Hilfe zur Arbeit

Zum Wohle der Allgemeinheit

Was als gewöhnlicher Elitewechsel zu bezeichnen wäre, wird zuweilen mit Emphase und Euphorie propagiert. Ein Aktionsbündnis von Arbeitslosen, Gewerkschaften, Studierenden, Basisgruppen, Kircheninitiativen und den Trägern der "Erfurter Erklärung" will "für eine andere Politik aufstehen." Denn diese Republik benötige eine "Regierung, die das Volk nicht als Gegner behandelt, dessen Widerspruch es zu brechen gilt".

Die Politikverdrossenheit der Deutschen gelte es zu beheben. "Parteiförmige Politik allein kann das Vertrauen der Bevölkerung in ihre Demokratie nicht mehr hinreichend begründen", stellen die Initiatoren fest und versuchen, der Demokratie mittels einer Verteilungsgerechtigkeit einklagenden Bewegung auf die Sprünge zu helfen.

Wo so redundant das Neue und das andere beschworen wird, droht die Wiederkehr des Immergleichen. Tatsächlich wird in dem Aufruf das längst verschwunden geglaubte Leitbild der Vollbeschäftigung strapaziert. Von diesen haben sich auch die gewerkschaftlichen Arbeitslosengruppen keineswegs verabschiedet. Sie fallen mit dieser Politik gewollt oder ungewollt denjenigen Initiativen, und oftmals sich selbst, in den Rücken, die auf kommunaler Ebene die restriktive Sozialpolitik zu bekämpfen versuchen: Niedriglohnprogramme und die Verstärkung des Arbeitszwanges werden schließlich als konkrete Schritte zur Vollbeschäftigung verkauft.

Auch die Existenzgeldforderungen der linken Erwerbslosen-Initiativen könnten sich als Munition für den weiteren Umbau der Sicherungssysteme erweisen. Denn die mit der allgemeinen Grundsicherung verbundene Verwaltungsreform der Sozialstaatsbürokratie würde kaum eine Vereinfachung für die Betroffenen, sondern das Zusammenführen von verschiedenen Hilfen auf eine Versicherungsleistung bedeuten - und neben der Rationalisierung in den Sozialbehörden auch eine bessere Kontrolle der Bedürftigen ermöglichen.

Mangels sozialer Bewegungen orientieren sich die Erwerbsloseninitiativen hierzulande verstärkt an den Grundsicherungsmodellen von Grünen und PDS. Gerade im Verbund mit der sozialdemokratischen Sozialpolitik haben diese Modelle eine arbeitsmarktpolitische Flexibilisierung zur Folge. Eine wegen der Finanzmisere niedrig angesiedelte Grundsicherung hätte die Funktion einer staatlichen Subventionierung von Billiglohnarbeit - ähnliches gilt auch für das Modell der "Kombilöhne".

Auch die Vorstellung des kleineren Übels blamiert sich an der Realität. Die neue Politik, die hier eingefordert wird, wird die alte sein. Ein Blick in die Kommunen zeigt, daß es einen Unterschied zwischen SPD und CDU-regierten Städte schlichtweg nicht gibt. Die unter Paragraph 18 bis 20 sowie 25 des Bundessozialhilfegesetzes laufende "Hilfe zur Arbeit", kommunale "gemeinnützige Arbeit", die durchaus Zwangscharakter hat, ist auch mit einer rot-grünen Koalition wie in Frankfurt am Main zu haben. Im öko-alternativen, von der SPD regierten Freiburg im Breisgau werden seit Januar 1998 ökosoziale Dienste über die dem Sozialamt unterstellte Kommunale Leitstelle für Arbeit vergeben; weigern sich die Betroffenen als städtische Müllberater oder Gärtner zu arbeiten, wird mit Kürzung der Sozialhilfe um 20 Prozent gedroht. Sie sollen, ganz im Sinne der "Erfurter Erklärung", dem Wohle der Allgemeinheit dienen.