Strahlende Knopflöcher

Im fränkischen Kloster Banz bestätigte die Union die Aufgabenverteilung für den Wahlkampf: Die CSU macht scharf, die CDU gibt sich moderat, und alle haben sich lieb

Mit einer Wahlempfehlung hat sich das Landeskomitee der Katholiken vergangene Woche an die Wähler im Freistaat Bayern gewandt: "Nationalistische und ausländerfeindliche Parolen" ließen sich nicht mit dem Auftrag zur Solidarität verbinden. Der Versuch, Deutschland gegenüber dem Ausland abzuschotten, würde "dem auf weltweiten Austausch angewiesenen Exportland auch selbst schaden".

Ein Aufruf, künftig nicht mehr Bayerns dem Namen nach christliche Regierungspartei zu wählen? Nein, solche Wunder geschehen zwischen Alpen und Main nicht. "Gemeint sind damit ganz klar die DVU und die Republikaner", erläuterte der Komitee-Vorsitzende Bernhard Sutor. Worin sich deren Ausländerpolitik von derjenigen der CSU unterscheiden soll, das wußte Herr Sutor freilich aus dem Stegreif auch nicht so recht zu sagen.

Trotzdem durfte die christsoziale Landesgruppe aus dem Bundestag Ende vergangener Woche auf ihrer Klausurtagung, von Katholiken ungestört, nationalistische und ausländerfeindliche Parolen verbreiten und fordern, Deutschland gegenüber dem Ausland abzuschotten - im katholischen Kloster Banz: Wer dauerhaft in Deutschland leben wolle, forderten die Parlamentarier, müsse sich in "die deutsche Kultur- und Werteordnung" einfügen. Ausländer sollten deshalb in Zukunft gefälligst ihre Integrationsbereitschaft unter Beweis stellen. Und das tue man am besten, indem man sich "in Vereinen und Verbänden" engagiere.

Türken im Pfarrgemeinderat, Chinesen im Trachtenverein, Kurden bei den Gebirgsschützen, Togolesen bei den Oberammergauer Passionsspielen? Herrgott hilf, so ist das natürlich nicht gemeint. Denn erstens will die CSU ja keinen mehr reinlassen und zweitens möglichst viele wieder rausschmeißen. Deshalb hat sie am vergangenen Freitag noch schnell ein paar Anträge im Bundesrat eingebracht: Die bisherige Regelung, wonach ausländische Kinder, die mehr als acht Jahre in Deutschland gewohnt haben und davon sechs Jahre in eine deutsche Schule gingen, innerhalb von fünf Jahren jederzeit wieder zurück in die Bundesrepublik kommen dürfen, soll abgeschafft werden. Außerdem sollen Kinder nur noch bis zu einem Alter von zehn Jahren von ihren Eltern nach Deutschland nachgeholt werden können. Das alles diene selbstverständlich ausschließlich der Integration, beteuerte Bayerns Bundesministerin Ursula Männle am Freitag vor der Bonner Länderkammer. Und um diese zu fördern, müsse man halt die Rechte der Ausländer beschneiden.

Das klingt verdächtig nach Berlins Innensenator Jörg Schönbohm, der schon vor einigen Wochen die "mangelnde Integrationsbereitschaft" von Ausländern in der Hauptstadt als Thema entdeckt hatte. Und tatsächlich war der glatzköpfige General aus Kleinmachnow unter den prominenten Gästen der Klausurtagung - als Ideengeber und als kleine Entschädigung dafür, daß der Satz "Deutschland ist kein Einwanderungsland" nun doch nicht im gemeinsamen Wahlpapier von CDU und CSU steht.

Doch Bayerns Staatspartei ist um dergleichen glorreiche Formulierungen nicht verlegen. In Banz hörte man zum ersten Mal den Satz, Ausländer, die nicht deutsch sprechen, sollten in Zukunft keinen "verfestigten Aufenthaltsstatus" mehr erhalten. Ausgerechnet von jener Partei, die jüngst eines ihrer Wahlpapiere unter das Motto "Deutschland und Bayern sind kein Einwanderungsland" stellte, klang diese Forderung schon recht befremdlich. Auf Vorwürfe, die CSU rücke mit ihren Vorstößen immer weiter nach rechts, brabbelte Parteichef Theo Waigel in Banz denn auch gewohnt sprachgewandt in das Mikrophon des Bayerischen Rundfunks: "Das ist lächerlich. Wir bewegen uns weder nach rechts oder nach links, sondern in der Mitte." Und ein weiterer Meister der deutschen Sprache, Kanzler Helmut Kohl, stärkte der bayerischen Schwesterpartei in Form und Inhalt den Rücken: "Wenn einer unser erwünschter Gast ist, mit dem haben wir keine Probleme, aber wenn jemand hier auf kriminellen Wegen sich bewegt, der muß raus. Das hat doch mit Fremdenfeindlichkeit nichts zu tun."

Solch deutliche Worte schlossen denn auch so manchen Graben, der sich zwischen den Schwesterparteien in den vergangenen Wochen aufgetan hatte. "Aus allen Knopflöchern", begeisterte sich Landesgruppenchef Michael Glos, habe dem Bundekanzler die Freude herausgestrahlt, der SPD mal wieder eine Niederlage beizubringen. Und wer möchte bei soviel Siegeszuversicht darüber hadern, was aus der CSU in der Opposition werden könnte?

Der Pfälzer Kanzler wußte, wie er die demoralisierten CSU-Parlamentarier anfassen mußte: Nicht mit Hurra-Propaganda, sondern mit dem Willen zur Selbstkritik, Analyse - oder zumindest etwas, was klang wie Analyse - und trotzdem Siegeszuversicht. Überraschung kam auf, als Kohl eingestand, mancher Wähler könne wohl nach 16 Regierungsjahren sein Gesicht nicht mehr sehen. Die Hauptschuld an der derzeit für die Union so miesen Stimmung treffe jedoch die 68er, die in Gestalt von Schröder und Lafontaine deswegen so verbissen kämpften, weil sie im September die letzte Chance hätten, an die Macht zu kommen. Die Werte der Adenauer-Generation gegen den Wertverlust der Apo - das saß, das hatte man so seit Jahren in der Jungen Freiheit und im Bayernkurier gelesen. Doch der Kanzler sparte auch nicht an - verhaltener - Kritik an den eigenen Reihen, die so geschlossen nicht sind, wie er es sich wünschen würde: Nicht jeder kämpfe hundertprozentig für den Wahlsieg der Union. Beschämt neigten sich die Häupter der Dissidenten. "Wir reden jetzt nur noch gut übereinander", kündigte Glos einen kategorischen Imperativ an, der für die Stoibers und Gauweilers zumindest bis zur Bundestagswahl gelten soll.