Auf nach Jugeuropa

Die Republikaner haben einen neuen Verbündeten gegen den Euro gefunden: Den separatistischen belgischen Vlaams Blok. In Saarbrücken traten die beiden Parteien gemeinsam auf

Zwei Ex-Polizisten standen am letzten Mai-Wochenende an der deutsch-französischen Grenze bei Saarbrücken im Mittelpunkt: Der eine, Karl-Werner Weiss, ist Vorsitzender der saarländischen Republikaner und hatte die Kundgebung angemeldet, welche die Reps zusammen mit dem französischen Front National (FN) und dem belgischen Vlaams Blok (VB) abhalten wollten. Der andere, Eugen Roth, war saarländischer Vorsitzender der Gewerkschaft der Polizei, bevor er an die Spitze des Landes-DGB gewählt wurde. Er hatte die Gegendemonstration angemeldet.

Rund 300 Neofaschisten - in der Mehrzahl Anhänger der Republikaner, dazu einige Mitglieder des FN, der seine Teilnahme abgesagt hatte, weil auch die denn doch zu extreme Neonazi-Organisation Junge Nationaldemokraten mobilisiert hatte, sowie vor allem des Vlaams Blok - hatten die Veranstalter mit den Parolen "Nein zum Euro" und "Ja zum Europa der Vaterländer" locken können. Vor 3 000 Gegendemonstranten erklärte Roth die Faschos zu "Blendern und Hohlköpfen", die sich "aus Außenseitern und Gestrauchelten der Gesellschaft" rekrutierten und einen Reflex auf die Arbeitslosigkeit darstellten. Die Nazis will Roth folgerichtig mit dem Sozialstaat bekämpfen, das sei schon wegen der "zwei Diktaturen in Deutschland" das Gebot.

Währenddessen beschworen Wim Verreycken, Senator des VB, und der Rep-Vorsitzende Rolf Schlierer ihre Einigkeit gegen den Euro, der ein Produkt des Maastrichter Vertrags sei, zu einem "sozialen Friedhof" führe und die "nationale Identität der Völker" zerstöre. "Mein europäisches Haus soll die Freiheit der Völker garantieren", rief Verreycken aus.

Wie die Hausordnung aussehen soll, das hat Verreycken bereits im Dezember 1991 demonstriert. Damals startete ein Wagen mit "humanitären Hilfeleistungen" nach Zagreb: Auf Einladung Tudjmans besuchten die VB-Abgeordneten Verreycken sowie Filip Dewinter und Francis van den Eynde Kroatien und statteten auch den faschistischen HOS-Milizen einen Besuch ab, mit denen sich Dewinter "in weitgehender Übereinstimmung" erklärte. Seitdem baute der VB seine Zusammenarbeit mit den faschistischen Kräften in der einstigen jugoslawischen Teilrepublik kontinuierlich aus.

Im April 1992 erklärte der Vorsitzende der VB-Jugendorganisation der Presse, man habe acht junge Flamen zum Kampf nach Kroatien geschickt. Im Oktober 1992 wurde in Anvers eine kroatisch-flämische Handelsvertretung gegründet; ihr Direktor, Amand Geschier, ist ein guter Freund Dewinters und war im von der Justiz verbotenen Vlaams Militante Orden. Im Juli 1993 schickte der VB ein Grußwort an die faschistische MSP und ihren Führer Dobroslav Paraga. 1995, nach der kroatischen Slawonienoffensive, organisierte der VB seine "Sommeruniversität" in Kroatien.

Keinen Hehl aus seiner Bewunderung für das mit NS-Deutschland verbündete faschistische kroatische Regime des Ante Pavelic macht Karel Dillen, einst zum VB-Chef auf Lebenszeit ernannt und im Juni 1996 auf eigenen Wunsch von Frank Vanhecke abgelöst: "Die offizielle Geschichte hat aus Pavelic ein Monster gemacht. Nichts ist weniger wahr. Niemand kann bestreiten, daß er von einer tiefen Liebe für sein Volk erfüllt war, und daß er während all dieser extrem schwierigen Jahre große persönliche Anstrengungen gemacht hat, die Interessen seines Volkes zu sichern."

"Wir müssen uns organisieren wie in Jugoslawien, wo die Menschen es für notwendig hielten, ethnische Staaten zu bilden", ergänzt Dewinter, der Hardliner des VB. Ginge es nach dem Programm des VB, müßte man sich die Zukunft Brüssels, zwischen Flamen und Wallonen umstritten, nach dem Vorbild Sarajevos vorstellen - als völkisch befreites Zimmer im europäischen Haus.

