Bezahlte Wahlen

Der neue Fifa-Präsident Joseph Blatter soll seine Wahl Bestechungsgeldern verdanken

Die ersten Vorwürfe wegen eines vermeintlichen Bestechungsskandals bei der Wahl des Schweizers Joseph Blatter zum neuen Fifa-Präsidenten erhob die schwedische Tageszeitung Aftonbladet schon am Tag nach der Wahl. Blatter habe 20 Umschläge mit je 50 000 Dollar an verschiedene afrikanische Delegierte verteilt, wurde berichtet, nur so lasse sich die ungewöhnlich hohe Anzahl der Stimmen für Blatter im ersten Wahlgang erklären. Die Quelle dieser Informationen wollte das Blatt nicht nennen, aber der Mitbewerber um das Amt, der Schwede Lennart Johansson, bestätigte in einem Interview, ebenfalls von den mysteriösen Zahlungen gehört zu haben - von einem Uefa-Delegierten.

Nun sind unterlegene Parteien nicht unbedingt die seriöseste Quelle, trotzdem griffen die europäischen Medien die Vorwürfe auf, ohne sie nachrecherchiert zu haben. Denn für die Europäer schien durch die Niederlage Johanssons viel auf dem Spiel zu stehen: Die Schweden betrachteten die Niederlage ihres Kandidaten gegen "Bla-Bla-Blatter" (Aftonbladet) als nationale, Deutschland und England sahen ihre Bewerbungen für die Weltmeisterschaft im Jahr 2006 gefährdet, denn Blatter gilt als Befürworter der WM-Austragung auf dem afrikanischen Kontinent. Die heftigsten Reaktionen kamen daher von den Medien dieser Länder, aber auch in den übrigen europäischen Staaten sah man die bisherige Vormachtstellung des Kontinents im Welt-Fußball-Verband bedroht. Zumal durch die Wahl Johanssons eine Menge Posten freigeworden wären: Das norwegische Dagbladet etwa, das Johanssons Niederlage genüßlich mit der Schlagzeile: "Schweden hat verloren - schon wieder" kommentierte, erwies sich als ebenso parteilich wie der Verband Norwegens: Dem Fußball-Funktionär Per Ravn Omdal hatte man Hoffnungen gemacht, Johanssons Posten als Uefa-Präsident zu übernehmen, wenn der zur Fifa wechseln sollte.

Einzig in der Schweiz war man sich unsischer, wie mit der Bestechungs-Geschichte zu verfahren sei. Der Journalist André Graidir sagte, man habe zwar Johansson unterstützt, aber nun werde der Fall erst richtig kompliziert, zumal sich kaum ein einheimischer Funktionär äußern wolle: "Blatter ist schließlich Schweizer."

Schon am nächsen Tag gab Blatter auf einer Pressekonferenz zu, die Umschläge verteilt zu haben, und bot eine denkbar lahme Erklärung dafür an: Es habe sich um lange zuvor beschlosene Zahlungen gehandelt. Bestätigen konnte oder wollte das bislang noch kein Fifa-Funktionär. Bewiesen wurde allerdings, daß Blatter offizielles Fifa-Briefpaper für seinen Wahlkampf benutzt hatte. Lennart Johansson, der sich von den Vorwürfen gegen Blatter "geschockt" zeigte, reagierte auf den Fall gelassener als die meisten Journalisten. Er forderte keine Neuwahlen, sondern lediglich eine Untersuchung durch die Fifa-Exekutive.

Denn Johansson kann sich trotz des klaren Wahlausgangs sicher sein, nicht nur die Stimmen der Europäer erhalten zu haben - entgegen aller Behauptungen hatten die afrikanischen Delegierten nicht ausschließlich für Blatter votiert. Issa Hayatou, Vorsitzender des Afrikanischen Fußball-Verbandes, hatte sich beispielsweise auf seinem Kontinent als Wahlkämpfer für Johansson betätigt, und erklärte, dies bei der nächsten Wahl wieder tun zu wollen.

Aber auch außerhalb Afrikas sah man in Blatter den geeigneteren Kandidaten: Der vietnamesische Journalist Dao Danh Duc erklärte die Pro-Blatter-Haltung des vietnamesischen Verbandes so: "Vietnam unterstützte Blatter, weil man ihn als einen Repräsentanten der Welt und nicht nur Europas sah."