Bundesweite Abschiebung nach Nigeria

Bedauerliche Verwechslungen

Gegen elf Uhr hob die Maschine der belgischen Chartergesellschaft "City-Bird" vom Düsseldorfer Flughafen ab. Flugnummer und Zielort tauchten auf den Anzeigetafeln des Airports nicht auf. Die Passagiere waren ohne Zoll- und andere Formalitäten direkt aufs Rollfeld gefahren worden. Denn der Sonderflug H2-111 am vergangenen Donnerstag nach Lagos erfolgte auf Initiative des Bundesinnenministeriums, an Bord befanden sich 72 Flüchtlinge aus Zentralafrika, gefesselt und bewacht von rund 60 Beamten des Bundesgrenzschutzes.

Bei dem Sonderflug H2-111 handelte es sich um die größte bundesweit koordinierte Abschiebungsaktion nach Nigeria, die bislang bekannt wurde. Unter den Passagieren befanden sich sogenannte Rädelsführer der letzten großen Revolte im Abschiebeknast von Büren (Jungle World, Nr. 19 und 20 / 98) und Männer, die sich bei vergangenen Abschiebeversuchen so entschieden zur Wehr gesetzt hatten, daß ihr Transport von seriösen Fluggesellschaften verweigert worden war.

Der Sonderflug transportierte aber auch Menschen nach Nigeria, die nach eigenen Angaben aus anderen Ländern Afrikas stammen und für die nachweislich zumindest in einem Fall auch keine Einreiseerlaubnis durch die nigerianischen Behörden erteilt worden war.

Mit welchen Mitteln und über welche Kanäle die deutschen Behörden dennoch Ausreisedokumente für diese Gruppe besorgten, bleibt ihr Geheimnis. Fest steht nur, daß in Nordrhein-Westfalen bereits vor Wochen eine Sammelvorführung von angeblich aus Nigeria stammenden Flüchtlingen bei der Zentralen Ausländerbehörde (ZAB) in Bielefeld stattfand. Erwartet wurden die Immigranten von einigen Herren, die sich als Mitarbeiter der nigerianischen Botschaft ausgaben, nach Recherchen von Flüchtlingsinitiativen bei der Vertretung in Bonn namentlich aber nicht bekannt sind. Bei dieser Gelegenheit wurden den Besuchern auch die Asylakten der Betroffenen vorgelegt.

Unter Verantwortung der ZAB Bielefeld waren bereits früher Abschiebungen mit Ausweispapieren unbekannter Herkunft erfolgt - versehen mit falschen Namen oder Lichtbildern. Nach offizieller Lesart "bedauerliche Verwechslungen" - in den Augen der Bürener Abschiebehäftlinge eine Schweinerei mit System. So lautete eine ihrer zentralen Forderungen auch: "No deportation with fake documents."

Unterstützt von einzeInen VertreterInnen von Bündnis 90 / Die Grünen, dem Flüchtlingsrat NRW sowie dem Produktionsteam der WDR-Fernsehserie "Lindenstraße", die die Asyl- und Abschiebeproblematik in den letzten Folgen behandelt hatte, protestierten Flüchtlingsgruppen und antirassistische Initiativen gegen den am Vortag mehr oder minder zufällig bekanntgewordenen Spezialflug.

Doch konnte weder eine symbolische Blockade der Bundesgrenzschutzkaserne am Düsseldorfer Flughafen, wo die aus dem gesamten Bundesgebiet herbeigekarrten Flüchtlinge gesammelt worden waren, noch die Intervention des Fraktionssprechers der im Düsseldorfer Landtag mitregierenden Grünen die Deportation aufhalten.

Durchzusetzen war lediglich, daß eine Abordnung der AbschiebungsgegnerInnen die betroffenen Flüchtlinge noch kurz sehen konnte, um sich zu überzeugen, in welchem Zustand sie abtransportiert wurden. Derzeit bemühen sich nigerianische Oppositionelle in Deutschland und Lagos, den VerbIeib der Abgeschobenen zu recherchieren.