DVU-Mann eröffnet Magdeburger Landtag

Die Freiheit eines Andersdenkenden

Am Ende lief dann doch alles, wie im Protokoll vorgesehen. Montag, 25. Mai, elf Uhr: Rudi Wiechmann, frischgewählter Parlamentarier der rechtsextremen DVU, eröffnet als ältester Abgeordneter den neu zusammengesetzten Magdeburger Landtag. "Im äußersten Fall", sprich, wenn es zu ausländerfeindlichen Äußerungen kommen werde, wolle man geschlossen das Plenum verlassen, hatte die Sachsen-Anhalter PDS-Fraktionschefin Petra Sitte für die 25 Abgeordneten ihrer Partei angekündigt. SPD-Sprecher Jürgen Kriesch ließ wissen, seine Genossen und Genossinnen würden "aus der Situation heraus" entscheiden, während Fraktionschef Rüdiger Fikentscher vor der Sitzung hauptsächlich bemüht war, möglichen Koalitionen mit den Demokratischen Sozialisten die übliche Absage zu erteilen.

Man vertraute auf die Versprechungen des 68jährigen Neonazis Wiechmann. Der nämlich hatte angekündigt, er werde zur Begrüßung der 117 neu gewählten Parlamentarier und Parlamentarierinnen ein wenig Kreide fressen und eine "staatstragende" Rede halten. So setzte auch Wulf Gallert, der Geschäftsführer der PDS-Fraktion, auf den Good-will des rechtsextremen Alterspräsidenten: "Herr Wiechmann sagte, daß er sich ausdrücklich dem Neutralitätsstatus verpflichtet sieht, ich hoffe, daß er das auch durchhält." Eine Veränderung der Geschäftsordnung, mit der Wiechmanns Auftritt hätte verhindert werden können, lehnte auch der PDS-Politiker Matthias Gärtner ab. "Damit hätten wir möglicherweise einen Mythos geschaffen", sagte der Landtagsabgeordnete der Jungle World. Infolge der Weigerung der CDU, mit seiner Partei zusammenzuarbeiten, sei die Rede des DVU-Mannes auf parlamentarischem Wege kaum aufzuhalten gewesen.

Und so sprach Wiechmann also ungestört, aber zurückhaltend: Nicht von "kriminellen Ausländern" und "deutschen Arbeitsplätzen", sondern von "Toleranz" und, Rosa Luxemburg zitierend, von der "Freiheit des Andersdenkenden". Wie dieses andere Denken aussieht, hatte der Neonazi vorher im stern erklären dürfen: "Multikulturell heißt für mich multikriminell." Petra Sitte bezeichnete die Eröffnungsrede Wiechmanns denn auch als "taktisches Manöver". Ihre Partei spreche dem 68jährigen jegliche Berechtigung ab, "dieses Parlament und seine Abgeordneten zu vertreten", erklärte die PDS-Politikerin. "Wir erkennen Ihre Alterspräsidentschaft nicht an." Die deutlicheren Worte überließ Wiechmann am Montag ohnehin dem örtlichen DVU-Parteichef Helmut Wolf, während dessen von deutschnationalen und rassistischen Phrasen dominierter Rede einige PDS- und SPD-Abgeordneten den Sitzungssaal verließen.

Sonst war es vor allem das viele Grün rund um das Magdeburger Parlament, das auf den Unmut gegen den ersten parlamentarischen Auftritt des Neonazis hinwies. Mit massiver Polizeipräsenz, einer neu geschaffenen Bannmeile und Personenschleusen wollte man die Abgeordneten vor Tumulten während Wiechmanns Rede schützen. Gekommen waren jedoch am Montagmorgen nur knapp hundert Antifaschisten und Antifaschistinnen, um am Domplatz gegen die Rechtsradikalen zu demonstrieren. Begleitet von Zivilpolizisten und privaten Leibwächtern, konnten die 16 DVU-Abgeordneten ungestört das Parlament betreten.

Und dort lief alles weiter nach Plan: Gegen 13.30 Uhr wurde die erste Sitzung des neukonstitutierten sachsen-anhaltischen Landesparlamentes unter Beteiligung von 16 Neonazis ohne Zwischenfälle beendet. Die ursprünglich für Montag geplante Wiederwahl des Ministerpräsidenten Reinhard Höppner wurde auf Dienstag verschoben. Schließlich wollte der Sozialdemokrat nicht während einer Sitzung antreten, die von der DVU eröffnet worden war.