Kabila im Kreuzfeuer

Der Krieg zwischen rebellischen und loyalen Militärs in der Demokratischen Republik Kongo droht zu einem Regionalkonflikt zu werden

Der Überraschungsbesuch Ende Juli beim letzten Papst der internationalen Staatslinken scheint dem kongolesischen Präsidenten Laurent Kabila kein Glück gebracht zu haben: Zwar wirkte der Ex-Marxist beim gemeinsamen Foto-Shooting mit Fidel Castro fotogen wie immer, doch kurz nach seiner Rückkehr nach Kinshasa, Hauptstadt der Demokratischen Republik Kongo (ehemals Zaire), ging's dann ab.

Seit Anfang vergangener Woche haben sich Teile der Militärführung gegen Kabila gestellt. Im Osten des zentralafrikanischen Landes, wo 1996 auch der Aufstand gegen den damaligen Diktator Mobutu begann, meutern Kabilas einstige Verbündete aus der Allianz der demokratischen Kräfte für die Befreiung Kongo-Zaires (AFDL), die Banyamulenge-Tutsi, nun gegen den Staatschef. Diesen hatten sie im Mai 1997 noch zum Nachfolger Mobutus gemacht. Während aufständische Banyamulenge-Einheiten, die die Kerneinheiten der 140 000 Soldaten zählenden kongolesischen Armee stellen, nach Agenturangaben von Kabila-treuen Truppen aus Kinshasa vertrieben wurden, rücken sie im Osten weiter vor.

Gegenüber Reuters gab der Kommandeur der aufständischen Truppen, Sylvain Bikelenge, am Wochende an, die politische Macht in der Region Kivu im Osten bereits gesichert zu haben. Die an der Grenze zu Ruanda gelegenen Städte Bukavu und Goma sowie die an Burundi grenzende Stadt Uvira seien fest in der Hand der Rebellen. Aber auch im Westen und im Zentrum des Landes würden seine Truppen vorrücken. Die für die Erdölförderung bedeutende Stadt Muanda und der Marinestützpunkt Banana seien bereits erobert. Ein Sprecher Kabilas dementierte und sprach von umkämpften Gebieten im Westen. Der staatliche Rundfunk meldete zudem am Samstag die Rückeroberung des Flughafens der östlich gelegenen Stadt Kisangani.

Bereits Mitte der Woche hatte Bikelenge per Radio den Aufstand gegen Kabila mit dessen Versagen, Nepotismus, Korruption und nicht gehaltenen Zusagen an die Tutsi begründet. Tutsi würden nach wie vor vom Regime diskriminiert, alle wichtigen Positionen in Staat und Armee seien zudem von Kabila mit Vertrauten aus seiner Herkunftsprovinz Katanga besetzt worden.

In der Tat verloren in den letzten Monaten sechs Minister ihr Amt. Kabila-treue Politiker traten an ihre Stelle. Auch wurden die Armee- und Polizeiführungen gesäubert, wobei auf Militärs zurückgegriffen wurde, die schon unter Mobutu gedient haben.

Staatliche Radiosender aus Kinshasa forderten die Bevölkerung hingegen auf, sich den "Elementen ohne staatsbürgerliches Pflichtgefühl" entgegenzustellen. Den Rebellen gehe es um die Abspaltung der Region Kivu vom Kongo und die Angliederung der beiden Kivu-Provinzen an Ruanda. Eine Woche vorher hatte Kabila noch im Kongo stationierte ruandische Streitkräfte aufgefordert, das Land umgehend zu verlassen. Die Putschvorbereitungen, bei denen die früher mit Kabila verbündeten Militärs aus Ruanda eine maßgebliche Rolle zu spielen scheinen, hatten sich schon bis Kinshasa herumgesprochen.

Nach der Aufforderung zum Truppenabzug wurden die Putschvorbereitungen intensiviert: Noch während in verschiedenen Städten - vor allem in Kinshasa - erstmals geschossen wurde, floh Außenminister Bizima Karaha, der einflußreichste politische Vertreter der Banyamulenge-Tutsi im Regierungsstab, am Montag aus Kinshasa und schloß sich - ebenso wie zahlreiche Oppositionspolitiker - dem Aufstand an. Mit Athur Z'Ahidi Ngoma wurde Mitte der Woche der Öffentlichkeit schließlich auch ein "Präsident der Bewegung" präsentiert. Ngoma ist Vorsitzender der Oppositionspartei "Kräfte der Zukunft", gilt als Vertreter französischer Interessen im Kongo und schart entsprechend viele Politiker des ehemaligen Mobutu-Regimes um sich.

Frankreich hatte bis zu dessen Sturz im vergangenen Jahr auf Mobutu gesetzt, während die USA direkt und - über logistische Unterstützung via Ruanda - indirekt Kabila unterstützt hatte. Doch seit Beginn dieses Jahres haben die Spannungen zwischen dem Kongo und seinen ehemaligen Verbündeten Ruanda, Uganda und den USA zugenommen. US-Präsident William Clinton vernachlässigte den größten zentralafrikanischen Staat während seiner Frühjahrstournee zugunsten von Ruanda und Uganda, nachdem Kabila zum Jahreswechsel Verträge mit US-Firmen zur Förderung von Kobalt, Kupfer und Diamanten annulliert hatte. Ein von Kabila organisierter Regionalgipfel wurde von den östlichen Nachbarstaaten ebensowenig besucht wie die Jahresfeier zu seiner Machtübernahme.

Nach AP-Berichten scheint sich die US-Strategie zum Kongo fortsetzen: Bei Truppen in der ruandischen Grenzstadt Gisenyi, nahe Goma, würden zunehmend Militärberater aus Washington gesichtet, berichtete die US-Nachrichtenagentur letzte Woche. Diese Präsenz mag mit der von Kabila am vergangenen Donnerstag ausgesprochenen Drohung zusammenhängen, den Krieg "dorthin zurückzutragen, wo er seinen Anfang genommen habe", nach Ruanda. Obwohl Ruandas Präsident Pasteur Bizimungo jegliche militärische Einmischung im Kongo dementierte, gilt als sicher, daß in den ersten Tagen des Aufstandes ruandische Truppen sich im Osten Kongos Gefechte mit loyalen Militärs geliefert haben.

Ein am Samstag gegründeter Ausschuß, dem die Präsidententen Tansanias, Sambias, Namibias und Zimbabwes angehören, soll eine eventuelle Verwicklung Ruandas in die Gefechte im Kongo untersuchen. Überprüft werden sollen auch von Augenzeugen gemeldete Übergriffe auf Tutsi in Kinshasa und im Westen des Kongo. Doch ist dies das einzige konkrete Ergebnis eines Sondergipfels sieben ost- und zentralafrikanischer Staaten, an dem auch die Staatschefs der Demokratischen Republik Kongo, Ruandas und Ugandas teilnahmen. Noch während alle am Gipfel beteiligten Staaten ihren Willen zu einer friedlichen Beilegung des Konflikts betonten, gingen Kabilas Truppen zur Gegenoffensive über. Auch wurden Pläne zu einer Teilmobilisierung für einen eventuellen Krieg mit Ruanda bekannt. Nach einem AP-Bericht vom Samstag haben sich in Kinshasa bereits mehrere Hundert Freiwillige gemeldet.