niederlage für die extrem rechten Kräfte im BdV heraus.

Gegen Steinbach angetreten war Hans-Günther Parplies, BdV-Landesvorsitzender in NRW. Parplies war bereits in der letzten Amtsperiode einer von sechs BdV-Vizepräsidenten und gehörte zusammen mit Wilhelm von Gottberg und Paul Latussek, beide ebenfalls Stellvertreter Wittmanns, zu den Kräften im BdV, denen die unionsorientierte BdV-Linie nicht völkisch-national genug gewesen ist. Sie waren es, die nach dem "Tag der Heimat" 1996 die Rede des Bundespräsidenten Roman Herzog, der während der Veranstaltung als "Vaterlandsverräter" tituliert worden war, in einer Presseerklärung angriffen und sich damit öffentlich gegen die allgemeine Verbandslinie stellten. Sie stehen für die offen rechtsextreme Linie im BdV: Von Gottberg steht an der Spitze des neben der Sudentendeutschen Landsmannschaft aktivsten und einflußreichsten Zusammenschlusses innerhalb des BdV, der Landsmannschaft Ostpreußen (LO).

Die LO verfügt mit der völkisch-antisemitischen Jungen Landsmannschaft Ostpreußen (JLO) zwar nicht über den einzigen Jugendverband im BdV, aber über den umtriebigsten. Das Organ der LO, das Ostpreußenblatt, läuft der Jungen Freiheit (JF) mehr und mehr den Rang innerhalb der extremen Rechten ab. Ganz zu schweigen davon, daß die LO erfolgreich an der sprachlichen und kulturellen Eindeutschung ehemaliger Ostgebiete arbeitet. So sprach von Gottberg vor gut einem halben Jahr sehr treffend davon, daß "das Königsberger Gebiet am Tropf der Bundesrepublik" hänge. Allerdings bildet der LO-Sprecher auch in einer Hinsicht eine Ausnahme: Er versteht es, wenn es aus strategischen Gründen verbandsintern notwendig scheint, zu schweigen und sich so nicht im BdV unbeliebt zu machen. Konsequenterweise wurde er als Vizepräsident in seinem Amt bestätigt.

Weniger zurückhaltend agiert Paul Latussek, Referent der Gesellschaft für freie Publizistik, Autor in zahlreichen neofaschistischen Publikationen, stellvertretender Bundesvorsitzender des Bundes Freier Bürger - Offensive für Deutschland (BFB) und Anfang des Jahres Interviewpartner der Deutschen Wochenzeitung des DVU-Chefs Gerhard Frey. Der dritte im Bunde, Hans-Günther Parplies, war bis vor wenigen Wochen Geschäftsführer der Stiftung Ostdeutscher Kulturrat (vgl. Jungle World, Nr.14/98) und gehörte zu den Unterzeichnern des geschichtsrevisionistischen Aufrufes "8. Mai 1945 - Gegen das Vergessen". Der BdV-Landesverband NRW, dem Parplies vorsteht, zeichnete Latussek zu Beginn des Jahres mit der "Ernst-Moritz-Arndt-Plakette" für dessen Verdienste beim Aufbau des BdV in den neuen Bundesländern aus.

Mit den Neuwahlen des Präsidiums geht der Bund der Vertriebenen nun in Deckung: Nicht, daß sich an der völkisch-partikularistischen Praxis etwas ändern würde, nein, nur die, die den BdV gern grundsätzlich weit rechts der Union positioniert sehen möchten, sind vorläufig entmachtet worden: Latussek wurde aus dem obersten Gremium des Verbandes entfernt; Parplies schaffte den Sprung zum Präsidenten, der eine grundsätzliche Richtungsänderung in der BdV-Politik bedeutet hätte, nicht, bleibt aber weiterhin Vizepräsident des BdV.

Bei der BdV-Bundesversammlung in Berlin dürfte auch die bevorstehende Bundestagswahl im Herbst eine strategisch wichtige Rolle gespielt haben: Wenn die SPD die CDU/CSU als Regierungspartei ablösen sollte, dann dürften Haushaltskürzungen bei den Bundesmitteln, die den "Vertriebenen" zur Verfügung stehen, einsetzen. Und ein BdV-Präsidium mit Parplies als Präsidenten und Latussek als Vizepräsidenten hätte da verständlicherweise schlechtere Ausgangspositionen gehabt als ein uniondominiertes.

Erstmals offen steht im BdV jetzt auf der Tagesordnung, worüber seit Monaten hinter vorgehaltener Hand spekuliert wurde: die Spaltung. Am Rande der BdV ließen Vertreter der ostdeutschen Landesverbände durchblicken, sie wollten sich die Entmachtung Latusseks nicht bieten lassen. Sollte es zur Spaltung kommen, stehen Latussek verschiedene Optionen zur Verfügung: Die Wählergemeinschaft Deutscher Heimatvertriebener und Entrechteter (WDHE), der er vorsteht und die am kommenden Samstag auf dem Haus der "Burschenschaft Arminia auf dem Burgkeller" zu Jena ihren zweiten Bundeskongreß abhalten wird.

Aber auch der Zentralrat der vertriebenen Deutschen, ein neofaschistischer Zusammenschluß aus dem Umfeld der Zeitung Der Schlesier, könnte relevant werden für die Abtrünnigen. Dessen Vorsitzender, Herbert Jeschioro, hatte sich bereits als Referent am Gründungsparteitag der WDHE im letzten Jahr beteiligt.

Abhängig davon, wer sich bei einer möglichen Spaltung den Ostverbänden um Latussek noch anschließen würde, entscheidet sich die Zukunft des Verbandes: Der Bund der Vertriebenen könnte einige seiner exponierten ideologischen Protagonisten verlieren, dadurch aber das Risiko der Kürzungen seiner Bundesmittel unter einer möglichen SPD-Bundesregierung mindern.