Der Feind in meinem Kabinett

Die Image-Kampagne des peruanischen Präsidenten Fujimori hat mit einem Fehlstart begonnen

"In einem Land, bekannt für die Verletzung von Menschenrechten, existiert ein Minister, der sich der Verteidigung dieser Rechte widmet." Ungewöhnliche Töne sind zur Zeit im peruanischen Parlament zu hören. Zumal sie von einem Politiker kommen, dessen vorrangige Aufgabe darin besteht, die Regierung gegenüber der Bevölkerung zu vertreten.

Javier Valle-Riestra heißt der Mann, der sich als Abgeordneter und Senator der sozialdemokratischen APRA einen Namen gemacht hat, der seit knapp vier Wochen als Präsident des Ministerrates fungiert und der in der kommenden Woche die politische Zukunft seines Chefs abkürzen will.

Anfang Juni entließ Staatspräsident Alberto Kenya Fujimori den bisherigen Amtsinhaber, Alberto Pandolfi, und setzte zur allgemeinen Verwunderung einen dezidierten Gegner seiner Politik ein. Und Valle-Riestra legte schon im Anschluß an seine Vereidigung richtig los. Nicht nur erklärte er, er denke gar nicht daran, die Position Fujimoris zu vertreten, sondern auch, abweichend von der offiziellen Regierungsposition, daß die Wiederwahl Fujimoris für eine dritte Amtszeit nur über ein Referendum möglich sei. Die Bevölkerung solle entscheiden, ob der derzeitige Präsident für die Wahlen im Jahre 2000 zugelassen werde oder nicht.

Damit hatte der Verfassungsrechtler das zur Zeit umstrittenste Thema angesprochen - und zwar nicht im Sinne von Fujimori, der keine Mühen gescheut hat, um seine Wiederwahl zu sichern (Jungle World, Nr. 2/98). Nachdem er die Parlamentsmehrheit davon überzeugen konnte, für sein Anliegen zu stimmen, fanden sich auch einige Verfassungsrichter, die in der Lage waren, die Verfassung "zeitgemäß" zu interpretierten. Zwar sind darin nur zwei Amtszeiten erlaubt; aber da das Gesetzeswerk innerhalb der ersten Amtsperiode Fujimoris verabschiedet wurde, zählt diese nach Ansicht der Richtermehrheit nicht mit. Drei Richter, die dagegen votierten, wurden gefeuert.

Da aber als sicher gilt, daß ein Referendum die Entmachtung des autoritär herrschenden Fujimori mit sich bringen würde, wäre es nur logisch, wenn er mit seinem Kabinettschef nun ähnlich umspringen würde. Doch nichts dergleichen drang in der jüngsten Zeit an die Öffentlichkeit - im Gegenteil: Valle-Riestra kündigte in der Tageszeitung Expreso vor zwei Wochen an, am 6. Juli dem Kongreß einen Gesetzesvorschlag zu präsentieren, mit dem die erneute Kandidatur des Präsidenten unterbunden werden solle.

Die Reaktion Fujimoris folgte nur drei Tage später: Ganz Demokrat, stellte er sich derselben Zeitung als Interviewpartner zur Verfügung. "Im Ministerrat gibt es keine Einmütigkeit. Manchmal gibt es Diskrepanzen, weil jeder seine eigene Perspektive hat, und die von Herrn Valle-Riestra ist es, das Ansehen Perus zu verbessern." Ein nahezu identisches Statement war von der einflußreichen Abgeordneten Martha Ch‡vez, einer Hardlinerin vom Cambio 90, der Partei des Präsidenten, zu hören. Und prompt riefen derart relaxte Reaktionen Mißtrauen in der Bevölkerung und der Opposition hervor: Nach einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Apoyo F.A. vom 24. Juni mißbilligen 44 Prozent der Befragten die Ernennung Valle-Riestras, 40 Prozent begrüßen sie. Allerdings glauben nur 22 Prozent an den Erfolg seiner Gesetzesinitiative, während 63 Prozent sie für aussichtslos halten.

Angehörige der Opposition sehen in der Ernennung von Valle-Riestra einen geschickten Schachzug des Präsidenten. Cesar Rodriguez Rabanal, Vorsitzender des Demokratischen Forums, einem überparteilichen Komitee, dem Politiker unterschiedlicher Parteien und zahlreiche Personen des öffentlichen Lebens angehören, geht davon aus, daß Fujimori "Verwirrung in der Bevölkerung stiften will". Und weiter: "Die Bürger sollen denken, so diktatorisch ist die Regierung doch nicht, wenn ihr Demokraten und Menschenrechtler angehören." Rabanal setzt weiter auf die Strategie seiner Bewegung, die über Unterschriftenlisten ein Referendum über die dritte Präsidentschaftskandidatur Fujimoris erzwingen will. Bereits Ende Mai wurden 1,25 Millionen Unterschriften bei der obersten Wahlbehörde abgegeben. Diese muß nun die Unterschriften nun überprüfen. Sollten mehr als 1,2 Millionen Unterschriften für gültig erklärt werden, muß ein Termin für die Volksbefragung festgelegt werden.

Somit steht dieses Thema gleich doppelt auf der Tagesordnung. Während Fujimori im Parlament über eine Mehrheit verfügt und so die Gesetzesinitiative Valle-Riestras abschmettern kann, bedarf es schon mehr, um die vorgelegten Unterschriftenlisten zu manipulieren. Diese werden per elektronischem Scanner behandelt, wobei es zu Annullierungen kommen kann. Ob die Fehlerquote aber ausreicht, um das Referendum abzulehnen, bleibt zweifelhaft. Teile der Opposition gehen schon länger davon aus, daß Geheimdienstler in die Wahlbehörde eingeschleust wurden, um, falls nötig, auf diese Weise den Präsidenten an der Macht zu halten.