In Deutschland ging diese Orientierung aufs jugoslawische Vorbild weitgehend unbemerkt vonstatten: Während faschistische Bewegungen in Frankreich und Österreich, gelegentlich auch in Italien, die Aufmerksamkeit auf sich ziehen, gilt Belgien meist als zu vernachlässigende Größe, der VB, 1978 als Abspaltung von der als zu bürgerlich empfundenen Volksunie gegründet, wird als rassistisch erkannt, doch auf einen folkloristischen Traditionsverein von nur regionaler Bedeutung reduziert.

Dabei wird dreierlei übersehen: Erstens ist diese Nichtbeachtung merkwürdig geschichtsblind, denn der flämische Nationalismus war in diesem Jahrhundert ein gefragter und eifrig geförderter Bündnispartner des Pangermanismus. Zweitens gilt Belgien nach seiner zunehmenden Föderalisierung und aufgrund der ethnisierbaren und tatsächlich ethnisierten ökonomischen Disparitäten zwischen Flandern und der Wallonie sowie der aus beidem bedingten Chaotisierung und Korrumpierung des Staatsapparates vielen Euro-Rechten als weit fortgeschrittenes Versuchsfeld der anstehenden völkischen Neuordnung Europas. "Der belgische Staat befindet sich schon seit geraumer Zeit in Verwesung", zitiert das Ostpreußenblatt hocherfreut den Brüsseler Professor Claude Javeau und setzt auf ethnische Parzellierung. Zumal das deutschsprachige Ostbelgien mit 68 000 Einwohnern der "Heimholung" harrt - "Sehnsucht nach Deutschland in Ostbelgien" titelte Gerhard Freys Deutsche National-Zeitung im Februar 1997, was viele Ostbelgier wohl doch anders sehen.

Drittens genießt der VB wegen seiner Erfolge hohes Ansehen bei der Euro-Rechten und mischt selber europaweit mit. Wie die gemeinsame Veranstaltung in Saarbrücken zeigte, scheinen ihn jetzt die deutschen Republikaner als Verbündeten entdeckt zu haben.

Diese Art von deutsch-flämischen Bündnissen hat eine lange Geschichte: Schon im Ersten Weltkrieg begannen die Deutschen, die das neutrale Belgien überrollt hatten, den flämischen Separatismus zu schüren. Viele Aktivisten der flämischen Bewegung lebten später in Deutschland, da sie in Belgien wegen Kollaboration zu langjährigen Zuchthausstrafen oder zum Tode verurteilt waren. Sie bildeten während der Nazizeit das Rückgrat der erneuten Kollaboration mit Deutschland. Rückblickend konnte im März 1992 im Strategieorgan Nation & Europa Karel Dillen den flämischen Nationalismus entsprechend empfehlen: "Während des Zweiten Weltkriegs stand ein großer Teil der flämischen Nationalisten auf seiten des Deutschen Reiches."

Das hört einer wie Schlierer gerne. Regelmäßig wird er in Nation & Europa, Europa Vorn und der Jungen Freiheit (JF) von der Altnazisse Ilse-Carola Salm über die Entwicklung in Belgien auf dem laufenden gehalten. Besonders gut kennt sich Salm, treu gebliebene BDM-Führerin und Mitglied des Witiko-Bundes, im deutschsprachigen Ostbelgien aus. Publizistisch legte sie sich für die wegen zahlreicher Affären in die Kritik geratene pangermanistische Düsseldorfer Hermann-Niermann-Stiftung ins Zeug. Über deren mittlerweile verstorbenen ostbelgischen Funktionär Hubed Funk unterhielt das von der offiziell als rechtsextremistisch eingestuften Deutsch-europäischen Studiengesellschaft herausgegebene Junge Forum den Kontakt. Mehrere Abhandlungen des "Völkerrechts-Experten" Yvo J.O. Peeters zum Thema erschienen in dieser Schriftenreihe. Sein Credo brachte Peeters im Mai 1997 im Interview mit der Jungen Freiheit (JF) auf den Punkt: "Der erste Schritt zur Revolution" war sein Interview "über die Notwendigkeit einer Neugliederung Gesamteuropas" überschrieben. Im Sommer 1996 fragte die JF: "Was wird aus Eupen und St. Vith?" Das Organ des Bundes der Vertriebenen, der Deutsche Ost-Dienst, wußte zum 3. Oktober 1997 die Antwort: Eupen wird Nordrhein-Westfalen, St. Vith Rheinland-Pfalz zugeschlagen (vgl.

Jungle World, Nr. 44/97). Die JF brauchte wenige Wochen später diesen - via Finanzierung des BdV durch die Bundesregierung - offiziell geförderten Anschlußtraum nur wortgleich nachzudrucken, um ihr strammes Publikum zu beglücken.

Bei solchen Angriffen auf den territorialen Zusammenhalt Belgiens kann sich der Vlaams Blok die Hände reiben: Die deutschsprachigen Autonomiegebiete sind der verhaßten Wallonie zugeordnet.