Platz für drei?

Zur Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern treten drei rechtsextreme Parteien an. Während die DVU auf spektakuläre Wahlerfolge setzt, baut die NPD ihre Strukturen aus. Und die Reps?

Ring frei zur zweiten Runde, heißt es am 27. September in Mecklenburg-Vorpommern. Nachdem die Erfolgschancen für rechtsextreme Parteien im April in Sachsen-Anhalt mehr als deutlich geworden sind, macht man sich bei Reps, DVU und NPD bereit, in einem zweiten ostdeutschen Bundesland Sitze im Parlament zu erobern - und die Chancen stehen nicht schlecht.

Das Wahlergebnis von Sachsen-Anhalt hat unter Beweis gestellt, was nur logisch ist: Nach der rassistischen Mobilisierung Anfang der neunziger Jahre, dem gesellschaftlichen Rechtsruck und der Herausbildung einer rechten Jugendkultur, die insbesondere in Ostdeutschland immer öfter eine dominierende Stellung einnimmt, hat auch das rechtsextreme Wählerpotential stark zugenommen. Waren es bis in die achtziger Jahre noch 13 bis 17 Prozent, denen ein geschlossen rechtsextremes Weltbild attestiert wurde, so ist dieser Umfragewert mittlerweile auf über 20 Prozent angestiegen. Einzelnen rassistischen und deutschtümelnden Parolen stimmt sogar mehr als die Hälfte der Befragten zu.

Parallel dazu haben die Konservativen, denen es bis Anfang der neunziger Jahre immer noch gelang, einen Großteil des rechten Wählerpotentials zumindest bei Wahlen zu binden, an Integrationskraft verloren. Angewachsen und durch den DVU-Erfolg von Magdeburg ermutigt, emanzipiert sich das rechte Wählerpotential zunehmend von der Union.

Unter diesen Ausgangsbedingungen stehen die Erfolgschancen für die Etablierung rechtsextremer Parteien so gut wie nie zuvor. Höchstens die Zerstrittenheit der Konkurrenten am äußeren rechten Rand könnte einem Wahlerfolg im Wege stehen. So setzt etwa die Bundesführung der Reps nach wie vor auf Abgrenzung gegenüber den anderen neofaschistischen Parteien und ist bemüht, sich gemäßigt zu geben. Wer dieser Vorgabe nicht folgen will, dem drohen Amtsenthebung und Parteiausschlußverfahren. Ungeachtet dessen orientiert sich mittlerweile ein nicht mehr geringer Teil der Parteibasis in Richtung derjenigen Rechtsparteien, die im Gegensatz zu den Reps auf der Erfolgswelle schwimmen, weil und nicht obwohl sie kein Blatt vor den Mund nehmen: DVU und NPD. Während Gerhard Frey keine Kosten scheut und mit seiner DVU darauf setzt, das rechte Wählerpotential mit einem intensiven Wahlkampf für sich zu gewinnen, denken die NPD-Führer langfristig: Die Neonazi-Partei will den Strukturaufbau weiter vorantreiben und sich mit zunächst kleinen Wahlerfolgen nach oben arbeiten.

Da alle drei von ihrem eigenen Konzept so überzeugt sind, als hätten sie das Rad neu erfunden, wird es wohl kaum zu einer Zusammenarbeit zwischen den Parteien kommen: Die Reps sind sich zu fein, auch nur Gespräche mit den Konkurrenten zu führen, Gerhard Frey orientiert sich an Größen wie Le Pen, und die NPD meint, es nicht nötig zu haben, taktische Absprachen zu treffen. Erst kürzlich lehnte Parteichef Udo Voigt das Angebot Freys ab, sich die Wahlen im Osten aufzuteilen.

Während eine derartige Situation noch vor wenigen Jahren das Aus für die Erfolgshoffnungen aller drei Parteien bedeutet hätte, sieht die Situation heute etwas anders aus. Sieben bis acht Prozent der Wahlberechtigten in Ostdeutschland haben in verschiedenen Umfragen die Bereitschaft geäußert, eine der rechtsextremen Parteien zu wählen, und die Dunkelziffer liegt etwa doppelt so hoch: In Sachsen-Anhalt hatten sich vor der Wahl im April nur sieben Prozent der von den Umfrageinstituten Befragten dazu bekannt, rechtsextrem wählen zu wollen. Tatsächlich getan haben es über zwölf Prozent. Zahlen, die deutlich machen, daß das rechte Wählerpotential durchaus Platz für zwei Parteien rechts von der CDU bietet.

Auf die Frage, wer sich im Kampf um das rechte Wählerpotential durchsetzen kann, wird sich bei den parallel zu den Bundestagswahlen stattfindenden Landtagswahlen in Mecklenburg-Vorpommern zumindest eine erste Antwort finden.

