Kein Dackel heißt Klinsmann

Nichr mal singen konnten wir, nörgelt unsere Sportfrau Elke Wittich nach der WM

In Deutschland sah es zunächst so aus, als falle die Rückschau auf die Fußball-WM sehr negativ aus.

Bild begann unmittelbar nach dem Ausscheiden der Berti-Boys eine Serie "DFB intim" und versprach in der ersten Folge die Enthüllung aufsehenerregender Skandale im deutschen Team, etwa Kräche, betrunkene Spieler und Intrigen. Als sich jedoch abzeichnete, daß Bundestrainer Vogts seinen Job auf keinen Fall kündigen wollte, wurde der Intimreport nur noch einige Tage lang halbherzig weitergeführt. Denn auch bei Springer ist man auf die Gunst des DFB angewiesen.

Obwohl man kaum jemanden fand, der über das Ende der WM-Träume von Vogts und Co. traurig gewesen wäre: Selbst das von unsensiblen Sportreportern so vielbelächelte Ende des bulgarischen Esels Stoitschkov, der von seinem wütenden Besitzer nach dem Ausscheiden der Bulgaren umgebracht worden war, zeugt für die Unbeliebtheit der deutschen Kicker, nach denen noch nicht mal Dackel benannt werden. So blieb es bei Resümees, in denen die tolle Stimmung, der reibungslose Ablauf und die einmaligen Leistungen der anderen gelobt wurden, ohne auf das Wesentliche der WM einzugehen: Sehr viel Neues gab es bei der Leistungsschau des Weltfußballs nicht zu bestaunen. Vor allem auf dem Gebiet der Freistöße nicht, bis auf eine sehr schöne Variante der argentinischen Elf im Spiel gegen England.

Aber auch die Fans versagten, besonders musikalisch. Während die Deutschen nur wenige verschiedene Lieder vortrugen ("Steht auf, wenn ihr Deutsche seid", etwa, oder "So ein Tag, so wunderschön wie heute") und sich in puncto Abwechslungsreichtum damit kaum von der Spielkunst der Nationalmannschaft unterschieden, waren es die viel zu früh ausgeschiedenen Engländer, die ein akustisches Gegengewicht zum Gelaber der Sportreporter bildeten.

Am schlimmsten waren allerdings die schon aus optischen Gründen unerträglichen, weil in ätzendes Orange gekleideten Niederländer: Während des Halbfinales gegen Brasilien trugen sie, begleitet von einer besonders enervierenden Musikkapelle, der aus irgendeinem seltsamen Grund niemand am Eingang die Instrumente weggenommen hatte, ein Potpourri von Melodien vor, die auch außerhalb eines Stadions niemand hören möchte.

Von "Wenn das Wasser im Rhein goldner Wein wär', ach, wie möcht' ich so gern ein Fischlein sein" bis hin zum schon bei anderen Gelegenheiten arg strapazierten Gefangenenchor aus Verdis "Nabucco", dargeboten im immergleichen 4/4-Takt, machten sie aus schrecklichen Volksliedern einen unerträglichen Schunkelbrei - kein Wunder, daß ihre Mannschaft im Spiel um den dritten Platz gegen Kroatien verlor.

Aber auch die Spieler, die nicht so angefeuert wurden, versagten innovationstechnisch. Atemberaubendes gab es, bis auf das mexikanische Austricksen zweier Gegenspieler, indem man den Ball zwischen die Füße nahm und über die beiden anderen sprang, kaum zu sehen.

Nur das Foulspiel-Genre erfuhr eine interessante Neuerung: Nach der Attacke gegen den mit einem Schrei zu Boden gehenden Gegner wirft man sich dem neuen Trend folgend ebenfalls hin und wälzt sich auf dem Rasen, während man gleichzeitig den Schiedsrichter im Auge behält. Kommt er, in der Brusttasche nach der Karte suchend, bedrohlich näher, muß man die Leidensdarstellung intensivieren. Reagiert er nicht, dann kann man beruhigt aufstehen und vielleicht dem Gegner ebenfalls auf die Beine helfen - und ihm dabei aus Versehen vielleicht auch noch schnell den Ellenbogen zwischen die Rippen rammen.

Richtig Neues gab es hingegen von der kroatischen Mannschaft zu sehen. Denn eigentlich hatte man geglaubt, daß das deutsche Team von seinen Gegnern nur mit einem Trick zu besiegen sei - durch einen gegnerischer Spieler, der mit einem einzigen Auftrag ins Aufgebot geschickt wurde: Bierhoff zusammentreten. Das kann durchaus innerhalb der ersten Viertelstunde erledigt werden, wenn man ein besonders beherzter Fouler ist - mit viel Glück und einem unaufmerksamen Schiedsrichter kann derselbe Kicker vor dem unweigerlich erfolgenden Platzverweis auch noch den zweiten deutschen Goalgetter, Jürgen Klinsmann, erledigen.

Das wichtigste Ereignis während der WM wurde allerdings kaum gewürdigt. Der französische Titelgewinn bewies nämlich, daß auch eine Mannschaft Weltmeister werden kann, die nicht aus Deutschland, Italien oder Brasilien kommt. Doch auch der französische Jubel war nur eine weitere willkommene Gelegenheit, schlechte deutsche Laune zu präsentieren: Als ein ausgelassener Mob aus französischen und nichtfranzösischen Medienarbeitern im WM-Sendezentrum die ARD-Übertragung stürmte, kam keiner auf die Idee, einfach mitzufeiern - statt dessen wurde mit verkrampfter Lockerheit zu den Außenreportern weitergeschaltet.