Multimillionär Gerhard Frey verfährt mit seiner DVU nach dem Motto, was in Sachsen-Anhalt gut war, kann in Mecklenburg-Vorpommern nicht schlecht sein. Getreu dem althergebrachten Konzept will die DVU für zwei Millionen Mark Postwurfsendungen verschicken, das Bundesland mit großflächigen Plakaten zukleistern und massenweise Aufkleber verteilen. Die praktisch nicht vorhandenen Parteistrukturen, um deren Aufbau man sich vor der Wahl schnell noch ein wenig bemüht, spielen dabei kaum eine Rolle. Wie bereits in Sachsen-Anhalt werden Wahlhelfer angeworben, die von einem geheimen Infrastruktur-Zentrum aus das gesamte Bundesland mit den DVU-Parolen versorgen sollen.

Problematisch ist auch die Suche nach Kandidaten für den zu wählenden Landtag. Die DVU pflegt ihre Kandidaten aus der Interessentendatei in der Parteizentrale in der Münchener Paosostraße auszuwählen. Um die geeigneten Anwärter für einen Landtagssitz zu ermitteln, machte sich der Berliner Landesvorsitzende der DVU, Olaf Herrmann, im Mai auf den Weg nach Mecklenburg-Vorpommen und besuchte die Bewerber höchst persönlich. Fügsam, folgewillig und nicht zu intelligent müssen sie sein, um von der DVU aufgestellt zu werden. Schließlich sollen sie nicht selber Politik machen, sondern lediglich die in München formulierten Anfragen und Anträge einbringen. Wer selber denkt, stellt nur eine Gefahr für den uneingeschränkten Führungsanspruch Gerhard Freys dar.

Ganz anders präsentiert sich da die NPD. Der Neonazi-Partei fehlt nicht nur das Geld, um in der Propagandaschlacht mit der DVU mithalten zu können. Der aus dem Westen zugezogene Rechtsanwalt und stellvertretende Bundesvorsitzende Hans Günter Eisenecker und seine mecklenburgischen Kameraden wollen lieber erst einmal kleine Brötchen backen. In Zusammenarbeit mit der in weiten Teilen an die Partei angeschlossenen oder integrierten Nazi-Szene, die sich in Mecklenburg-Vorpommern vor allem in Kameradschaften präsentiert, sollen die Parteistrukturen weiter ausgebaut und ein Wahlkampf vor Ort geführt werden, der sich bei den Leuten dauerhaft einprägt.

Nach Aufmärschen in Stralsund und Anklam ist ein weiterer für den 1. August in Neustrelitz geplant. Als Abschlußveranstaltung will die Partei am 19. September, eine Woche vor dem Wahlsonntag, eine "Großdemonstration" in Rostock abhalten, für die sie bereits jetzt im großen Stil mobilisiert und die ähnliche Ausmaße wie die am 1. Mai in Leipzig annehmen könnte. Um mit ihren noch bescheidenen Mitteln auch die Bundestagswahl abdecken zu können, hat die NPD für Mecklenburg-Vorpommern einen "Schwerpunktwahlkampf" ausgerufen.

Die Neonazis hoffen, daß die Wähler am 27. September der NPD auch bundesweit zu einem Achtungserfolg verhelfen, der sie weiter bekannt macht und ihnen die begehrte Wahlkampfkostenrückerstattung verschafft. Bei einem Einzug in den Landtag müßten sie schließlich auch ihre Glaubwürdigkeit unter Beweis stellen - und das nicht nur gegenüber der Nazi-Szene, sondern auch gegenüber den breiteren Wählerschichten.

Als weitere Schwerpunkte in ihrer langfristig angelegten Strategie hat sich die Neonazi-Partei die Kommunalwahlen in Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern ausgeguckt - und im kommenden Jahr die Landtagswahl in Sachsen, wo die NPD ihren mit Abstand stärksten Landesverband hat. Für die Kommunalwahlen rechnet sich die Führungsriege der NPD aufgrund der teilweise guten Verankerung vor Ort gute Chancen aus. In Mecklenburg-Vorpommern hofft man zudem, noch von dem Landtagswahlkampf zehren zu können. In Brandenburg will die Partei zu den ebenfalls am 27. September stattfindenden Kommunalwahlen in mindestens zwölf Gemeinden antreten, in insgesamt 30 sammeln die Neonazis derzeit Unterstützungsunterschriften.

Wenig chancenreich im Kampf um das rechte Wählerpotential scheinen einzig die Reps. Intern über den gemäßigten Kurs der Bundesführung weitgehend zerstritten, versucht Rolf Schlierers Partei nach wie vor, ein Potential zu bedienen, das von der immer weiter nach rechts rutschenden CDU einerseits und der populistischen DVU andererseits schon bedient wird. Mit den Landtagswahlen in Bayern zwei Wochen vor der Bundestagswahl und der Wahl in Mecklenburg-Vorpommern wird sich entscheiden, ob die Reps ein früher Verlierer im Kampf zwischen den Rechtsparteien sind. Wenn der mehr als nötige Erfolg in der Rep-Hochburg Bayern ausbleibt, drohen weite Teile der Parteibasis, das Parteibuch abzugeben. Dann könnten DVU und NPD den Kampf unter sich ausmachen - oder nebeneinander existieren und sich den Kuchen aufteilen. Wer langfristig den größeren Erfolg haben wird, bleibt offen: Die DVU hat das Geld, die NPD einen jungen Kaderstamm und immer besser werdende Strukturen vor Ort.